Serbien: Djindjic-Prozess in der Schlussphase
26. April 200712. März 2003, vor dem Regierungsgebäude in Belgrad. Ministerpräsident Zoran Djindjic steigt aus dem Auto. Zwei Schüsse fallen. Djindjic wird getroffen, eine Stunde später ist er tot. Zoran Djindjic war ein großer Hoffnungsträger in Serbien, der Mann, der hinter Vojislav Kostunica stand und gemeinsam mit ihm den Autokraten und Kriegstreiber Slobodan Milosevic stürzte. Als Ministerpräsident versuchte er Reformen voranzutreiben, zerstritt sich aber mit dem damaligen jugoslawischen Präsidenten Kostunica, unter anderem über die Auslieferung Milosevics an das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag, die er dann in einer Nacht-und-Nebel-Aktion durchführen ließ. Dieser Schritt brachte die nationalistischen Kreise gegen ihn auf. Als er dann auch noch ankündigte, mit der organisierten Kriminalität aufzuräumen, war offenbar der kritische Punkt überschritten: Ein Mordkommando tötete den Ministerpräsidenten auf offener Straße. Jetzt, vier Jahre nach dem gewaltsamen Tod Djindjics, tritt der Prozess gegen die mutmaßlichen Täter in die letzte Phase.
Milizen und Clanmitglieder auf der Anklagebank
Vier Jahre nach der Ermordung des Ministerpräsidenten und dreieinhalb Jahre nach dem Beginn des Prozesses gegen die Attentäter werden seit Montag (23.4.) die Schlussplädoyers gehalten. Zuerst von der Staatsanwaltschaft. Für den stellvertretenden Staatsanwalt Jovan Prijic ist klar, wer Djindjic ermordet hat: Zvezdan Jovanovic heißt er, ein ehemaliger Polizist, der einer Spezialeinheit der serbischen Polizei angehörte und später ein umfangreiches Geständnis abgelegt hat. Jovanovic stand damals unter dem Kommando von Milorad Ulemek, genannt Legija, dem berüchtigter Milizenführer der so genannten Roten Barette während der Balkankriege und späteren Chef der Polizei-Sondereinheit JSO. Und es soll Legija gewesen sein, der Jovanovic zum Mord an Djindjic anstiftete. "Zoran Djindjic will unsere Einheit zerschlagen und uns alle nach Den Haag schicken" – mit diesen Worten, so die Anklage, habe Legija seinen Kameraden Jovanovic überzeugt, den Ministerpräsidenten zu ermorden. Der Mittäterschaft angeklagt sind noch weitere acht Mitglieder des kriminellen Zemun-Clans, der mit der JSO in Verbindung stand.
Unmittelbar nach dem Attentat taucht Legija unter. Er wartet auf ein besseres politisches Klima. Das ist seiner Meinung nach mit dem neuen Ministerpräsidenten Kostunica gekommen. Im Mai 2004 ergibt sich Legija dem Polizeichef und dem Innenminister. Die Begründung: er wolle seine Unschuld beweisen. Die Öffentlichkeit wartet gespannt auf seine Aussage. Nicht zuletzt, weil auch viele Spekulationen in serbischen Zeitungen landeten. Anderthalb Monate später sagt Legija zum ersten Mal aus. Und die Öffentlichkeit hört gespannt zu. Er redet. Redet viel, erzählt, der ermordete Ministerpräsident Djindjic sei Drogenhändler gewesen. Ein Teil der Öffentlichkeit lobt ihn, die meisten aber lachen ihn aus.
Langwieriges Verfahren beklagt
Dreieinhalb Jahre hat der Prozess gedauert. Ein Prozess mit vielen Hindernissen und tragischen Zwischenfällen: Zwei Zeugen wurden umgebracht, die Schwester des ermordeten Djindjic wurde angegriffen. Den Richtern wurden gedroht, einer trat zurück. Trotz allem ist jetzt ein Ende in Sicht. Für den Vertreter der Familie Djindjic, den Anwalt Rajko Danilovic hat der Prozess zu lange gedauert: "Das Interesse der Öffentlichkeit in Serbien und der Welt war groß. Aber das wurde durch dieses langwierige Verfahren zermürbt. Dreieinhalb Jahre dauerte das Ganze - grundlos. Alles hätte in einem Drittel der Zeit beendet sein können."
Anklage fordert Höchststrafe
Für den Anwalt Danilovic ist alles ziemlich klar. Man weiß, wer geschossen hat, wer dahinter stand. Was noch unklar bleibt ist, ob es einen politischen Hintergrund gibt. "Denn als das Attentat geplant wurde, als es passierte, herrschte eine seltsame politische Atmosphäre. Und wurde zudem versucht, den Angeklagten zu helfen, nachdem sie verhaftet wurden." Bestimmte politische Kreise seien dafür verantwortlich, meint Danilovic. Er kritisiert an dem Prozess, dass der politische Hintergrund für die Ermordung von Djindjic nicht aufgeklärt worden sei. Dies sei nur angedeutet worden. "Es gibt viele Indizien dafür. Wir haben auch einige Beweise. Diese politische Angelegenheit hätte auch aufgeklärt werden können, wenn es dafür genug politischen Willen gegeben hätte. Leider war es nicht so." Immerhin sollen nun die Attentäter verurteilt werden – die Staatsanwaltschaft fordert 40 Jahren, die Höchststrafe. Der Urteilsspruch soll im Mai fallen.
Ivica Petrovic, Belgrad
DW-RADIO/Serbisch, 24.4.2007, Fokus Ost-Südost