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Gesellschaft

Serbischer Youtuber stellt DW an den Pranger

17. Oktober 2019

Einer der populärsten serbischen Youtuber polemisiert gegen ein Video, das Teil eines Projektes der Akademie der Deutschen Welle ist. Bei dem Streit geht es um Klicks, Geld und Ethik.

DW Akademie Youtuber Serbien Drama
Bild: DW Akademie/M. Erdelji

Der 23-jährige Bogdan Ilić ist in der Welt von Youtube schon ein Veteran. Der Belgrader, der sich "Baka Prase" (Oma Wutz) nennt, gilt mit rund einer Million Views täglich als einer der populärsten Youtuber Serbiens. Seine Fans, denen er unter anderem T-Shirts mit seinem Logo verkauft, sind vor allem Kinder und Pubertierende. Sie haben Baka Prase nicht nur bekannt, sondern auch sehr reich gemacht. Der Youtuber selbst sorgte dafür, dass die Medien erfuhren, dass ihm seine Popularität inzwischen schon einen Sportwagen eingebracht hat.

Ilić ist in den Medien sehr präsent. Seit einigen Tagen stellt er einige Youtuber-Kollegen an den Pranger - und mit ihnen die Deutsche Welle Akademie, das Ausbildungszentrum der DW. Der Grund: Baka Prase fühlt sich von einem Youtube-Clip persönlich angegriffen.

"Ich mache euch zu Deppen"

Die Vorgeschichte begann vor zwei Jahren, als die DW Akademie das erste Brave New Media Forum in Belgrad organisierte. Bei dem Treffen ging es um mediale Verantwortung - auch in den sogenannten "neuen Medien". Dabei äußerten etliche Youtuber, die an dem Projekt der DW Akademie teilgenommen hatten, ihr Unbehagen über Beschimpfungen und Diffamierungen, die die Youtuber-Szene dominieren. Und sie beschlossen, etwas dagegen zu unternehmen.

"Es gab die Idee, Youtuber zu unterstützen, die glauben, dass man lieber eine Szene haben soll, wo einerseits Meinungsfreiheit herrscht, andererseits aber auch Ethik ohne Hassrede und Cyber-Mobbing", sagt Klaus Dahmann, der in der DW Akademie für Serbien zuständig ist. "Wir beschäftigen uns in dem Projekt ohnehin schon mit Medienethik. In Serbien arbeiten wir beispielsweise mit dem Presserat zusammen, der die Einhaltung des Pressekodexes durch die Printmedien verfolgt."

Bild: Reuters/D. Ruvic

Es bildete sich eine Gruppe mehr oder weniger bekannter Youtuber, die die Idee für ein Lied und in der Folge für ein Video entwickelten - und die DW Akademie ermöglichte die Produktion. Daraus wurde im April zunächst der Video-Clip "Clickbait" und Ende September wurde das Video "Drama" online gestellt. Beide Spots erreichten ein Millionenpublikum.

In den Liedern sprechen die Autoren über Jagd auf Klicks und Geld ohne Rücksicht auf Verluste:

Ich schreibe Disstracks
weil ich Geld machen möchte
und es fühlt sich gut an
denn ich mache euch zu Deppen

So heißt es im Spot "Drama", der tagelang auf Platz 1 des Youtube-Trendings stand und somit das populärste Video wurde, das es im serbischen Youtube-Kosmos gab.

"Unsere Zielgruppe sind eher Kreative, also Youtube-Macher. Vor allem junge Creators, die erst anfangen und verstehen sollen, was ethisch in Ordnung ist und was nicht", erklärt Vladimir Marković Looney, Regisseur des Videos, gegenüber der DW.

Laut Klaus Dahmann ließ die DW Akademie den Creators von "Drama" jede kreative Freiheit. Das Ausbildungszentrum der Deutschen Welle ermöglichte lediglich die technische Produktion des Video-Clips. "Uns geht es darum, dass die Youtuber bestimmte Tendenzen auf diesem Portal kritisieren können - und dabei nicht nur einzelne Youtuber herausstellen. Das tun sie auf ironische und vor allem selbstironische Weise. Wir wollen eine Diskussion starten."

Baka ist sauer

Eine Diskussion provozierte "Drama" tatsächlich - aber nicht ganz so, wie sich die Autoren des Clips das vorgestellt hatten. Denn Baka Prase und einige andere serbische Youtuber, die nicht an der Produktion beteiligt waren, meinen sich in dem Lied erkannt zu haben und starteten etwas, was man im YouTube-Slang ebenfalls "Drama" nennt: Heraus kam dabei, gelinde gesagt, eine unhöfliche Replik, die bis heute zehntausende Kommentare provozierte, bei der sich die YouTube-Community auf die eine oder andere Seite stellt. Und das alles in einem Ton, der sogar die verhältnismäßig liberalen YouTube-Regeln verletzt.

So beleidigte Bogdan Ilić Youtuberinnen, die bei "Drama" mitgemacht hatten, auf sexistische Art und Weise: "Ist das eine Anmache? Dann b… mir einen!" Oder: "Die würde ich gerne f…".

Es geht nicht nur um Clicks und Geld. Es geht auch darum, wer in der Youtuber-Szene die Standards setzt, wer das Sagen hat - also um Dominanz, die sich aus der Zahl der Zuschauer ableitet.

Für 500 Euro "verkauft"?

Das Drama geht weiter: In weiteren Clips zeigen Baka Prase und der gleichaltrige Choda - ein anderer bekannter serbischer Youtuber, der sich an dem mit DW-Unterstützung produzieren Spot stört - Emails, in denen auch sie eingeladen werden, an Brave New Media Forum und Video-Produktionen aus diesem Umfeld mitzumachen. Daraus ziehen beide Youtuber den Schluss, dass hier "irgendwelche Deutsche für 500 Euro" serbische Youtuber kaufen und Geld investieren, um Streit in die serbische Youtube-Szene zu streuen.

Mihailo Tešić gehört mit 41 Jahren zur älteren Internet-Generation in Serbien. Er ist Autor des Portals "Tarzanija" und gehört zu den Machern der viel gesehenen satirischen Youtube-Sendung "Dnevnjak". "Die Youtuber haben verstanden, dass sie zusammenarbeiten müssen, um mehr Zuschauer zu erreichen. Der einfachste Weg ist, sich gegenseitig zu diffamieren, ein Fake-Drama loszutreten. Genauso wie in Reality-Shows, wo wir das Gefühl haben, unsere Nachbarn zu betrachten, die pausenlos streiten. Das ist immer interessant", sagt Tešić.

Serbische Youtuber beim Balkan TubeFest.Bild: DW Akademie/M. Erdelji

"Viele Youtuber haben objektiv betrachtet keine Botschaft. Sie versuchen lediglich, sich als Marke zu etablieren. Wenn man etwa Baka Prase interessant findet, dann folgt man ihm, um zu sehen, was für einen Blödsinn er als nächstes erzählt. Aber egal, wie interessant er selbst auch sein mag: Er benötigt Inhalte, über die er reden kann - deswegen braucht es Dramen: Darüber reden die Leute", so Tešić.

Was schauen die Kinder?

Bogdan Ilić hat bisher mehrere Anfragen der DW ignoriert. Zum Thema Ethik und Internet aber äußerte er sich am vergangenen Donnerstag (10. Oktober) in der Sendung "Podcast Inkubator": "Ich glaube schon, dass ich Verantwortung trage", so Baka Prase, "aber mein erstes Ziel ist Entertainment. Ich bin hier, um das Volk zum Lachen zu bringen. (…) Wer gibt jemandem das Recht, meine Inhalte schlecht zu reden? Ich habe 500.000 Aufrufe pro Video und sie haben 5000. Das reizt sie."

Wer mehr Zuschauer hat, hat recht? Der YouTube-Algorithmus unterstützt diese Denkweise. Internet-Veteran Mihailo Tešić glaubt, dass sich YouTube deswegen - selbst wenn die Politik Druck mache - schwer tut mit extremen Inhalten, Hasssprache und Verschwörungstheorien umzugehen. "Es gab objektiv in der Geschichte noch nie eine solche Situation. Deshalb wissen wir nicht, wie wir damit umgehen sollen. Wir sind hilflos."

Klaus Dahmann von der DW Akademie ist sich sicher, dass ein altmodischer Ansatz hilft: Dialog. Deswegen, so Dahmann, habe man auch Youtuber wie Baka Prase zur Diskussion eingeladen. "Gerade, weil wir sie nicht direkt kritisieren, sondern eine Diskussion starten wollen. Wenn wir in der Zukunft sehen, dass sie für Diskussionen offen sind: immer gerne."

Bis dahin aber wird das Drama um "Drama" andauern. Bogdan Ilić kündigte für Samstag ein weiteres eigenes Lied an. Danach folgt mit Sicherheit eine neue Runde an Reaktionen - Streit inklusive. Aber wenigstens hat dieses neue serbische Drama ein wichtiges Thema in den  Vordergrund gestellt: Die Frage, wo die Meinungsfreiheit aufhört und wo Hasssprache und Mobbing anfangen.

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