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Serbiens Parlament verabschiedet Gesetz zum Schutz der ICTY-Angeklagten

31. März 2004

Belgrad, den 31.3.2004, GLAS JAVNOSTI, serb.

Etwa 70 Personen, die sich in Haft des Haager Kriegsverbrechertribunals befinden, werden monatlich ihr Einkommen ersetzt bekommen, dass sie in Freiheit bezogen, falls sie beschäftigt waren. Dieses Einkommen entspricht dem Einkommen von Staatsbediensteten in Serbien, deren Gehalt mit dem Koeffizienten 8,80 berechnet wird.

Ihre Familien erhalten ebenfalls das Recht auf materielle Entschädigung in gleicher Höhe, wenn der Inhaftierte nicht zuvor Rente bezogen oder arbeitslos war. Die Familien haben das Recht auf Kostenerstattung für einen Besuch in der Haftanstalt in Scheveningen, unter anderem für ein Flugticket, Übernachtungskosten und dies für zwei Familienmitglieder für höchsten zwei Besuche im Monat. Für Telefon- und andere Kosten erhalten die Familien monatlich einen Betrag in Höhe eines halben Durchschnittseinkommens in Serbien. Der Staat zahlt ferner aus dem Etat dem Angeklagten oder seinen Angehörigen die Kosten für die Vorbereitung der Verteidigung und, zwar für zwei Personen.

Dies sind einige der Rechte, die die Angeklagten und ihre Familienmitglieder erworben haben. Sie werden ihnen durch das gestern im Eilverfahren vom Parlament gebilligte Gesetz garantiert. Für dieses Gesetz stimmten die Abgeordneten der SRS (Serbische Radikale Partei – MD), der DSS (Demokratische Partei Serbische – MD), der SPS (Sozialistische Partei Serbiens – MD) sowie einzelne Abgeordnete der G17 Plus (dafür stimmten 141 Abgeordnete), dagegen stimmten (alle anwesenden Abgeordneten der DS (Demokratische Partei – MD) (35 Abgeordnete). Unter den Abgeordneten der SPO-NS (Serbische Erneuerungsbewegung – Neues Serbien – MD) und der G17 Plus gab es Stimmenthaltungen (insgesamt 20) sowie einige, die gar nicht wählten (acht).

Der Gesetzestext unterscheidet sich etwas von dem Gesetzentwurf, den die Radikalen vorgelegt haben. Sie nahmen ihren Entwurf tags zuvor aus dem parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren, nach Beratungsgesprächen mit den übrigen Fraktionen. Dabei einigten sie sich darauf, dass dem Parlament ein ähnlicher gemeinsamer Gesetzestext angeboten wird, was von allen Fraktionen (ausgenommen der DS) auch als offizieller Gesetzentwurf von 195 Abgeordneten unterstützt und von den Fraktionsvorsitzenden (aus dem der DS) der SRS, DSS, SPS sowie der G17 Plus und SPO-NS unterzeichnet wurde.

Während der vom staatlichen Fernsehen übertragenen Debatte "traten" die Abgeordnete der SPO-NS sowie einige Abgeordnete der G17 Plus von der Vereinbarung "zurück". Sie begründeten es damit, dass sie für ein "grundlegend anderes Gesetz" seien, und erwartet hätten, dass der vorgelegte Entwurf durch Gesetzeszusätze entscheidend verbessert würde. Unter den eingegangen Zusätzen habe es keine "grundlegend" anderen gegeben.

Zu Beginn der Debatte verbreiteten im Parlamentssaal insbesondere die Radikalen und Sozialisten, aber auch DSS-Abgeordnete Optimismus, weil "sich die Einstellung Serbiens gegenüber dem Haager Kriegsverbrechertribunal und unseren dort inhaftierten Leuten verändert hat". Daher bezeichnete ein zufriedener Tomislav Nikolic (SRS-Spitzenvertreter – MD) diesen Zustand als "ernüchtert, wozu vielleicht auch die Ereignisse in Kosovo geführt haben". Die DSS-Abgeordneten begründeten ihre Entscheidung mit Staatsinteressen und dem Recht der Angeklagten auf Verteidigung. Außerdem würde das Gesetz nicht rückwirkend angewandt.

Das harmonische und idyllische Bild trübte jedoch Goran Svilanovic, als er ironisch allen gratulierte, die den Vorschlag zur Verabschiedung des Gesetzes unterzeichneten. Er wundere sich, dass die DSS und, mehr noch, die G17 Plus mit denen koaliere, gegen die sie immer eingetreten seien. Am meisten wundere er sich jedoch über die SPO, deren Führung gerade Opfer der in Schevenigen inhaftierten gewesen sei.

Svilanovic zufolge besteht das Problem darin, dass alle vom Tribunal Inhaftierten unterstützt werden, ohne dass ihre Vermögensverhältnisse überprüft werden. "Sie unterstützen auch reiche Menschen, und zwar die, die an in einer Zeit zu ihrem Reichtum gekommen sind, da das Volk litt (...)", so Svilanovic. (...) Er warnte davor, nicht so viele Unterschiede zu machen zwischen den Rechten derer, die vom Tribunal angeklagt und die im Lande angeklagt sind. Es sollte ferner unterschieden werden zwischen Politikern in Den Haag und Soldaten oder Polizisten, die eine gewisse Sicherheit für ihre Familien benötigen.

Die 16 Angeklagten und Inhaftierten, die sich freiwillig gestellt hätten, stünden bereits unter staatlichem Schutz (...). Gemäß eines Beschlusses des Ministerrates erhielten sie abhängig von ihrer finanziellen Lage Hilfe vom Staat, wenn sie sie benötigten. Die Verteidigung zahlt das Haager Tribunal, wenn der Inhaftierte nicht über ausreichend Finanzmittel verfügt. Vom Staat erhielten sie 200 Euro monatlich, und ihren Familien würden die Kosten für Flugtickets (für drei Tickets) sowie für die Übernachtung erstattet – alle zwei Monate je 250 Euro, so Svilanovic.

Er stellte dem Parlament die rhetorische Frage, warum ein Gesetz verabschiedet werde, wenn es bereits einen Schutz [für die ICTY-Angeklagten und ihre Familien] gebe: "Das, was die Radikalen und alle, die diesem Gesetz zustimmten, möchten, ist, dass der Staat für ihren gemeinsamen Chef, Slobodan Milosevic, zahlt. Eigentlich ist das Gesetz eine Konzession an diejenigen, die die Bildung der neuen Regierung unterstützt haben. (...)", so Svilanovic. (...) (md)