1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Wird Kanada das neue Rohstoff-Mekka?

Veröffentlicht 15. April 2025Zuletzt aktualisiert 16. April 2025

China stoppt den Export einiger kritischer Rohstoffe, die für Zukunftstechnologien und in der Rüstungsindustrie essentiell sind. Das trifft die USA und die EU. Könnte Kanada die Lücke füllen?

Kanada British Columbia 2024, Kupfer Mine: Gibraltar-Mine in der Cariboo-Region
Kanada baut bereits viele Rohstoffe ab, so wie Kupfer in der Gibraltar-Mine: Das Potential, weitere kritische Rohstoffe abzubauen, ist großBild: Chris Harris/SuperStock/IMAGO

Es war Anfang April bereits angekündigt, nun macht China Ernst: Das Land stoppt den Export von sechs Seltenen Erden, die vollständig in China raffiniert werden. Auch spezielle Seltene-Erden-Magneten, die besonders leistungsstark sind und die zu 90 Prozent in China hergestellt werden, werden nicht mehr ausgeführt.

Diese Rohstoffe und Spezial-Magneten werden besonders High-Tech Schlüsselbranchen gebraucht - für Autos, Roboter, aber auch für militärische Ausrüstung wie Drohnen oder Raketen. China arbeitet an einem Regulierungssystem, über das  Unternehmen eine Lizenz beantragen müssen, um bestimmte Rohstoffe zu bekommen. 

Von dieser drastischen Maßnahme werden nicht nur die USA empfindlich getroffen, sondern auch Europa. Dabei ist die Abhängigkeit von China im Bereich kritische Rohstoffe seit Jahren bekannt und hat zu einem globalen Rennen um sichere Rohstoffquellen geführt.

Kritische Rohstoffe aus den USA

Europa muss sich zudem damit auseinandersetzen, dass auch die USA inzwischen ein Risikofaktor geworden sind. Auch von hier importiert die EU einige kritische Rohstoffe. So kommen bislang etwa zwei Drittel des in der EU benutzten Berylliums aus den Vereinigten Staaten.

Außerdem importierte die EU 2024 fast 70 Prozent ihrer Kobaltwaren, knapp 60 Prozent der Kupferlegierungen und des Silberpulvers und knapp die Hälfte der Molybdän-Konzentrate aus den USA. Alle gelten als kritische Rohstoffe, heißt es von der Deutschen Rohstoffagentur (DERA).

Helium, Gallium, Titan und zum geringen Teil Seltene Erden würden ebenfalls aus den USA eingeführt, sagt Inga Carry von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) gegenüber der DW. Diese Rohstoffe werden von der EU als strategisch eingestuft. "Außerdem beziehen wir auch noch eine relativ große Menge von Kokskohle aus den USA. Das heißt, für einige Rohstoffe ist die USA ein wichtiger Zulieferer", so Carry.

Auch in Kanada gibt es viele kritische Rohstoffe

Mit den jüngsten Restriktionen Chinas wird die Suche nach Alternativen immer dringender. So richten sich viele Blicke nach Kanada, einem Bergbauland mit langer Tradition. Etwa die Hälfte der börsen­notierten Bergbauunternehmen der Welt haben hier ihren Sitz. In etwa 200 Minen werden verschiedene Minerale und Metalle abgebaut, viele gelten als kritische Rohstoffe. Und es könnten noch mehr werden.

Im Bereich Seltene Erden ist China zwar der größte Produzent. Die größten bekannten Vorkommen von Seltenen Erden befänden sich aber in Kanada, heißt es von der dortigen Regierung.

Einige der kritischen Rohstoffe Kanadas, wie Kokskohle oder Nickel, würden bereits in kommerziellem Maße abgebaut und zum Teil auch exportiert, sagt Carry. "Bei anderen Rohstoffen, die auch von Kanada selbst als kritisch eingestuft werden, möchte Kanada die Produktion erhöhen - allerdings, um erst einmal den eigenen Bedarf zu decken", sagt die Wissenschaftlerin. Somit kann die EU eher nicht darauf hoffen, dass diese Rohstoffe kurzfristig aus Kanada eingekauft werden können.

Hinzu komme, dass Rohstoffprojekte sehr lange Anlaufzeiten hätten, erklärt Matthias Wachter vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Von der Planung über die Genehmigung bis zur ersten Förderung dauere es im Schnitt 15 Jahre.

"Ich gehe aber davon aus, dass es in Kanada schneller gehen könnte, weil viele der Rohstoffe heute schon gefördert werden. Zudem haben einige kanadische Provinzen im Handelsstreit mit Trump bereits Beschleunigungen für Minenprojekte angekündigt", so Wachter.

Projekte zum Abbau von Rohstoffen sind meist kostspielig und risikoreich. Das unvorhersehbare Verhalten von US-Präsident Trump sorgt auf den Weltmärkten aber für Unsicherheit - und die schreckt Unternehmen ab. In unsicheren Zeiten sinkt deren Investitionsbereitschaft deutlich.

Chinesischer Einfluss in Kanada

In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurden viele Rohstoffvorhaben in Kanada von chinesischen Unternehmen finanziert. Staatlich kontrollierte chinesische Unternehmen sind Hauptaktionäre bei zwei der größten kanadischen Minenkonzerne. Laut SWP erwarb das chinesische Unter­nehmen Shenghe vor kurzem An­teile an Kanadas einziger Mine für Seltene Erden.

Das chinesische Unternehmen Sinomine betreibt im zentralkanadischen Manitoba eine der beiden Lithium-Minen Kanadas. Der dort gewonnene Rohstoff werde anschließend zur Weiterverarbeitung nach China expor­tiert. Außerdem betreibe Sinomine seit 2019 die einzige Cäsium-Mine Amerikas und Europas und kümmere sich auch um die Weiterverarbeitung, wodurch es die komplette Kontrolle über Lieferkette und Rohstoffpreis habe, heißt es bei der SWP.

China hält Wettbewerber aus dem Markt

"Insbesondere die Weiterverarbeitung findet oft in China statt - schon allein deshalb, weil sie oft sehr energieintensiv und zum Teil auch umweltbelastend ist", sagt Wachter. "Hinzu kommt, dass China bei kritischen Rohstoffen eine gezielte Preis- und Standortpolitik betreibt."

In China werde der Bergbau und die Weiterverarbeitung staatlich dirigiert und ein Preisniveau geboten, das es Bergbauprojekten außerhalb Chinas sehr schwer mache, privatwirtschaftlich kommerziell erfolgreich zu sein, sagt Wachter. In der Konsequenz hätten sich viele westliche Unternehmen aus dem Rohstoffbereich zurückziehen müssen.

Kanadische Regierung fördert heimischen Bergbau

Doch Kanada will unabhängiger werden von anderen Ländern. Seit Ende 2022 müssen ausländische Investitionen in kritische Rohstoffprojekte in Bezug auf nationale Sicherheitsinteressen geprüft werden. Außerdem zwang die kanadische Regierung drei chinesische Bergbaufirmen, ihre Anteile an zwei kanadischen Lithium-Explorationsunternehmen zu verkaufen.

Für Kanada sind Lithium, Graphit, Nickel, Kobalt, Kupfer und Seltene Erden stra­tegisch besonders wichtige Rohstoffe - Graphit wird hier bereits abgebautBild: Sebastien St-Jean/AFP/Getty Images

Im Gegenzug nimmt Kanada Geld in die Hand und gewährt Steuervorteile, um so den heimischen Rohstoffabbau zu fördern. Trotzdem müsse aber der Großteil durch private Investitionen gestemmt werden, gibt Carry zu bedenken.

USA und Kanada haben sich eng vernetzt

Auch von den USA wollte sich Kanada bereits während der ersten Regierungszeit von Donald Trump unabhängiger machen. Passiert ist das Gegenteil. "Sehr viele Rohstoffe, die in Kanada abgebaut werden, werden dann in den in den USA verarbeitet oder werden in die USA exportiert. Kanada ist der größte Rohstoff Lieferant für die USA", sagt Carry.

Im Hinblick auf die Zollstreitigkeiten könne man damit rechnen, dass kanadische Produzenten den europäischen Markt jetzt mehr in den Blick nehmen, meint Carry. "Vor allem für Rohstoffe, die sie bislang in die USA exportiert haben und für die sie nun alternative Abnehmermärkte suchen." Aber China habe sich ein Quasimonopol für viele kritische Rohstoffe aufgebaut und weder die EU noch Kanada könnten in diesen Bereichen autark werden.

Insa Wrede Redakteurin in der Wirtschaftsredaktion
Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen