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Sergej Rachmaninow

Anastassia Boutsko2. April 2013

Mal hieß es "Musik für den Unterleib". Dennoch ist die Popularität des russisch-amerikanischen Komponisten ungebrochen. Wir erinnern an den wahrscheinlich letzten großen Romantiker.

Portraitfoto Sergei Rachmaninow (Foto: imago/ITAR-TASS)
Bild: imago/Itar-Tass

2013 erinnern gleich zwei Daten an den Komponisten und Pianisten: Vor 140 Jahren, am 01. April 1873, wurde Sergej Rachmaninow im Oneg, dem Landgut seiner adeligen Familie, in der Nähe von Nowgorod geboren. Und vor 70 Jahren, am 28. März 1943, starb er an Krebs in Beverly Hills.

In seiner Heimat war der "Exilant und Verräter" nicht erwünscht, seine Musik wurde in den 30er Jahren offiziell boykottiert, was Rachmaninow sehr schmerzte. Sein letzter Wunsch war es, in russischer Erde begraben zu werden, auf dem Nowodewitschij-Friedhof in Moskau, neben seinem Freund, Mentor und Kollegen Sergej Tanejew. Der Wunsch ist nicht in Erfüllung gegangen; der amerikanische Staatsbürger Rachmaninow ruht auf dem Kensico-Friedhof in New York.

Rachmaninow-Portrait von Robert SterlBild: picture-alliance/Mary Evans Picture Library

Deutsche Spur

Der Einfluss deutscher Kultur auf das Schaffen des "russischsten aller Komponisten" wird oft unterschätzt. Die drei Jahre von 1906 bis 1909, die er mit seiner Familie in Dresden verbrachte, waren mehr als nur ein Intermezzo. In dem still gelegenen Haus in der Sidonienstraße suchte er vor allem Ruhe und Erholung – von den Revolutionswirren zu Hause in Russland und von den Strapazen der unzähligen Tourneen, die ihn als populären Klaviervirtuosen durch die ganze Welt führten.


In Künstlerkreisen der Elbmetropole schloss Rachmaninow zahlreiche Freundschaften – unter anderem mit dem impressionistischen Maler Robert Sterl, der ihn im April 1909 portraitierte.

Von "Salome" zur "Toteninsel"

Ein Schlüsselerlebnis war für Rachmaninow der Besuch in der Semperoper, wo er mit "Salome" zum ersten Mal ein Werk seines Zeitgenossen Richard Strauss erlebte. Unter dem Eindruck nahm Rachmaninow eine Oper in Angriff. "Monna Vanna" blieb jedoch unvollendet.

"Salome" in der Dresdener Semperoper, 1905Bild: picture-alliance/akg-images
Sir Simon - ein großer FanBild: picture-alliance/dpa

Dafür entstanden in Dresden drei seiner Schlüsselwerke: die Zweite Symphonie, die Rachmaninow als Komponisten weltberühmt machte, die Klaviersonate Nr. 1 und die symphonische Dichtung "Die Toteninsel", inspiriert vom gleichnamigen Bild von Arnold Böcklin.

Von wegen "Musik für den Unterleib"

Eine allzu große Rachmaninow-Liebe galt eine Zeitlang als suspekt: Die Musikkritiker schrieben von "sentimentaler Banalität", "gefühlvoller Jauche" und sogar von "Musik für den Unterleib". Das ist nicht nur der grundsätzlichen antiromantischen Gesinnung der Nachkriegsjahre zu verdanken. Der ebenfalls in Russland geborene, Amerikaner gewordene Komponist Igor Strawinsky polemisierte gegen die russische Spätromantik und stempelte Rachmaninows Werk als "grandiose Filmmusik" ab. Apropos Film: "Das verflixte siebte Jahr" vom Regisseur Billy Wilder, in dem Marilyn Monroe zu den Tönen von Rachmaninows 2. Klavierkonzert verführt wird, hat das Image des russischen Komponisten nachhaltig geprägt.

In den letzten anderthalb Jahrzehnten vollzog sich allerdings ein Wandel. "Die Beziehung der Deutschen zu Rachmaninow hat sich grundlegend geändert", stellte Andreas Wehrmeyer in einem DW-Interview fest. Der Regensburger Musikwissenschaftler und Autor einer Rachmaninow-Biografie ergänzte: "Früher bekam man Rachmaninows Musik in Deutschland nur selten zu hören. Inzwischen ist sie Teil des Stammrepertoires."

Dies ist, so Wehrmeyer, vor allem einer Vielzahl russischer Musiker in Deutschland zu verdanken, die Rachmaninows Musik lieben und auf hohem Niveau spielen. Nicht zu unterschätzen ist aber auch die "Wiederentdeckung" Rachmaninows durch Sir Simon Rattle und die Berliner Philharmoniker, die neulich "Die Glocken", Rachmaninows Hauptwerk, bar jeder Süffigkeit grandios interpretierten.

"Rachmaninows Aktualität besteht darin, dass er sich den üblichen Zumutungen des Aktuellen entzieht", meint Andreas Wehrmeyer.