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PolitikChina

Seltene Erden: China bringt Rüstungsindustrie in die Klemme

31. Oktober 2025

Im Zollstreit mit den USA setzt China seltene Erden als strategisches Druckmittel ein. Das trifft auch die deutsche Rüstungsindustrie. Sie braucht die Metalle für die Waffenproduktion.

Deutschland Kiel 2025 | Ein U-Boot liegt vor der neuer Schiffbauhalle von TKMS im Wasser.
Schiffbau von Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) in Kiel: Seltene Erden stecken auch in modernen U-BootenBild: Christian Charisius/dpa/picture alliance

Seltene Erden sind äußerst wertvolle metallische Elemente, die nicht nur in Smartphones und Elektroautos stecken, sondern auch in Waffen. Sie werden unter anderem für den Bau von Kampfflugzeugen und U-Booten gebraucht. Seltene Erden finden sich in speziell gehärteter Munition und gepanzerten Fahrzeugen, in Antriebssystemen und Sensorik. In einem Tarnkappenbomber vom Typ F-35 stecken mehr als 400 Kilogramm seltene Erden. 

Der Löwenanteil der in Deutschland verarbeiteten seltenen Erden stammt aus China, und genau hier liegt das Problem: Im Zuge des Zollstreits mit den USA hatte Peking Anfang Oktober angekündigt, seine ohnehin strengen Exportregeln noch einmal drastisch zu verschärfen. Für militärische Zwecke, so Chinas Drohung, sollen überhaupt keine seltenen Erden mehr exportiert werden.

Abfrage von Betriebsgeheimnissen

Darüber hinaus müssen Firmen, die einen Exportantrag in China stellen, detaillierte Daten einreichen, die teils vertraulich sind. Gerade für Waffenhersteller ist das ein No-Go. "Die Endverbleibs-Klauseln, die hohen bürokratischen Hürden und die Einblicke in die Lieferpläne, das ist im Grunde eine schöne Form von Industriespionage", kommentiert Jakob Kullik, Politikwissenschaftler an der Technischen Universität Chemnitz, im Gespräch mit der DW.

Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) spart nicht mit Kritik: "Die neuen Kontrollen können als direkter Angriff auf die Wiederaufrüstung des Westens verstanden werden", moniert der BDI. In jüngster Zeit hat die deutsche Rüstungsindustrie ihre Produktion massiv hochgefahren, um die Bundeswehr angesichts der Bedrohung durch Russland mit modernen Waffensystemen auszurüsten. Und auch, um die Ukraine weiter mit Waffen zu unterstützen, was Russlands Verbündetem China ein Dorn im Auge sein dürfte.

Kampf um Seltene Erden: Wieviel Kontrolle hat China?

42:34

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"Die Branche hat Vorkehrungen getroffen"

Wie reagiert die deutsche Rüstungsindustrie? "Bei uns in der Branche herrscht keine Panik", sagt Hans Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) der DW. In der Rüstungsindustrie würden, im Vergleich zu anderen Branchen, "eher kleine Mengen" von seltenen Erden verarbeitet. Außerdem hätten die Unternehmen Vorkehrungen getroffen, so dass sie ihre Produktion in den kommenden Monaten nicht einschränken müssten.

Experten halten das Risiko von Lieferengpässen aber dennoch für reell. China kontrolliert rund 80 Prozent der weltweiten Förderung und über 90 Prozent der Raffination seltener Erden. "Wenn es hart auf hart kommt, ist die große Frage, wo die Rüstungsunternehmen Alternativen herkriegen, und da sieht es wirklich mau aus", betont Politikwissenschaftler Kullik, der sich mit der strategischen Bedeutung von Rohstoffen für die militärische Sicherheit befasst.

Ein dreckiges Geschäft

Alternativen zu China aufzubauen, würde viele Jahre dauern, selbst wenn man sofort damit anfinge. "Wir sehen dringenden Handlungsbedarf, um uns in Europa insgesamt unabhängiger zu machen", betont auch Hans Christoph Atzpodien im Namen der Rüstungsindustrie. Europa müsse selbst Kapazitäten aufbauen, um seltene Erden zu verarbeiten. "Dazu braucht es Erleichterungen bei den entsprechenden Umweltgenehmigungen."

Seltene Erden zu fördern, ist aufwendig, dreckig und teuer. Die 17 chemischen Elemente kommen in der Erdkruste eigentlich gar nicht so selten vor, doch stets nur in feiner Konzentration. Für ihre Gewinnung müssen große Mengen Gestein und Erze abgebaut werden, für die Trennung ist oft ist der Einsatz von Chemikalien nötig.

Mit dem Abbau von seltenen Erden lässt sich kein Geld verdienen

Die größten Vorkommen gibt es in China, Vietnam, Brasilien, Russland, Australien und Grönland, aber auch in den USA. Wegen des Aufwands ist die Förderung für Minenunternehmen jedoch unrentabel. In den USA und Australien wurden Minen deswegen wieder geschlossen. China hingegen erkannte früh die Bedeutung von seltenen Erden und baute Minen, Raffinerien und Verarbeitungsbetriebe aus.

Für die Bundesregierung, aber auch für die deutsche Wirtschaft war es stets der leichteste Weg, auf den Import seltener Erden zu setzen. "Die Verarbeitung haben wir in der Vergangenheit gerne nach China 'outgesourct', was nun nicht mehr funktioniert", stellt der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie fest.

Japan war bereits mit einem totalen Lieferstopp konfrontiert

Dass China mit seinem Quasi-Monopol ein mächtiges geopolitisches Druckmittel in der Hand hat, zeigte sich bereits 2010. Damals traf es Japan, dem China wegen des Territorialstreits im Ostchinesischen Meer vorübergehend überhaupt keine seltene Erden mehr lieferte. Seit diesem Warnschuss hat Japan seine Abhängigkeit von seltenen Erden aus China deutlich reduziert.

Machtpoker mit ungewissem Ausgang: Bei einem Treffen in Südkorea verhandelten US-Präsident Donald Trump und Chinas Präsident Xi Jinping auch über seltene Erden Bild: Andrew Caballero-Reynolds/AFP/Getty Images

Diesen Weg gehen aktuell auch die USA. Präsident Donald Trump hat die letzten Monate genutzt, um sich überall in der Welt Bezugsquellen für seltene Erden zu sichern. Doch ohne China geht es auch für die USA nicht: Mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping hat Trump bei einem Treffen in Südkorea Ende Oktober vereinbart, dass die Exportbeschränkungen für seltene Erden zumindest vorübergehend ausgesetzt werden. 

Wer soll sich kümmern - der Staat oder die Wirtschaft?

Die Erkenntnis, dass es auch für Deutschland sicher wäre, sich bei der Versorgung mit kritischen Rohstoffen breiter aufzustellen, steht seit Jahren im Raum. Passiert ist allerdings wenig. "Staat und Wirtschaft schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu", hat Politikwissenschaftler Kullik beobachtet. "Im Wirtschaftsministerium hieß es dann: Wenn die Industrie nichts macht, machen wir auch nichts. Und von Industrieseite hieß es: Wenn die Lage nicht schlimm ist, brauchen wir keine Vorratslager anzulegen und brauchen auch keine Einmischung des Staates."

Offen bleibt also bisher die Frage: Wer nimmt es in die Hand, die Versorgung aus alternativen Quellen zu sichern? Wer geht ins Risiko und investiert Geld in das Erschließen von Minen?

Comeback des Bergbaus in Deutschland?

Auch in Deutschland gibt es Vorkommen an seltenen Erden, etwa im Erzgebirge. Doch die werden kaum erkundet. "Wir haben keine großen deutschen Bergbauunternehmen mit der Expertise mehr. Das heißt, selbst wenn die Bundesregierung es machen wollte, selbst wenn sie im Idealfall zehn Milliarden Euro in die Hand nehmen würde oder mehr - es bleibt dabei, es fehlt der Akteur", erläutert Kullik.

Erkundung in kleinem Stil: Lithium-Bohrung im Bundesland SachsenBild: Sylvio Dittrich/IMAGO

Zwar beteuern große deutsche Rüstungskonzerne, dass ihre Versorgung derzeit sichergestellt sei. Doch mit seinem Quasi-Monopol auf seltene Erden hat China, so formuliert es Kullik, "die perfekte geoökonomische Druckwaffe" in der Hand. Sollte sie diese weiter nutzen, könnte das auch die Ausrüstung der Bundeswehr mit modernen Waffen zumindest erschweren oder verzögern.

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