1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikKosovo

Serbien-Kosovo: Neue Eskalationsstufe im Konflikt

15. Juni 2023

Nach der Festnahme von drei kosovarischen Polizisten durch die serbische Polizei wirft Prishtina Belgrad Kidnapping vor. Experten befürchten, dass die Situation in der Region außer Kontrolle gerät.

Zvecan, Kosovo | erneut Proteste von Serben
Soldaten der NATO-Schutztruppe KFOR schützen das Rathaus der Gemeinde Zvecan im Norden Kosovos gegen serbische Demonstranten am 31.05.2023Bild: Bojan Slavkovic/AP/picture alliance

Der seit Wochen schwelende Konflikt im Norden Kosovos hat eine neue Eskalationsstufe erreicht: Spezialeinheiten der serbischen Polizei nahmen am Mittwoch (14.06.2023) drei kosovarische Polizisten gefangen. Die serbische Polizei behauptet, die drei Beamten hätten illegal das Territorium Serbiens betreten und seien dort aufgegriffen worden.

Belgrader Medien veröffentlichten dazu Videos und Fotografien, auf denen die drei kosovarischen Polizisten mit Augenbinden und gefesselt auf dem Boden liegend zu sehen sind, neben ihnen automatische Schusswaffen und Funk- und Navigationsgeräte. Während einer Pressekonferenz bezeichnete der Leiter des Büros für Kosovo in der serbischen Regierung, Petar Petkovic, die drei Polizisten als "terroristische Bande".

Vom serbischen Innenministerium verbreitetes Foto: die drei gefangengenommenen und gefesselten kosovarischen Polizisten am 14.06.2023Bild: Serbian Ministry of Interior via AP/picture alliance

Die Reaktion der kosovarischen Regierung ließ nicht auf sich warten. Premierminister Albin Kurti warf Serbien Kidnapping vor und bestritt, dass die kosovarischen Polizisten serbisches Territorium betreten hätten. Die serbische Polizei sei vielmehr auf das Territorium Kosovos vorgedrungen und habe die Beamten entführt. "Das stellt eine Aggression dar und zielt auf eine Destabilisierung ab", so Kurti.

Wahlboykott

Mit der Festnahme der drei Polizisten spitzt sich der Konflikt zwischen Kosovo und Serbien, der seit Wochen andauert, erheblich zu. Auslöser der Spannungen war eine Lokalwahl, die von den serbischen Einwohnern im Norden Kosovos boykottiert wurde. Die kosovarische Regierung in Prishtina ordnete daraufhin die Amtseinsetzung der mit nur wenigen Prozent der Stimmen gewählten albanischstämmigen Bürgermeister an. In den fast ausschließlich von Serben bewohnten Gemeinden Nordkosovos löste das massive und zum Teil gewalttätige Proteste aus. Es gilt als offenes Geheimnis, dass die Proteste aus Belgrad auf Geheiß des serbischen Staatspräsidenten Aleksandar Vucic gesteuert werden. Bei den Protesten waren unter anderem zahlreiche Soldaten der NATO-Schutztruppe für Kosovo, KFOR, verletzt worden.

Kosovos Innenminister Xhelal Svecla spricht zu Medien am 14.06.2023 nach der Festnahme von drei kosovarischen Polizisten durch serbische TruppenBild: Valdrin Xhemaj/REUTERS

Einen Tag vor der jetzigen Festnahme der drei Polizisten durch Serbien hatte die kosovarische Polizei im Norden Kosovos ihrerseits einen Mann namens Milun Milenkovic festgenommen. Milenkovic ist Anführer einer sogenannten Bürgerwehr und gilt als Organisator der Angriffe auf die KFOR-Truppen Ende Mai.

Gegenseitige Schuldzuweisung

Der Kosovo-Bürochef Petar Petkovic behauptet, die kosovarische Polizei habe auf Milenkovic dermaßen eingeprügelt, dass er versteckt werden musste, damit man seine angeblichen Verletzungen nicht sehen würde. Die kosovarischen Polizisten würden nicht misshandelt werden, betonte Petkovic. Gleichzeitig warf er dem kosovarischen Premierminister Kurti vor, die Schaffung eines ethnisch reinen Kosovo und die Vertreibung der Serben anzustreben.

Der serbische Präsident Aleksandar Vucic äußerte sich ebenfalls zu den Festnahmen. Im Interview mit dem Staatssender RTS sagte er, dass die Polizisten 1,8 Kilometer entfernt von der Grenze auf von serbischen Polizeikräften kontrolliertem Territorium festgenommen wurden. "Wir befinden uns an einem Scheideweg: Wollen wir weiterhin Frieden haben oder nicht?", fragte Vucic und betonte, dass nicht Belgrad dem Frieden im Weg stünde, sondern Kurti derjenige auf dem Balkan sei, "der um jeden Preis Krieg und Konflikte provozieren will".

Der serbische Präsident Aleksandar VucicBild: AA/picture alliance

Der kosovarische Premierminister Kurti sagte seinerseits, die Festnahme der drei kosovarischen Polizisten sei eine Rache Belgrads wegen der Festnahme von Milun Milenkovic. "Die Polizisten sind 300 Meter hinter der Grenze Kosovos auf kosovarischem Territorium festgenommen worden", so Kurti. Als Reaktion ordnete der kosovarische Premier an, die Wareneinfuhr aus Serbien sowie den Zugang für serbische Fahrzeuge nach Kosovo einzuschränken.

Auftakt eines größeren Konflikts?

Der kosovarische Journalist Halil Matoshi spricht gegenüber der DW davon, dass Vorfälle wie die Festnahme der Polizisten gezielt ausgeführt würden und einen politischen Hintergrund hätten. "Die kosovarischen Polizisten wurden im Auftrag Vucics als Geiseln genommen. Diese Hinterhalte und das Säbelrasseln - all das wird gemacht, weil beide Seiten zeigen wollen, wer am Verhandlungstisch der Stärkere ist", so Matoshi. Der Journalist kritisiert jedoch auch die Regierung von Albin Kurti und meint, dass Kosovo wegen der verfehlten Politik Kurtis schwerwiegende Konsequenzen tragen müsse.

Der kosovarische Ministerpräsident Albin Kurti, hier bei einer Pressekonferenz am 22.05.2023Bild: Erkin Keci/AA/picture alliance

Miodrag Milicevic, Direktor der Nichtregierungsorganisation AKTIV aus Nord-Mitrovica, sagt der DW, er befürchte, dass die Bürger im Norden Kosovos den Preis für die Eskalation zahlen müssten. "Die jetzige Situation kann schlimme Folgen für die ohnehin schon zerrütteten Beziehungen zwischen Serben und Albanern haben", so Milicevic.

Er kritisiert beide Seiten und weist darauf hin, dass ein Dialog der einzige Weg sei, um die Situation zu entspannen. Die Reaktion der Internationalen Gemeinschaft sei viel zu langsam, so Milicevic: "Das Ganze wirkt wie der Auftakt zu einem größeren Konflikt, und wir können von Glück sprechen, wenn wir keine direkten Auseinandersetzungen zwischen Serben und Albanern erleben", mahnt der AKTIV-Direktor.

Den nächsten Abschnitt Top-Thema überspringen

Top-Thema

Den nächsten Abschnitt Weitere Themen überspringen