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PolitikSerbien

Serbien will gegen "Lügen" der westlichen Presse kämpfen

3. September 2024

Serbiens Staatsführung fühlt sich international chronisch missverstanden. Nun will das Land gegen sein schlechtes Image und "Fake News" in westlichen Medien kämpfen. Den Job übernimmt ein gebürtiger Franzose.

Ein Mann mit Brille und Anzug steckt sich einen Kopfhörer ins Ohr
Unzufrieden mit dem Image Serbiens in ausländischen Medien: der serbische Staatspräsident Aleksandar VucicBild: Darko Vojinovic/AP Photo/picture alliance

Arnaud Gouillon ist erst 38 Jahre alt, war aber schon Einiges in seinem Leben. Als Mittzwanziger wollte er für den rechtsextremen "Bloc identitaire" französischer Präsident werden. Die Kandidatur scheiterte an mangelnden Unterschriften.

Am meisten prägten Gouillon die Ereignisse des Kosovo-Kriegs 1999. Damals wollte die NATO die systematischen serbischen Verbrechen gegen die Albaner im Kosovo stoppen und intervenierte mittels Bombardements aus der Luft. Die Intervention beendete den Krieg, ist aber bis heute umstritten, weil sie ohne UN-Mandat erfolgte.

"Ein ganzes Volk wurde damals dämonisiert", sagte Gouillon in einem Interview. Der Franzose lebt schon lange in Belgrad und engagiert sich unter anderem humanitär für die serbische Minderheit in Kosovo. Er spricht perfekt Serbisch, hat eine serbische Frau und einen serbischen Pass, außerdem das Parteibuch der regierenden Serbischen Fortschrittspartei (SNS), für die er im Parlament sitzt.

Der Franzose Arnaud GouillonBild: Verwaltung für Zusammenarbeit mit der Diaspora

Und jetzt hat er eine neue Aufgabe: Er ist Direktor des neu gegründeten Büros für öffentliche und kulturelle Diplomatie (KJKD). Dessen Mitarbeiter sollen künftig internationale Medien systematisch auf negative Materialien über Serbien überprüfen und dann bei Redaktionen intervenieren, um das Image des Landes aufzupolieren. Teams für die Sprachen Englisch, Französisch, Deutsch und Italienisch sollen bis Ende des Jahres arbeitsbereit sein.

"Diejenigen, die gewohnt sind, Lügen und negative Aspekte über Ereignisse auf dem Balkan und in Serbien zu publizieren, sollen jetzt wissen, dass sie jedes Mal eine Antwort von uns bekommen werden", sagte der frischgebackene Direktor der Belgrader Zeitung Vecernje novosti, die eine Art inoffizielles Sprachrohr der serbischen Regierung ist.

Ungerechtfertigtes Image?

Das Image Serbiens in ausländischen Medien ist denkbar schlecht und aus Sicht des Präsidenten Aleksandar Vucic und seiner Regierung ungerechtfertigt. Vucic steht als allmächtiger Staatschef da, der Serbien in eine Autokratie verwandelt hat. Ein Land, in dem freie Medien, eine unabhängige Justiz und die Opposition erstickt werden und in dem Aufträge für große Geschäfte sowie Jobs für kleine Leute nur an diejenigen mit dem richtigen Parteibuch verteilt werden.

Vucic wird in westlichen Medien oft als "Unruhestifter" in der Region dargestellt. Seine Idee einer "serbischen Welt" - mit Einflusszonen in Kosovo, in Montenegro und in der bosnisch-serbischen Teilrepublik Republika Srpska - wird oft als brandgefährlich eingestuft.

Serbische Medien: Der Präsident Aleksandar Vucic ist medial omnipräsentBild: Rüdiger Rossig/DW

Auch "Stereotypen aus den jugoslawischen Kriegen in den Neunzigern" spielten eine Rolle in der Berichterstattung, sagt Milan Krstic, Politologe und Dozent der Belgrader Fakultät für politische Wissenschaften. "Das zu ändern ist schwer. Vieles wurde damals schwarzweiß und ohne Nuancen dargestellt - Serben seien Henker, andere seien nur Opfer."

"Nordkoreanisches Agitationsbüro"

Tatsächlich müsse Serbien sein Image verbessern, sagt Krstic der DW. Aber nicht so, wie es Gouillon ankündige: "Man sollte positive Geschichten betonen, gute Nachrichten über Wirtschaft und den Tourismus bringen, aber nicht mit westlichen Medien polemisieren, was nur ein weiteres Stereotyp, nämlich das über streitlustige Balkanesen bestätigen würde."

Auch unabhängige serbische Journalisten sind auf die Idee gar nicht gut zu sprechen. Denn im Land selbst kontrollieren Vucic und seine Leute alle großen Sender und Boulevardblätter. Die Hetze gegen Kritiker, Opposition und den "kollektiven Westen" ist dort Tagesprogramm.

Serbiens Präsident Aleksandar Vucic, hier in Wahlkampfvideos und Interviews im Frühjahr 2022Bild: N. Rujevic/DW

Für Zeljko Bodrozic, den Präsident des unabhängigen Journalistenverbandes NUNS, grenzt es an Sarkasmus, dass Serbiens jetzige Staatsführung gegen angebliche "Fake News" kämpfen möchte. "Ihre Tollheit wird immer schlimmer. Sie gründen etwas, das an ein nordkoreanisches Agitationsbüro erinnert", sagt Bodrozic der DW.

Keine Antwort auf Anfragen

Präsident Vucic, der seit über zwölf Jahren in Serbien herrscht und für seine Schaukelpolitik zwischen der EU, den USA, Russland und China bekannt ist, könne die negativen Schlagzeilen in der westlichen Presse nicht stoppen. "Denn die meisten Texte, die Arnaud Gouillon jetzt dementieren und bekämpfen soll, entsprechen völlig der Wahrheit", so Bodrozic.

Und was genau hat Gouillon nun vor? Wie sollen ausländische Medien kontaktiert werden? Sind die KJKD-Teams eher für Serbien oder doch vor allem für die Vucic-Partei SNS unterwegs? Anfragen der DW an die serbische Regierung und Gouillon selbst wurden bisher nicht beantwortet.

Eines ist aber schon bekannt. Wie das Nachrichtenportal Nova ekonomija berichtet, soll das neue Büro, das bisher nicht einmal eine Website hat, schon über drei Millionen Euro für seine Arbeit bekommen haben.

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