Serbien: Massenproteste und Ausschreitungen in Belgrad
29. Juni 2025
Aus ganz Serbien waren die Protestierenden in die Hauptstadt Belgrad gekommen. Viele von ihnen schwenkten serbische oder EU-Flaggen und hielten Schilder mit den Namen ihrer Heimatorte hoch. Die Organisation Archiv öffentlicher Versammlungen sprach von etwa 140.000 Teilnehmern der Proteste gegen Staatschef Aleksandar Vucic. Die Polizei dagegen zählte laut eigenen Angaben 36.000 Demonstranten. Doch auch Journalisten vor Ort und andere Augenzeugen hielten diese Zahl für deutlich zu niedrig.
Gegendemo im Park
Vucic-Anhänger versammelten sich im nahe gelegenen Pionirski-Park zu einer Gegenkundgebung. Die Polizei war deshalb mit einem Großaufgebot im Bereich der Regierungsgebäude, des Parlaments und rund um den Park im Einsatz.
Im Anschluss an die Massenkundgebung kam es am späten Samstagabend zu Ausschreitungen. Polizeichef Dragan Vasiljevic teilte mit, sechs Beamte und mindestens zwei weitere Menschen seien verletzt worden. Dutzende Demonstranten seien in Polizeigewahrsam genommen worden.
Laut Vasiljevic setzten die Einsatzkräfte Schlagstöcke ein, nachdem sie von Protestteilnehmern angegriffen worden seien. "Chemische Mittel" seien nicht zum Einsatz gekommen. Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichteten, die Polizei habe Tränengas und Blendgranaten eingesetzt, um die Menge auseinanderzutreiben. Beamte wurden demnach mit Steinen beworfen, einige Protestteilnehmer hatten Rauchgranaten.
Vucic machte ein weiteres Mal "ausländische Mächte" für die Proteste verantwortlich. Er warnte, Gewalt werde nicht geduldet. "Das Land wird verteidigt werden, und die Schläger werden vor Gericht gestellt", sagte er vor Journalisten in Belgrad.
Seit Dezember kommen immer wieder Studenten, Oppositionelle, Lehrer, Arbeiter und Landwirte zu Massenkundgebungen zusammen. Auslöser war das Unglück in Novi Sad. Am 1. November waren dort beim Einsturz eines Bahnhofsvordachs 16 Menschen ums Leben gekommen. Die Demonstranten sehen die Korruption in Serbien als Ursache für die Katastrophe.
Vucic-Gegner wollen Neuwahlen
Inzwischen fordern die Protestierenden vorgezogene Neuwahlen und ein Ende der Vucic-Regierung. Sie werfen ihm und seinen Verbündeten Verbindungen zum organisierten Verbrechen, Gewalt gegen Rivalen und die Einschränkung der Medienfreiheit vor.
Vucic hat Neuwahlen bisher stets abgelehnt. Seine von der Fortschrittspartei geführte Koalition verfügt über 156 der 250 Parlamentssitze.
se/wa (afp, rtr, kna)