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KunstAfrika

Illegale Aktion gegen Beutekunst vor Gericht

Gaby Reucher
30. September 2020

Der kongolesische Aktivist Mwazulu Diyabanza hat versucht, Beutekunst aus Museen zu klauen - aus Protest gegen den Raub afrikanischer Kunstschätze. Jetzt steht er vor Gericht.

Der kongolesische Aktivist Mwazulu Diyabanza vor Gericht umringt von Journalisten
Bild: Thibault Camus/AP/picture alliance

Im Sommer sorgte eine Aktion des kongolesischen Aktivisten Emery Mwazulu Diyabanza für Schlagzeilen. Aus dem Pariser Quai Branly Museum für außereuropäische Kunst versuchte er mit vier weiteren Mitstreitern einen Totempfahl ins Freie zu tragen. Es war ein Protest gegen den Umgang mit Beutekunst aus der Kolonialzeit. Diyabanza prangert an, dass Regierungen ihren vollmundigen Versprechen, geraubte Kunstwerke aus der Kolonialzeit zurückzugeben, nicht genug Taten folgen lassen. Er filmte seine Aktion und verbreitete das Video über die sozialen Netzwerke. "We're taking it home" (dt. Wir bringen es nach Hause) verkündete er in seiner Videobotschaft.

Emery Mwazulu Diyabanza muss sich am 30. September 2020 vor Gericht verantwortenBild: Thibault Camus/AP/picture alliance

Nun stehen die fünf Aktivisten in Paris vor Gericht. Bereits am ersten Prozesstag versammelten sich viele Anhänger vor dem Gerichtsgebäude. Auch in anderen Städten, wo Diyabanza ähnliche Aktionen initiiert hat, könnten Prozesse auf ihn zukommen.

Diyabanza: "Wir machen weiter, solange die Ausplünderung Afrikas nicht wiedergutgemacht wird"

Der Nachrichtenagentur AFP hatte Diyabanza im Vorfeld der Verhandlung erklärt, dass es richtig gewesen sei, diesen Schritt mit "Kampfgeist" zu gehen, auch wenn es riskant sei und eine hohe Strafe zu befürchten sei. "Wir hatten nie die Absicht, diese Arbeiten zu stehlen, aber wir werden weitermachen, solange die ungerechte Ausplünderung Afrikas nicht wiedergutgemacht wird."

Dass so eine Aktion gerade in dieser Zeit passiert, wundert die französische Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy nicht. Sie beschäftigt sich schon seit Jahren mit dem Thema Beutekunst aus der Kolonialzeit. "Diese Aktion war nicht überraschend, weil solche Szenarien schon seit den 1960er Jahren in Film und Literatur beschrieben werden."

Bénédicte Savoy, Professorin für Kunstgeschichte der Moderne an der TU BerlinBild: DW/P. Kouparanis

Aus einem afrikanischen Land gestohlene Objekte oder Materien zurückzuholen, sei zum Beispiel Thema in dem Science-Fiction-Film "Black Panther"von Ryan Coogler, der vor zwei Jahren ins Kino kam. Aber auch schon in den 1970er Jahren habe der Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka das Thema aufgegriffen, sagt Savoy. "Es ist ein Topos in der Literatur und Emery Mwazulu Diyabanza ist jetzt der Erste, der das, was in der Imagination schon lange besteht, in die Tat umgesetzt hat."

Beutekunst in den großen Museen

Im Jahr 2018 hatte Emmanuel Macron die Kunstwissenschaftlerin Bénédicte Savoy und den senegalesischen Wirtschaftswissenschaftler und Schriftsteller Felwine Sarr mit einer umfangreichen Recherche zur Kolonialkunst beauftragt. Dem Bericht zufolge befinden sich rund 85 bis 90 Prozent der afrikanischen Kunstwerke und Kunstgegenstände außerhalb des afrikanischen Kontinents. Zu finden sind die afrikanische Skulpturen, Masken, Grabbeigaben, Schmuckstücke und rituellen Objekte in den großen Museen der Welt.

Allein in den französischen Nationalsammlungen befinden sich 90.000 afrikanische Objekte, 70.000 davon im Quai Branly Museum in Paris. Doch auch in Deutschland beherbergt allein das Ethnologische Museum in Berlin rund 500.000 Objekte aus der Kolonialzeit.

Die im 19. Jahrhundert erbeuteten königlichen Statuen aus dem Quai Branly Museum will Frankreich an Benin zurückgeben Bild: picture-alliance/dpa/S. Glaubitz

Emmanuel Macron will geraubte Kunst zurückgeben

In einer Rede vor Studenten der Universität Ouagadougou in Burkina Faso verkündete Emmanuel Macron einen Großteil dieser Objekte, noch innerhalb seiner Amtszeit, an die ehemaligen Kolonialstaaten zurückzugeben.

"Das hat er vor 20-jährigen Studenten vor über zwei Jahren gesagt", erläutert Savoy im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Für die jungen Leute sind zwei Jahre des Wartens eine lange Zeit. Und für die, die schon seit der Unabhängigkeit die Rückgabe ihrer Kulturgüter fordern, für die ist das schon ein ganzes Leben."

Frankreichs Präsident Macron versprach in Ouagadougou die Rückgabe von Beutekunst Bild: picture-alliance/dpa/Ahmed Ouoba

In einem Moment, in dem die Öffentlichkeit die Proteste in den USA gegen Rassismus und die Symbole des Kolonialismus aufmerksam verfolge, werde auch eine solche Aktion, wie die von Emery Mwazulu Diyabanza, viel stärker wahrgenommen, sagt Savoy. Für sie ist diese Aktion nicht als Diebstahl anzusehen.

Im Zuge der "Black Lives Matter"-Bewegung, der auch Diyabanza angehört, und durch die Denkmalstürze von vermeintlichen kolonialen Helden, seien die Menschen für das Thema sensibilisiert. Das habe auch das große Interesse an dem Gerichtstermin gezeigt.

Kunsthistorikerin Savoy: "Die Menschen fühlen sich nicht gut behandelt"

"Die afrikanische Diaspora ist ein großer Teil der französischen Gesellschaft, wo sich die Menschen nicht gut behandelt fühlen", sagt Savoy. "Das Ganze muss vor Gericht sensibel verhandelt werden." In dieser Diaspora ist auch Emery Mwazulu Diyabanza zu Hause. Er wurde in Kinshasa geboren, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo, lebte zeitweise in der französischen Stadt Champigny-sur-Marne, in den Pariser Vororten und in Lomé in Togo. Häufig trägt er eine schwarze Baskenmütze als Hommage an die amerikanischen Black Panthers, einer Bewegung des "schwarzen Nationalismus" in den USA in den 1960er Jahren. Um den Hals trägt er bei seinen Aktionen die Karte von Afrika als Anhänger. 2014 gründete er die Bewegung für Einheit, Würde und Mut (UDC) und setzte sich dabei unter anderem für die Rückgabe von Artefakten ein.

Diyabanza drohen bis zu zehn Jahre Haft

Vor Gericht wird er wegen versuchten gemeinschaftlichen Diebstahls eines Kulturgutes angeklagt. Den fünf Aktivisten drohen jeweils bis zu zehn Jahre Haft und eine Geldstrafe von 150.000 Euro. Dabei hatte Diyabanza selbst am 30. Juni in Bezug auf die geraubte Kolonialkunst eine Beschwerde wegen "Diebstahls und Verschleierung" gegen den französischen Staat eingereicht.

Auch in Marseille gab es im Sommer Proteste gegen Polizeigewalt und RassismusBild: picture-alliance/AP Photo/D. Cole

Am 30. Juli wurde er in Marseille festgenommen, nachdem er ein Elfenbeinobjekt im Museum für afrikanische, ozeanische und indianische Kunst "beschlagnahmt" hatte. Und vor zwei Wochen spazierte er mit einer kongolesischen Grabskulptur aus einem niederländischen Museum, bis ihn die Polizei stoppte. 

Europas verfehlter Umgang mit Beutekunst

"Wir sind in eine Zeit geraten, in der die Menschen frontal und brutal miteinander umgehen und nicht mehr reden. Das ist neu", sagt Savoy. Der Rassismus sei zunehmend unerträglich für die Betroffenen. "Ich habe einen Artikel aus den 1970er Jahren gelesen. Darin steht, wir sollten die Kulturgüter zurückgeben, bevor die Leute frustriert sind. Quasi als freundliche Geste." Diese Chance haben die europäischen Regierungen vertan.

"Noch bis 2017 hörte man hier, dass die Sachen in den Völkerkundemuseen legal erworben worden seien und es in Deutschland keinen Kolonialismus gegeben habe", erläutert Savoy. Das sei Teil des Frustes der jungen Generation, die selbst erarbeiten müsse, wo die Objekte aus den Museen herkämen. 

Kunsthistorikerin Savoy: "Wegnehmen wird nie vergessen"

Kritiker werfen dem französischen Staat vor, nicht genug getan zu haben. So seien heilige Statuen aus Nigeria versteigert worden, obwohl Nigeria die französische Regierung aufgefordert hatte, den Verkauf einzustellen.

"Wegnehmen wird nie vergessen", sagt die Kunsthistorikerin. Auch der Kunstraub der Nationalsozialisten oder die Plünderungen Napoleons seien nicht vergessen. "Das hört nie auf, dass man die zurückholen will. Und das endet dann oft in Gewalt." Eine Lösung des Problems hält Savoy dennoch für möglich, vorausgesetzt man sei bereit, offen über alles zu sprechen. Und das nicht nur innerhalb Europas, sondern mit Künstlern, Literaten, Kulturträgern und Institutionen in Afrika. "Es geht nicht darum, ob die Werke legal oder illegal in die Museen gelangt sind", sagt sie, "es geht darum eine gemeinsame Zukunft zu erarbeiten." Es könne nur Frieden geben, wenn wir wirklich bereit seien, zu sprechen.

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