1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Zurückhaltend selbstbewusst

Christoph Hasselbach3. Juni 2014

Die NATO versucht, ihre östlichen Mitglieder gegen russische Aggression zu schützen. Doch letztlich will sie Russland als Partner zurückgewinnen.

Ministerrunde mit Flaggen Foto: Reuters
Bild: Reuters

Die russische Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim hat Europa verändert, auch für die NATO. Die Zusammenarbeit mit Russland liegt auf Eis, und die NATO macht sich auf eine mögliche russische Aggression auch gegen Bündnismitglieder gefasst. So etwas schien noch vor kurzem undenkbar, sagte zum Beispiel die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen beim NATO-Rat am Dienstag (03.06.2014) in Brüssel. "Eine Zeitlang spielte das verantwortliche und konstruktive Handeln Russlands eine wichtige Rolle beim Aufbau von Sicherheit und Stabilität im euroatlantischen Raum", so NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen. Heute jedoch bedrohe Russland Europa erneut: "Denn Russland hat gezeigt, dass es bereit ist, Gewalt einzusetzen, Grenzen neu zu ziehen, neue Trennungslinien in Europa festzulegen und bei der Verfolgung seiner geopolitischen Ziele souveräne Nationen zu destabilisieren."

Kollektive Verteidigung gilt uneingeschränkt

Als Konsequenz müsse die NATO "fähiger, schneller und flexibler" werden, forderte Rasmussen, um zum Beispiel auf einen raschen russischen Truppenaufbau an den NATO-Grenzen reagieren zu können. Am System kollektiver Verteidigung werde nicht gerüttelt. Rasmussen betonte: "Kein Verbündeter steht allein." Vor allem die NATO-Mitglieder im Osten, die früher unter sowjetischer Herrschaft standen, wie Polen oder die baltischen Staaten, haben Angst, es könne bald auch sie treffen. Die NATO hat bereits die Luftraumüberwachung im Osten verstärkt. Deutschland, Polen und Dänemark wollen das NATO-Korps Nordost in Stettin personell aufstocken. Es ist für die Planung von Übungen und Operationen zuständig. Doch die Amerikaner gehen schon deutlich weiter. Während die Minister in Brüssel tagten, kündigte US-Präsident Barack Obama bei einem Besuch in Warschau ein ganzes Paket von Sicherheitsmaßnahmen für die östlichen NATO-Länder an. Vorgesehen ist auch, Soldaten und Berater zu entsenden. Wert des Pakets: eine Milliarde US-Dollar.

Rückkehr zum Kalten Krieg? Russische Siegesparade auf der Krim am 9. MaiBild: Reuters

Keine unnötigen Provokationen

Einige dieser Bündnismitglieder im Osten fordern aber, die Allianz solle als Abschreckung dauerhaft Truppen auf ihrem Territorium stationieren. Bisher hatte die NATO mit Rücksicht auf Russland darauf verzichtet. Und das lehnen auch jetzt Staaten wie die USA und Deutschland ab. Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sagte in Brüssel: "Mir ist wichtig, deutlich zu machen, dass die Sorgen unserer östlichen Partner auch unsere Sorgen sind und dass sie unserer ungebrochenen Solidarität sicher sein können." Wichtig sei das richtige Maß an Selbstbewusstsein und Besonnenheit. Deutschland und andere wollen bei aller demonstrierten Einsatzbereitschaft Russland auch nicht unnötig provozieren. "Das Bündnis ist an Partnerschaft interessiert und nicht an Konfrontation", so von der Leyen. Dazu gehört auch, dass die NATO zwar vielfältige Kontakte zur Ukraine unterhält, aber inzwischen jeden Hinweis auf eine spätere NATO-Mitgliedschaft meidet.

Vorübergehender Konflikt oder Zeitenwende?

Überhaupt ist es bei der NATO durchaus noch strittig, ob sich die Sicherheitslage in Europa dauerhaft verändert hat. Viele hoffen, die jetzige Krise werde vorübergehen. Auch wird die Allianz ihre Neuausrichtung der vergangenen Jahre - weg von der reinen Landesverteidigung im Bündnisgebiet, hin zu Kriseneinsätzen weltweit - wegen des Konflikts mit Russland nicht wieder aufgeben. Das eine schließt das andere aber nicht aus, meint der britische Verteidigungsminister Philip Hammond: "Wir müssen in der Lage sein, auf alle Bedrohungen zu reagieren, egal, ob sie aus dem Osten kommen oder durch instabile Staaten irgendwo auf der Welt oder durch den internationalen Terrorismus."

Ministerin von der Leyen mahnt zur BesonnenheitBild: picture-alliance/dpa

Zögernde Europäer, großzügige Amerikaner

Doch die große Frage ist, wie man das alles zusammen schaffen kann, vor allem finanziell. Denn die meisten Bündnispartner haben in den Jahren der angespannten Haushalte ihre Verteidigungsausgaben zusammengestrichen. Deshalb liegen sowohl die Vereinigten Staaten als auch NATO-Generalsekretär Rasmussen den Regierungen ständig mit der Forderung in den Ohren, wieder mehr fürs Militär auszugeben. Die Amerikaner haben nun durch ihre großzügige Geste an die östlichen NATO-Länder den Druck noch weiter erhöht. Aber Rasmussen will auch, dass die Verbündeten ihre militärischen Fähigkeiten stärker bündeln, um Verschwendung zu vermeiden. In beiden Fällen ist jedenfalls die Ukraine-Krise Auslöser für tiefgreifende Reformen bei der NATO.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen