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Segen oder Fluch? - Ghanas Öl-Versprechen

Almut Dieden
4. Dezember 2020

Vor 13 Jahren wurde vor Ghanas Westküste ein neues Ölfeld entdeckt. Stoff für große Hoffnungen - wie die neue DW-Langzeitdokumentation "Oil Promises - Ghanas Traum von Schwarzen Gold" zeigt.

Ghana Illustration von Ebele Okoye
Bild: Berlin Producers

Oil Promises - Ghanas Traum vom Schwarzen Gold

42:36

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Ratlos schaut sich der Fischer und Dorfvorsteher Togbe Madugo am Strand von Princes Town um. Der Sand ist übersäht mit Algen, angespült vom Meer. "Die Weißen haben unsere Lebensgrundlage zerstört", sagt er. "Vor dem Öl konnten wir arbeiten und unsere Kinder ernähren. Jetzt ist alles ruiniert."

Madugo und sein Dorf lebten von der Fischerei - doch bald nachdem der Öl-Hahn an Ghanas Westküste Ende 2010 aufgedreht wurde, zerstörte eine Algenplage die Netze der Fischer. Die Dorfbewohner vermuten, dass die Industrie Schuld daran trägt. Geld für neue Netze gibt es nicht, und von dem versprochenen Ölreichtum ist auch sonst wenig in den betroffenen Dörfern angekommen.

Algen haben die Netze der Fischer zerstört, sagt Togbe MadugoBild: Berlin Producers

Dabei hätte alles so schön werden sollen. 2007 entdeckten die britisch-irische Firma Tullow Oil und das US-Unternehmen Kosmos Energy 60 km vor der westlichen Küste Ghanas ein neues Öl- und Gasvorkommen mit geschätzt 500 bis 1000 Millionen Barrel förderbarem Öl. Die Wirtschaft des Landes erhoffte sich einen Boom.

Auch die Fischerdörfer sollten vom Segen des Jubilee-Ölfelds profitieren. Die meisten der kleinen Dörfer in der Region hatten weder Trinkwasser noch Strom. Jetzt sollte das "schwarze Gold” alles umkrempeln: Ein Gaswerk wurde geplant, ein 5-Sterne-Hotel, eine Raffinerie, tausende Arbeitsplätze und modernste Infrastruktur.

Der Traum vom Gabelstapler

Das große Öl-Versprechen - für die meisten Menschen der Region verbindet sich damit die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Wie für Gifty Kenya. Als Nachrichten über das neu entdeckte Ölvorkommen durchsickern, lebt sie mit ihrem damals neunjährigen Sohn in dem Küstenort Atuabo.

Mit einer großen Schüssel auf dem Kopf, gefüllt mit Kosmetika, Cremes und Haarpflegeprodukten, zieht sie täglich von Haus zu Haus, um Geld für sich und ihren Sohn zu verdienen. "Das Leben hier ist sehr hart. Wenn ich nichts verkaufen würde, hätte ich nichts zu essen. Aber manchmal verdiene ich gar nichts."

In Atuabo soll die geplante Gasaufbereitungsanlage gebaut werden, und Gitfy Kenya hofft damals auf die Chance, ihren großen Traum zu verwirklichen: Sie will Gabelstaplerfahrerin werden.

Strände, Palmen… und ein Luxushotel

Dem Dorfvorsteher Togbe Madugo kommen schon früh Zweifel an den großen Versprechen. Denn das Land, auf dem sein Fischerdorf liegt, wird für das geplante Luxus-Hotel "Princes Town Resort" ohne die Zustimmung der Bevölkerung verkauft. Die Zukunft von Princes Town, das sich auf dem Sandstreifen zwischen der Lagune und dem Meer erstreckt, ist laut Madugo ungewiss.

Die Künstlerin Ebele Okoye hat zur Doku Illustrationen und Animationen beigesteuertBild: Berlin Producers

"Ich bin das Oberhaupt all dieser Menschen, hier leben auch Kinder. Was, wenn sie uns sagen, wir müssen hier weggehen - was sollen wir dann tun?" Auch um die Traditionen seiner Gemeinde sorgt er sich. Beispielsweise besagen die spirituellen Regeln, dass donnerstags niemand in die Lagune darf, sonst droht der Zorn der Geister. Würden sich die Gäste des geplanten 5-Sterne-Hotels an solche Regeln halten?

Fremde Arbeiter

2012 wird in Atuabo das Gelände für die neue Gas-Aufbereitungsanlage geebnet. Gifty Kenya ist mit dabei. Sie hat gelernt, Walzen und Bagger zu bedienen. Doch die Euphorie hat bald ein Ende. Das chinesische Unternehmen Sinopec erhält den Auftrag, die Onshore-Pipelines und die Gasfabrik zu bauen - und bringt seine eigenen Arbeiter mit.

Im Jahr 2014 arbeiten nur sehr wenige Ghanaer in der Öl- und Gasindustrie. Gifty Kenyas Gabelstapler-Traum ist geplatzt. "Leute aus Accra und aus anderen Ländern machen die Arbeit. Nicht wir." Die versprochenen Jobs in der neu entstandenen Industrie bleiben aus.

Gifty Kenya auf dem Baugrundstück in AtuaboBild: Berlin Producers

Und so lebt Gifty Kenya, zehn Jahre nachdem der Ölhahn aufgedreht wurde, nicht mehr in ihrem Dorf an der Westküste. Sie ist in die Hauptstadt Accra gezogen, um dort Arbeit und eine Bleibe zu suchen.

Für die meisten Menschen in den Fischerdörfern zahlte sich das Öl kaum aus. Dabei beliefen sich 2018 die Staatseinnahmen aus den Ölexporten auf über vier Milliarden US-Dollar, das sind etwa 23 Prozent aller Exporteinnahmen des Landes. Öl- und Gasförderung machten 3,8 Prozent von Ghanas Bruttoinlandsprodukt (BIP) aus. Im Oktober 2020 gab Tullow Oil bekannt, dass seit Beginn der Ölförderung 300 Million Barrel im Jubilee-Ölfeld gefördert wurden.

Langzeitdokumentation "Oil Promises"

Über mehr als zehn Jahre hat das Filmteam von Elke Sasse und Andrea Stäritz die Menschen begleitet, denen ein Stück vom Kuchen versprochen wurde - und auf das die meisten noch warten. Dazu zeigen Animationen der nigerianischen Künstlerin Ebele Okoye, wie die große Welt plötzlich in drei kleine Fischerdörfer kommt.

Der einst weiße Sandstrand von Togbe Madugos Dorf ist inzwischen nicht nur von Algen, sondern auch von Müll übersät. Madugos Blick wandert zu der Bohrinsel weit vor der Küste. "Die Geschäftsleute essen und trinken auch und ihr ganzer Müll landet im Meer", sagt er. "Das Meer spült ihn dann an unseren Strand." Das dort geplante 5-Sterne-Hotel wurde nie gebaut. Ihre Häuser mussten die Menschen von Princes Town nicht verlassen - ein kleiner Trost.

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