1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Serbien bejubelt Putin: Alles nur Show?

16. Januar 2019

Wenn Wladimir Putin mit Serbiens Präsident Aleksandar Vučić den Dom des Heiligen Sava in Belgrad betritt, werden Tausende ihm zujubeln. Doch der Eindruck der Nähe trügt. In Wirklichkeit sucht Serbien die Nähe zur EU.

Putin in Belgrad 16.10.2014 Fans bei der Militärparade
Putin ist in Belgrad ein gern gesehener GastBild: AFP/Getty Images/Andrej Isakovic

Begeisterungsstürme dürfen nicht fehlen. "70.000 Bürger wollen Putin begrüßen", schreibt die Belgrader Boulevardpresse im Vorfeld des Besuchs von Russlands Präsident Wladimir Putin. 

"Willkommensspaziergang" lautet der Begriff für den triumphalen Empfang Putins. Organisiert wird die Aktion von dem Verein "Centrum für die Entwicklung Belgrads", eine selbst bei den Kennern der politischen Szene Serbiens kaum bekannte Organisation.

Ihr Präsident Vladimir Jestrović behauptet, für die Veranstaltung keine finanzielle und politische Unterstützung der Regierung zu haben. Bei einer Pressekonferenz in Belgrad verkündete er jedoch nicht ohne Stolz, dass bei dem "Spaziergang" beide Präsidenten eine kleine Rede halten würden.

In Serbien wird unterdessen behauptet, dass viele Putin-Fans, die von außerhalb nach Belgrad kommen, nicht aus Begeisterung für den russischen Präsidenten anreisen würden. Laut dem serbischen Online-Portal "Politik Ekspres" werden die Anhänger von der Regierungspartei SNS ("Srpska Narodna Stranka) mit einer Tagespauschale in Höhe rund 13 Euro entschädigt. Zusätzlich würden Verpflegung und Bustransport für jeden in Aussicht gestellt. Ein Vorwurf, der allerdings von der Regierungspartei SNS umgehend dementiert wird.

Putin und Vučić trafen sich bisher zwölfmal - wie hier 2014 in BelgradBild: Reuters/Marko Djurica

Putin als Wahlkampfhelfer

Für den serbischen Präsidenten Vučić scheinen die Bilder mit Putin vor der jubelnden Kulisse besonders wichtig zu sein. Seit Anfang Dezember demonstrieren im ganzen Land jede Woche Zehntausende gegen den Staatschef. Sie verlangen das Ende der politischen Gewalt und eine korrekte Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens.

Auch dem russischen Präsidenten Putin kommt das Treffen mit Vučić entgegen. Laut einer Umfrage des unabhängigen russischen Meinungsforschungsinstituts Lewada-Zentrum machen die russischen Bürger ihren Präsidenten zunehmend für die Probleme im Land verantwortlich.

"Deshalb braucht Putin einen bildstarken Besuch in einem Land, das nicht zum Kreis der ehemaligen sowjetischen Bananenrepubliken gehört, sondern ein EU-Beitrittskandidat ist, und wo man ihn liebt, schätzt und unterstützt. Und das ist Serbien", sagte der Belgrader Politologe Boris Varga der DW.

Symbolträchtige Gesten

Bereits zwölfmal trafen sich Vučić und Putin bisher. Die pathetischen Gesten dürften auch diesmal nicht fehlen. Im Vorfeld des Treffens bezeichnete der russische Außenminister Sergei Lawrow Serben und Russen als "wahrhaft brüderliche Völker". Zeitgleich wurde bekannt, dass Vučić den Aleksandar-Newski-Orden erhält.

Bei dem Orden handelt es sich um eine hohe staatliche russische Auszeichnung. Unter den bisher ausgezeichneten Personen finden sich neben den kremlnahen Oligarchen und Staatsdienern auch autoritäre ausländische Staatsmänner wie der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko oder der kasachische Staatschef Nursultan Nasarbajew. 

Der Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Belgrad, Simon Ilse, stellt nicht nur eine symbolische, sondern auch eine strategische Ambivalenz Serbiens unter Vučić fest: "Es fehlt eine strategische Grundorientierung Richtung Europa", so der Büroleiter. Dies würde durch das "Spiel" mit Russland klar.

Erinnerung an Oliver Ivanović

Eine große Protestkundgebung findet in Belgrad auch einen Tag vor Putins Ankunft statt - diesmal als Erinnerung an die Ermordung von Oliver Ivanović. Der serbische Oppositionspolitiker starb am 16. Januar 2018 nach einem Attentat.

Aus Belgrad beschimpften und beleidigten die höchsten Amtsträger aus der Umgebung von Vučić den unter Kosovo-Serben beliebten Politiker Ivanović und hetzten gegen ihn. Inzwischen besorgte Vučić der Witwe von Ivanović einen Job bei der Regierung in Belgrad. Der Preis: Sie müsste sich von den Demonstranten öffentlich distanzieren, die die Verhaftung von nach wie vor unbekannten Killern und Auftraggebern verlangen.

Schon wochenlang protestieren Zehntausende in Serbien gegen VučićBild: Reuters/D. Kojadinovic

Nach Russland schielen, gen Westen gehen

Die ehemalige serbische Provinz Kosovo erklärte 2008 die Unabhängigkeit, was Serbien bis heute nicht akzeptiert. Unter anderem verhindert Belgrad im UN-Sicherheitsrat mit Hilfe von Russland und China die Aufnahme des Kosovo in die UN.

Gleichzeitig strebt Serbien die EU-Mitgliedschaft an, allerdings ohne seine bisherige Kosovo-Politik korrigieren und die Freundschaft mit Moskau aufgeben zu wollen. So etwa macht Belgrad bei den EU-Sanktionen gegen Russland nicht mit.

Für die Annäherung zu der EU ist das aber ein wichtiger Stolperstein, sagt Simon Ilse: "Dies wird nur gehen, wenn Serbien die von der EU verhängten Sanktionen gegen Russland im Nachgang zur Annexion der Krim mitträgt."

Gazprom Neft kontrolliert seit 2009 die gesamte serbische Ölindustrie Bild: AP

Während die politische Nähe zu Russland für Serbien eine große symbolische Bedeutung hat, spielt sich die wirtschaftliche Realität woanders ab. Auf die EU-Länder entfällt etwa zwei Drittel des serbischen Außenhandels. Im Westen arbeiten, studieren und leben wesentlich mehr Serben als in Russland.

Moskau kontrolliert Ölindustrie

Andererseits erreicht Moskau in Serbien einen wirtschaftlichen und politischen Einfluss mit geringem Aufwand. "Gazprom Neft" kontrolliert seit 2009 die gesamte serbische Ölindustrie und behauptet, rund drei Milliarden Euro in die Modernisierung investiert zu haben. Auch eine Erklärung über strategische Partnerschaft zwischen beiden Ländern wurde 2013 in Sotschi unterschrieben. Es gibt ein Freihandelsabkommen.

Jedoch habe Putin nichts zu verschenken, sagt Simon Ilse: "Serbien zahlt deutlich mehr für den Rohstoff aus Russland als zum Beispiel Deutschland, das Sanktionen gegen Russland verhängt hat".

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen