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Politik

Der böse Bube des Balkans?

23. Januar 2017

Die Regierung in Belgrad spielt immer öfter die nationalistische Karte. Nach den jüngsten Spannungen mit dem Kosovo ist sogar von Krieg die Rede. Alles nur Wahlkampf - oder muss man auf dem Balkan wieder Angst haben?

Serbien Reise von Nemanja Rujevic Regierung
Bild: DW/N. Rujevic

In den letzten Wochen mehren sich die symbolischen Giftpfeile, die aus der serbischen Hauptstadt Belgrad in Richtung der Nachbarländer gefeuert werden. Kroatien wird wieder einmal als ein Land der Serbenhasser und üblen Chauvinisten beschimpft. Mazedonien und Montenegro werden wegen der Anerkennung des Kosovo an den Pranger gestellt - obwohl das schon vor acht Jahren geschah. Und in Bosnien und Herzegowina wird erneut die "serbische Frage" gestellt.

Der dortige Serbenführer Milorad Dodik genießt fast blinde Unterstützung aus Belgrad, Dodik kündigt die Abspaltung des serbischen Teils Bosnien und Herzegowinas immer wieder offen an. Neulich sagte er, die Grenzen auf dem Westbalkan sollten neu gezogen werden. Die Republika Srpska - der Teil Bosnien und Herzegowinas, den Dodik regiert - könnte so endlich Teil des serbischen Mutterlandes werden.

Der Streit-Zug: "Kosovo ist Serbien" in 20 SprachenBild: picture-alliance/AP Photo/D. Vojinovic

Die jüngste Provokation spielte sich Mitte Januar ab. Serbien gab bekannt, dass es nach 18 Jahren den Zugverkehr in den Kosovo wiederaufnehmen wollte - und schickte einen Zug in serbischen Nationalfarben in Richtung Mitrovica, einer Stadt im serbisch dominierten nördlichen Teil des Kosovo. Der Zug war übersät mit dem Schriftzug "Kosovo ist Serbien" - in 20 Sprachen.

Die Regierung in Priština sprach von einer "serbischen Provokation" und schickte schwer bewaffnete Spezialeinheiten der Polizei an die Grenze im Norden. 50 Kilometer vor der Grenze wurde der Zug gestoppt. Es hätten sich "fast unglaubliche Dinge ereignet", gab sich der serbische Regierungschef Aleksandar Vučić danach empört. Die Albaner hätten versucht, die Gleise mit Sprengstoff zu versehen. Um ein Blutvergießen, das die Albaner angeblich geplant hätten, zu verhindern, hätte man den Zug aufgehalten, so Vučić.

Das K-Wort

Im Jahr 2008 hatte sich das zu mehr als 90 Prozent von ethnischen Albanern bewohnte Kosovo einseitig für unabhängig von Serbien erklärt. Es hatte seit dem Kosovo-Krieg unter internationaler Verwaltung gestanden. Die serbische Regierung und die Serben im Kosovo erkennen die Unabhängigkeit nach wie vor jedoch nicht an. Auch die Provinz, in die der provokante Zug geschickt wurde, betrachtet Belgrad immer noch als Teil Serbiens.

"Wir wollen keinen Krieg, aber unsere Verfassung verpflichtet uns dazu, jeden Zentimeter unseres Territoriums und unsere Bürger zu beschützen", sagte der serbische Präsident Tomislav Nikolić kurz nach dem Vorfall an der Grenze. In den 1990ern - also während des Kosovokrieges - war Nikolić, genauso wie der serbische Premier Aleksandar Vučić, radikaler Nationalist im Milošević-Regime. Beide kennen sich gut mit Kriegshetze und Propaganda aus. Die jüngste Botschaft des serbischen Präsidenten galt den Albanern im Kosovo. "Wenn sie Serben töten, dann werden wir die Armee losschicken. Wir werden alle hingehen, auch ich", drohte Nikolić in Richtung Pristina.

Schon wieder Krieg? Erst seit zwei Jahrzehnten ist es in der Region wieder friedlich. Bei den Konflikten wurden rund 120.000 Menschen getötet, unzählige zerstörte Städte und verbitterte Menschen blieben zurück.

Alles nur Wahlkampf?

Für die Belgrader Wochenzeitung "Vreme" ist die Episode mit dem Zug eine typische politische Inszenierung: "Der kosovarische Premier Hashim Thaçi, der zu Hause große Probleme mit politischen Gegnern und möglicher Anklage wegen Kriegsverbrechen hat, hat mit seiner Machtdemonstration gezeigt, dass er immer noch das Sagen hat im Kosovo", heißt es in einem Leitartikel. Serbiens Regierungschef Vučić wiederum pflege sein Image des Friedensbringers, der aber nationalgesinnt und entschieden sei, serbische Interesse zu verteidigen. Schaukampf als Teil des Wahlkampfes? Der Titel des Leitartikels lautet: "Endstation Wahlen".

Von der EU unterstützt: Vučić bei MerkelBild: Getty Images/AFP/T. Schwarz

In Serbien wird im April gewählt. Nur ein Jahr nach den vorgezogenen Parlamentswahlen, die Regierungschef Vučić eine komfortable Mehrheit im Parlament bescherten, will er nun seine Macht durch die Präsidentschafts- sowie Kommunalwahlen in der Hauptstadt Belgrad zementieren. Es wird sogar gemunkelt, er denke über erneute Parlamentswahlen nach, um seine aktuelle Popularität und Mediendominanz noch mehr auszunutzen.

Frische Wunden

Muss man wieder Angst haben vor einem erneuten Krieg? Nicht einmal das Wort wollte man bis vor kurzem ernsthaft in den Mund nehmen. Srbijanka Turajlić hat Angst. Die emeritierte Professorin der elektrotechnischen Fakultät Belgrads ist eine Ikone der Demokratiebewegung in Serbien. Eine, die im Widerstand gegen das Milošević-Regime in den Neunzigern ganz vorne mit dabei war.

"Das ist jetzt zwar eine Wahlkampagne, aber eine sehr gefährliche", bewertet Turajlić die jüngsten Provokationen der serbischen Regierung. "In unserer Region haben wir fragile Gesellschaften. Was durch die Kriege kaputt gemacht wurde, wurde nie repariert - und das wird leider allerseits für Wahlzwecke genutzt." Die Episode mit dem Zug habe den Menschen allerdings Angst gemacht. "Viele erinnern sich noch gut daran, wie es ist, wenn die Militärpolizei ihre Kinder wie Kaninchen jagt, um sie in irgendeinen Krieg zu schicken."

"Es sind fragile Gesellschaften", sagt Srbijanka TurajlićBild: DW/N. Rujević

Für die EU hat Turajlić kein gutes Wort übrig. Vučić werde aus Brüssel unterstützt, solange er sich beim Thema Kosovo einigermaßen kompromissbereit zeige, so die Professorin. So sei eben das Schicksal eines kleinen Landes. "Ob wir es gut oder schlecht haben, ob wir hungrig oder durstig sind, demokratische Rechte haben oder nicht - wen interessiert das, außer uns selbst?", fragt Turajlić rhetorisch.

Eine jüngste Umfrage zeigt, dass nur noch 44 Prozent der Serben einen EU-Beitritt des Landes befürworten, 42 Prozent sind sogar dagegen. 

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