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Konflikte

Ein Erbe des Kolonialismus

Uta Steinwehr
22. November 2020

Diverse Sezessionsbewegungen machen in Afrika wieder von sich reden. Tigray in Äthiopien ist nur ein Beispiel. Die Wurzeln gehen oft zurück auf die Kolonialzeit. Wir beleuchten einige Konflikte, die heute noch schwelen.

Kamerun Mitglieder der Gendarmerie
Bei einer Wahlkampfveranstaltung der Regierungspartei patrouillierte 2018 die Gendarmerie schwer bewaffnet in BueaBild: Marco Longari/AFP/Getty Images

Für Toyin Falola ist der Kolonialismus die Wurzel aller separatistischen Bewegungen in Afrika. Der Geschichtsprofessor, der an der Universität von Texas in Austin lehrt, verweist darauf, wie die europäischen Kolonialmächte den Kontinent zwischen der Berliner Kongokonferenz 1884/85 und dem Ende des Ersten Weltkriegs zwischen sich aufgeteilt hatten: "Sie haben hunderte Völker und Nationen, die zuvor existierten, zu rund 50 Ländern zusammengeschustert." Ungeachtet existierender Strukturen oder religiöser und ethnischer Zugehörigkeiten. Die beiden ersten Beispiele, Ambazonien und West-Togoland, sind auf solche willkürlichen Grenzziehungen zurückzuführen.

Eindeutig ist die Lage aber oft nicht. Nicht immer lässt sich aber genau sagen, wann ein Gebiet zu wem gehörte und ob Teile heute an andere Kräfte übergeben werden sollten oder nicht, erklärt Lotje de Vries, Assistenzprofessorin an der niederländischen Universität Wageningen. Sansibar in Tansania oder Cabinda in Angola sind solche Beispiele.

De Vries ist Mitherausgeberin des Buches "Sezession in afrikanischer Politik" und sie stand vor der Herausforderung, wie sich die unterschiedlichen separatistischen Bewegungen in Afrika kategorisieren lassen. Für die Herausgeber war am Ende nicht der historische Ursprung maßgeblich, sondern wie sich die Bewegungen entwickelt haben.

Ende September erklärten Separatisten in West-Togoland einseitig ihre UNabhängigkeit von GhanaBild: Elvis Washington

1. Ambazonien, Kamerun

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Kamerun, bis dahin deutsche Kolonie, unter britisches und französisches Mandat gestellt. 1961 besiegelte ein Referendum die Zukunft von Britisch-Kamerun: Der nördliche Teil entschied sich für den Anschluss an Nigeria, der südliche Teil strebte zur Republik Kamerun - dem ehemaligen französischen Teil.

Im heutigen Kamerun ist die englischsprachige Bevölkerung in der Minderheit - und sie fühlt sich gegenüber der französischsprachigen Mehrheit benachteiligt. Daraus erwuchs sich ein gewaltsamer Konflikt mit inzwischen mehr als 3000 Toten. Sowohl Separatisten als auch der Armee werden schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Vor drei Jahren erklärten die beiden englischsprachigen Provinzen im Westen symbolisch ihre Unabhängigkeit und riefen die Republik Ambazonien aus.

Ambazonien ist für de Vries eine der Bewegungen, die die Unabhängigkeit ernsthaft anstreben - hauptsächlich, weil die eigene Identität der Bevölkerung in Gefahr ist.

2. West-Togoland, Ghana

Die Ursprungsgeschichte ist hier ähnlich wie in Kamerun: Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die bisherige deutsche Kolonie Togo zwischen Großbritannien im Westen und Frankreich im Osten aufgeteilt. Der britische Teil ging letztlich im heutigen Ghana auf.

Ende September wurde die Situation in Ost-Ghana, also West-Togoland, wieder akut. Separatisten erklärten das Gebiet zu einem souveränen Staat. Schon früher gab es ähnliche Versuche. Teile der Lokalbevölkerung fühlen sich von der ghanaischen Regierung nicht ausreichend repräsentiert.

Die Region ist, ebenso wie Ambazonien, Teil der Unrepresented Nations and Peoples Organization, die als Interessensvertretung für diejenigen auftritt, die bei den Vereinten Nationen nicht als Staaten anerkannt sind.

3. Biafra, Nigeria

In manchen Konflikten spielt es eine Rolle, wie die Staaten nach der Unabhängigkeit mit dem kolonialen Erbe umgegangen sind. Ein Beispiel dafür ist die Region Biafra im Südosten Nigerias. Wenige Jahre nach der Unabhängigkeit kam es dort zu einem Bürgerkrieg (1967-1970), bei dem Schätzungen zufolge zwischen 500.000 und drei Millionen Menschen starben.

Ursache war nach Ansicht des Historikers Falola, wie die föderale Struktur in den 1960er Jahren in Nigeria umgesetzt wurde - ein "post-koloniales Missmanagement", wie er sagt. Eine Kernfrage lautete: Wie verteilt man im Staat die Macht und die wirtschaftlichen Einnahmen? "Jedes Mal, wenn man etwas zu stark zentralisiert, gibt es neue untergeordnete Krisen. Denn man kann nicht stark zentralisieren, ohne jemanden zu marginalisieren", so Falola.

Separatistische Bestrebungen flammten im Südosten immer wieder auf. "Die Bedingungen, die zu (dem Krieg in) Biafra führten, sind immer noch da", sagt Falola. In dem Buch von Lotje de Vries wird Biafra allerdings in die Kategorie der Fälle eingeordnet, bei denen die Androhung der Abspaltung eher als Druckmittel gesehen wird, um Gehör zu finden und politisch mehr Gewicht zu erlangen.

4. Sansibar, Tansania

In der Geschichte stand die Inselgruppe Sansibar unter unterschiedlicher Herrschaft: Als erste Kolonialmacht übte Portugal seinen Einfluss aus, später das Sultanat Oman und Großbritannien. Zwischendurch war Sansibar ein eigenständiges Sultanat. Nach der Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich kam es 1964 zu einer Revolution. Wenige Monate später schloss sich Sansibar mit Tanganyika zur Vereinigten Republik Tansania zusammen.

Der ehemalige Sultanspalast auf Sansibar - heute ein MuseumBild: Peter Rchardson/robertharding/picture alliance

Sansibar ist jedoch teilautonom. Die Inselgruppe hat unter anderem eine eigene Regierung und ein eigenes Parlament. Der Nationalismusgedanke ist stark verankert. Einige Parteien verfolgen aktiv das Ziel der Unabhängigkeit. In dem Buch "Sezession in afrikanischer Politik" heißt es zu Sansibar, der Wunsch nach Loslösung sei "auch ein Ausdruck für die Suche nach dem besten Regierungssystem, nachdem der Föderalismus sein Versprechen nicht gehalten hat".

5. Cabinda, Angola

Wenn es darum geht, sich von einem Staat abspalten zu wollen, spielen immer wirtschaftliche Interessen eine Rolle. Das heben sowohl Toyin Falola als auch Lotje de Vries hervor. Es geht um Zugang zu den Ressourcen, um die Macht, diesen Zugang zu kontrollieren, und um die Verteilung der Gewinne. Cabinda ist dafür ein Beispiel par excellence.

Die Provinz gehört zu Angola, ist als Exklave aber durch die zur Demokratischen Republik Kongo gehörenden Kongomündung vom weitaus größeren Teil Angolas getrennt. Cabinda war ein portugiesisches Protektorat, bis Portugal es Angola zuschlug.

Die Provinz zeichnet für 60 Prozent der angolanischen Ölproduktion verantwortlich. Der Ärger der Separatisten entzündet sich auch daran, dass die Zentralregierung daraus großen Profit schlägt. Seit den 2000er-Jahren gab es wiederholt blutige Zusammenstöße mit und Attacken von Separatisten in Cabinda.

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