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Serbien nach dem Tod von Slobodan Milosevic

16. März 2006

Nach dem Tod Milosevics steht die Regierung Serbiens vor einem Spagat: Auf dem Weg in die EU will sie ihren internationalen Pflichten nachkommen. Gleichzeitig muss sie die nationalistischen Kräfte im Land besänftigen.

Bild: AP

Nach Einschätzung von serbischen Analysten könnte nach dem Tod von Slobodan Milosevic die Fortsetzung der Kooperation mit dem UN-Kriegsverbrechertribunal ICTY in Den Haag in Frage gestellt werden. So meint der Koordinator des Forums für ethnische Beziehungen Dusan Janjic, für die serbische Regierung sei es im Augenblick äußerst riskant, den flüchtigen ICTY-Angeklagten Ratko Mladic zu verhaften, weil sich die Meinung der Bevölkerung in punkto Zusammenarbeit mit dem Tribunal geändert habe. Mladics Verhaftung ist aber eine Voraussetzung für die Fortsetzung der Verhandlungen über das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der EU.

„Politischer Schauprozess gegen Serbien“

Janjic zufolge konnte unmittelbar vor dem Tod Milosevics die Bevölkerung in Serbien für die Verhaftung Mladics gewonnen werden. „Denn die Allheilformel hieß: Mladic muss nach Den Haag gehen aus nationalen und Staatsinteressen“, meint Janjic. Der Selbstmord des kroatischen Serbenführers Milan Babic und dann noch der plötzliche Tod Milosevics in derselben Woche in Den Haag hätte die Argumentation eines Teils der Gesellschaft bestärkt, nach der das ICTY keine Institution sei, sondern ein politischer Schauprozess gegen Serben und Serbien.

Regierung vor dem Spagat

Auch der politische Analyst Ljubodrag Stojadinovic glaubt, dass ein Teil der Gesellschaft das ICTY ablehnt. DW-RADIO sagte Stojadinovic: „Die Regierung Serbiens hat signalisiert, dass die Kooperation mit dem ICTY fortgesetzt werden wird. Alleine schon darum, weil die Zusammenarbeit mit diesem Gerichtshof eine Pflicht Serbiens gegenüber der internationalen Gemeinschaft darstellt. Die Regierung in Serbien wird deswegen große Probleme bekommen. Denn nach dem Tod von Slobodan Milosevic kommt es nun zu einer Radikalisierung, allem voran tritt die Serbische Radikale Partei in Erscheinung als die politische Kraft, die aus dem Tod von Milosevic den meisten Nutzen zieht.“

Auswirkungen auf den Staatenbund

Dejan Anastasijevic, Journalist der Belgrader Zeitung Vreme, glaubt, die Regierung habe ernsthaft das Problem mit der ICTY-Kooperation lösen wollen. Doch nun, unter dem Druck der Öffentlichkeit, sei dies unmöglich. „Falls jedoch die Verhandlungen über das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der EU verschoben oder gestoppt werden, hätte die Regierung ihren Bürgern in einer ohnehin schlechten wirtschaftlichen und politischen Lage keine einzige gute Nachricht zu vermelden. Dies würde sich auch direkt auf die Beziehungen zu Montenegro auswirken. Denn falls Serbien bzw. Serbien-Montenegro wegen Serbien von Brüssel eine Absage erhalten würde, wäre dies ein Argument mehr für Montenegros Premier Milo Djukanovic und seine abtrennungswillige Regierung, die Unabhängigkeit zu fordern“, so Anastasijevic.

EU besteht auf Auslieferungsfrist

Die EU-Kommission hat bereits darauf hingewiesen, dass der Tod Milosevics nicht der Grund dafür sein kann, dass die Frist für die Auslieferung von Mladic verschoben wird. Wenn die Behörden in Belgrad ihre Pflicht, vollkommen mit dem ICTY zusammenzuarbeiten, nicht erfüllen, werden die für den 5. April anberaumten Verhandlungen über das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen verschoben. Zur Fortsetzung der Zusammenarbeit mit dem ICTY äußerte sich bislang nur Serbiens Präsident Boris Tadic. Ihm zufolge wird der Tod von Milosevic die Kooperation mit dem Tribunal nicht beeinträchtigen.

Aleksandar Djokanovic, Belgrad

DW-RADIO/Serbisch, 16.3.2006, Fokus Ost-Südost

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