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"Serbien wird immer interessanter für Investoren"

Dijana Roscic
10. Februar 2021

Deutschland ist für Serbien der weltweit wichtigste Handelspartner. Frank Aletter von der AHK Serbien erklärt im DW-Gespräch, wie sich die Beziehungen noch verbessern könnten.

Frank Aletter, Geschäftsführer der AHK Serbien
Bild: AHK Serbien

Deutsche Welle: Warum ist Serbien ein attraktiver Wirtschaftsstandort?

Frank Aletter: Serbien hat sich in den letzten Jahren als interessanter Standort für deutsche Investoren entwickelt. Sie sind wichtige Impulsgeber für Wachstum und Beschäftigung an diesem Wirtschaftsstandort. Attraktive Förderprogramme, eine gute Infrastruktur und natürlich die Nähe zur Europäischen Union bieten gute Argumente für Direktinvestitionen. Weiterhin brauchen Investoren weltweit Rechtssicherheit und eine solide Basis für Arbeits- und Fachkräfte. Beides hat die serbische Regierung in Angriff genommen und insbesondere in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht. 

Welche Argumente sprechen denn noch für Serbien?

Die Geschichte hat gezeigt, dass Serbien aufgrund seiner geographischen Lage ein strategisch wichtiger Standort ist. Dies gilt heute auch noch. Neben der Europäischen Union setzt Serbien auch auf gute Beziehungen zu China und Russland. Gleichzeitig ist Serbien in einer dynamischen Region eingebettet, die auf wirtschaftliches Wachstum setzt. Diese Dynamik steckt an und wir möchten dies auch in Deutschland weiter bekannt machen. 

In welchen Bereichen könnte es noch Verbesserungen geben?

Die serbische Regierung hat den Bereich der beruflichen Bildung 2018 neu strukturiert. Hier hat sie sich an dem Modell der dualen Ausbildung orientiert. Die Deutsch-Serbische Wirtschaftskammer hat diesen Prozess begleitet mit dem Ziel, die lokale Wirtschaft mit der Qualifizierung junger Menschen zu unterstützen.

Es gibt allerdings noch einiges zu tun - insbesondere muss die Akzeptanz einer allgemeinen Ausbildung gesteigert werden und es bedarf weiterer Qualifizierungsangebote in Unternehmen, beziehungsweise Weiterbildungsangebote für erfahrene Mitarbeiter.

Bemerkenswert ist, dass die jüngsten Investitionen weniger in personalintensiven Bereichen erfolgen, sondern vielmehr in technisch anspruchsvollen Prozessen. Neben mittelständischen Unternehmen zählen zu den Investoren auch globale Konzerne, die strikte Compliance-Anforderungen haben. Hier kann sicherlich ein regelmäßiger Austausch zwischen dem privaten und öffentlichen Sektor zu einer nachhaltigen Verbesserung in den Bereichen Rechtssicherheit und Umwelt beitragen. 

In diesem Gebäude in Belgrad hat die Deutsch-Serbische Wirtschaftskammer (AHK Serbien) ihren SitzBild: AHK Serbien

Wie entwickelt sich denn die Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Serbien? Welche Waren und Dienstleistungen dominieren?

Die Bundesrepublik belegt Platz eins der wichtigsten Lieferländer Serbiens. Hauptimportprodukte aus Deutschland sind Maschinen, Autos und Autoteile, Elektrotechnik und Kunststoffe. Deutschland gehört aber auch zu den Hauptabnehmerländern serbischer Erzeugnisse, die wichtigste Rolle spielen dabei ebenfalls Produkte aus dem Maschinenbau und der Elektrotechnik sowie aus dem Chemie-Bereich.

Abgesehen von den Folgen der Corona-Pandemie sind die Wachstumsprognosen für 2021 gar nicht mal so schlecht. Ökonomen und Wirtschaftsinstitutionen gehen von einem positiven Wachstum des serbischen BIP im Jahr 2021 aus, das mindestens an die Erfolge in den Jahren 2018 und 2019 mit einem Wachstum von rund 4,4 Prozent anknüpfen sollte. 2019 lag das Handelsvolumen zwischen Deutschland und Serbien bei 5,2 Milliarden Euro; die Zahlen von 2020 liegen noch nicht vor. Wir gehen allerdings davon aus, dass Deutschland für Serbien der wichtigste Handelspartner bei den Ein- und Ausfuhren bleibt.

Worin sehen Sie dabei Ihre Hauptaufgabe?

Die Kernaufgabe der Deutsch-Serbischen Wirtschaftskammer ist die Förderung von Handel und Investitionen. Beides ist noch ausbaufähig, wobei wir als bilaterale Handelskammer an einem möglichst geringen Handelsdefizit interessiert sind. Nur so können dringende wirtschaftspolitische Themen auf Augenhöhe angepackt werden. 

Sehen Sie noch weitere Möglichkeiten zur Zusammenarbeit?

An dieser Stelle möchten wir den Umweltbereich nennen. Hier besteht für beide Länder noch Raum für Kooperationen. Durch den sogenannten Green Deal möchte die EU bis 2050 klimaneutral werden. Dies hat auch Auswirkungen auf die Handelspartner, die Produkte in die EU liefern. Aufgrund zu erwartender Änderungen von rechtlichen Rahmenbedingungen werden hier Möglichkeiten für Dienstleister und Technologieanbieter in den Bereichen Abfallwirtschaft, Energie und Wasser entstehen. 

Welche Chancen bietet die Bewältigung der Corona-Krise? 

Unstreitig hat die Corona-Pandemie große Impulse im Bereich der Digitalisierung gebracht. Serbien verfügt über eine Vielzahl von IT- und Softwareentwicklern, die an innovativen Lösungen arbeiten. Hiervon können deutsche und serbische Unternehmen profitieren. 

Im vergangenen Jahr haben wir beobachtet, dass deutsche Unternehmen gezielt nach Lieferanten aus Serbien suchen. Dies erfolgt sicherlich aus zwei Gesichtspunkten: Zum einen haben wir Serbien als Teil der Einkaufsinitiative Westbalkan als Lieferantenmarkt für Deutschland positioniert. Und zum anderen stellen wir fest, dass deutsche Unternehmen ihre Einkaufsstrategie auf verschiedene Säulen stellen. Hier bietet sich wieder die Nähe an die EU an sowie eine gute Qualitätsstruktur serbischer Produkte. Diese positiven Aspekte sollten wir weiter vermarkten, um so die Vorteile einer Neuausrichtung im Einkaufsbereich zu nutzen.

Wie interessant ist Serbien für die deutsche Reisebranche? 

Vor der Corona-Pandemie hat Serbien insbesondere nordeuropäische Gäste angezogen. Deutsche Touristen haben Serbien bislang noch nicht auf dem Radar. Hier besteht ein großes Potential, da Fernreisen für deutsche Touristen möglicherweise in der ersten Zeit nach der Corona-Pandemie weniger im Fokus stehen werden. Dabei hat Serbien kulturell, kulinarisch und landschaftlich viel zu bieten. Die Wirtschaftskammer stünde gerne zur Verfügung, hier eine Plattform einzurichten.

Auch Russland und vor allem China haben Serbien im Blick. Was bedeutet das für das deutsche Engagement? 

Deutsche Unternehmen engagieren sich nachhaltig in Serbien und sind auf eine langfristige Zukunft ausgerichtet. Beleg dafür ist, dass einige seit mindestens 20 Jahre in diesem Land tätig sind, was deutlich zeigt, dass sie gekommen sind, um in Serbien zu bleiben. Deutschland steht an erster Stelle der bilateralen Partner Serbiens und das Engagement deutscher Investoren trägt wesentlich zur wirtschaftlichen Nachhaltigkeit Serbiens bei. 

Wie beurteilt die AHK den zunehmend autoritären Führungsstil des serbischen Präsidenten?

Wir stehen der Tatsache sehr positiv gegenüber, wie die serbische Regierung während der Corona-Krise auf die Probleme der Wirtschaft und der Unternehmen reagiert und diese unterstützt hat. Unter Berücksichtigung aller Bereiche der Kammeraktivitäten kann ich sagen, dass wir mit der serbischen Regierung sehr gut kooperieren.

Das Gespräch führte Dijana Roscic.

Frank Aletter ist seit dem 1. Februar 2021 neues geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutsch-Serbischen Wirtschaftskammer (AHK Serbien). Vorher war der studierte Jurist stellvertretender Geschäftsführer bei der Deutschen Industrie- und Handelskammer für das südliche Afrika (AHK Südafrika).

Die AHK Serbien wurde am 14. April 2016 offiziell gegründet. Mit über 350 Mitgliedern ist sie die größte bilaterale Wirtschaftskammer des Landes.

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