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Konflikte

Selbstmordanschlag und Großangriff in Kundus

31. August 2019

Die radikalislamische Taliban-Miliz hat nach heftigen Kämpfen wichtige Gebäude in der Stadt im Norden Afghanistans eingenommen. Inmitten andauernder Gefechte sprengte sich in Kundus ein Selbstmordattentäter in die Luft.

Afghanistan Selbstmordattentat während andauernder Kämpfe in Kundus
Ein Soldat steht an einer Hauptstraße in Kundus WacheBild: picture-alliance/dpa/Bashir Khan Safi

Während an anderen Stellen der nordafghanischen Stadt Kundus weiter geschossen wurde, zündete ein Attentäter im Zentrum der Stadt seine Sprengstoffweste. Nach lokalen Medienberichten kam es zur Explosion, als sich mehrere Sicherheitskräfte an einem Ort versammelt hatten. Der lokale TV-Sender ToloNews berichtete von mindestens zehn Todesopfern. Die Taliban reklamierten den Anschlag für sich. 

Hunderte Kämpfer der radikalislamischen Taliban-Miliz hatten zuvor die afghanische Stadt mit einer Welle der Gewalt überzogen. In der Nacht zum Samstag drangen sie aus mehreren Richtungen in die Stadt vor und lieferten sich Gefechte mit der Armee. Auf ihrem Vormarsch nahmen sie nach Angaben des Provinzrats Ghulam Rabbani mehrere wichtige Gebäude ein, darunter die Zentrale der Elektrizitätsversorgung und den dritten Polizeibezirk der Stadt. Im Provinzkrankenhaus nahmen die Taliban laut Verteidigungsministerium Patienten als Geiseln. Außerdem blockierten sie die Fernstraße, die Kundus mit der Hauptstadt Kabul verbindet, um Verstärkung des Militärs den Weg zu versperren.

Dieses Video-Bild zeigt eine schwere Explosion während der Kämpfe in KundusBild: Reuters/Afghan Interior Ministry

Viele Todesopfer

Nach einer Mitteilung des Innenministeriums wurden mindestens 36 Taliban-Rebellen getötet. Zudem kamen bei einem Luftangriff in der Region Zakhil mindestens 20 Taliban-Kämpfer ums Leben, darunter zwei Feldkommandeure, wie aus Sicherheitskreisen verlautete. Die Gesundheitsbehörde in Kundus teilte mit, bei den Kämpfen seien mindestens drei Zivilisten getötet und mehr als 40 verletzt worden. 

"Die Stadt ist komplett verwaist"

Der Sprecher des afghanischen Präsidentenpalasts, Sediq Sediqi, erklärte, dass die Armee "die Attacke der Taliban in manchen Bezirken von Kundus zurückdränge". Oberste Priorität der Einsatzkräfte sei jedoch der Schutz der Zivilbevölkerung. Die Taliban hätten sich "wie immer" in Wohngebieten verschanzt. 

"Die Stadt ist komplett verwaist, Geschäfte sind geschlossen, die Menschen gehen nicht vor die Tür. Leichte und schwere Waffen sind in mehreren Vierteln zu hören", sagte der Anwohner Khaluddin, dessen Name wie bei vielen Afghanen nur aus einem Wort besteht. Nach Auskunft des Vorsitzenden des Gemeinderats, Amrudin Wali, ist die Kommunikation mit Mobiltelefonen in der Stadt stark eingeschränkt. Trinkwasser und Lebensmittel seien ebenfalls knapp, sagte er der DW.

Im Zuge der Taliban-Attacke wurde auch das Camp Pamir beschossen, in dem auch deutsche Soldaten stationiert sind. Ein Geschoss habe das Lager getroffen, es sei aber niemand verletzt worden, erklärte das Einsatzkommando der Bundeswehr. Im Camp Pamir hielten sich zur Zeit des Angriffs demnach "80 deutsche Kräfte" auf. In Kundus befand sich während des NATO-Einsatzes in Nordafghanistan das Feldlager der Bundeswehr. 2013 übergaben die deutschen Truppen das Lager nach zehn Jahren an afghanische Sicherheitskräfte.

Rückschlag in zähem Prozess

Der Taliban-Angriff auf Kundus ist der dritte seit 2015: Damals hatte die Miliz die Stadt für fast zwei Wochen kontrolliert - der erste Landgewinn der Taliban in einer Provinzhauptstadt seit dem Einmarsch der USA und anderer NATO-Länder in Folge des Terroranschlags am 11. September 2001. Ein solcher Übergriff wiederholte sich 2016, damals erlangte die afghanische Armee nach einigen Tagen die Kontrolle zurück.

Derzeit sind rund 20.000 US-Soldaten in Afghanistan stationiert. In Kundus war auch die Bundeswehr jahrelang als Schutzmacht stationiert, inzwischen ist nur noch eine kleine Gruppe deutscher Soldaten in der Gegend, um die afghanische Armee zu beraten. Die Regierung in Kabul kooperiert mit den NATO-Verbänden, um die desolate Sicherheitslage in dem Land zu verbessern und Terroristen zurückzudrängen.

Afghanische Kräfte bei der Rückeroberung der Provinzhauptstadt Kundus von den Taliban 2016Bild: Reuters/N. Wakif

Die Taliban befinden sich gerade in Friedensgesprächen mit den USA. US-Präsident Donald Trump sagte am Freitag, die Verhandlungen verliefen gut, hätten jedoch bislang keine Einigung über einen Abzug der US-Truppen erzielt. Nachdem er im vergangenen Jahr noch einen kompletten Truppenabzug ins Spiel gebracht hatte, deutete Trump am Donnerstag an, dass auch nach einem möglichen Friedensabkommen zunächst 8600 US-Soldaten in Afghanistan bleiben sollen. Eine Vereinbarung zwischen USA und Taliban würde den Weg für direkte Friedensgespräche zwischen der Miliz und der afghanischen Regierung ebnen.

ehl/as/kle (dpa, rtr, afp, ap)