Die Frau als Objekt der Begierde - ein gängiges Klischee der Werbebranche. Zur Vermarktung von Produkten erotisieren Fotografen den weiblichen Körper. Eine Ausstellung untersucht die Werbeästhetik der letzten Jahrzehnte.
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Sex Sells: Die Frau in der Werbung
Fotografen von Helmut Newton bis Guy Bourdin haben ihre Berühmtheit auch der Tatsache zu verdanken, dass sie Frauen als Objekte der Begierde porträtierten. Eine Ausstellung in Berlin zeigt ihre provokanten Werke.
Bild: Courtesy Ira Stehmann Fine Art
Künstlerisch oder übertrieben erotisch?
Die Marke Levi's wird nicht gerade mit eleganter Mode assoziiert. Bis Christophe Gilbert dieses Foto einer extrem dünnen Frau schoss, die sich verführerisch mit Farbe übergießt. Die Gruppenausstellung "Women on View" widmet sich der Erotisierung des weiblichen Körpers in der Werbefotografie von den 1940er Jahren bis heute.
Bild: Courtesy the artist
Anzügliche Safari
Franco Rubartelli schoss in den 1960ern viele einprägsame Fotos für das Vogue-Magazin, darunter 1968 dieses Bild seiner zweiten Frau Veruschka von Lehndorff in einem Kleid von Yves Saint Laurent. Entgegen der damaligen Meinung, Fotos wie dieses fingen den freien Geist der Zeit ein, werden sie heute für die Verdinglichung der Frau sowie für den im Kolonialismus verwurzelten Safari-Stil verurteilt.
Bild: Courtesy Ira Stehmann Fine Art
Sand und Sonne
Was hat eine Parfumflasche mit einem Sandstrand zu tun? Eigentlich nichts, aber in der Werbebranche wird diese kleine Flasche zum Symbol für einen begehrenswerten Lebensstil –dazu passt die gebräunte Frau in unterwürfiger Pose. Dieses Foto nahm Jean-Daniel Lorieuxs in den 1980er Jahren auf, als sexuelle Metaphorik in der Werbung stärker eingesetzt wurde als je zuvor.
Bild: Courtesy the artist
Provokative Pose
Ein häufig verwendetes und oft kritisiertes Werbemotiv ist die Verdinglichung bestimmter weiblicher Körperteile. In dieser Anzeige einer Unterwäsche-Marke aus dem Jahr 1998 zeigt Fotograf Marino Parisotto eine freizügig gekleidete Frau, die in provokanter Pose auf einem Bett liegt, während ihr Gesicht vollständig verhüllt ist.
Bild: Courtesy the artist
Den Traum leben
Eine Frau ganz in Rot gekleidet - eine Farbe, die automatisch Leidenschaft assoziiert - hält einen edlen Kerzenleuchter in der Hand. Das Foto der deutschen Fotografin Ellen von Unwerth ist ein Beispiel dafür, dass zeitgenössische Werbung eher eine Stimmung oder einen Lifestyle einfängt, statt das Produkt selbst zu zeigen - in diesem Fall Wodka.
Bild: Courtesy the artist
Sinnlich und schockierend
Der französische Fotograf Guy Bourdin war einer der berühmtesten Fotografen des 20. Jahrhunderts. Seine Bilder schmückten die Titelseiten des "Vogue"-Magazins und tauchten in zahlreichen Werbungen auf. Viele seiner Fotografien von Frauen sind sinnlich und schockierend zugleich.
Bild: The Guy Bourdin Estate 2018
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"Sex Sells" lautet eine der ältesten Mythen der Werbebranche. Die Gruppenausstellung "Women on View: Aesthetics of Desire in Advertising" in der "Galerie 36" in Berlin befasst sich damit, wie die Frau im Laufe der Jahrzehnte in der Werbung dargestellt wurde.
Zu sehen sind Fotografien von einigen der bekanntesten Mode- und Werbefotografen. Die Bilder sollen die Erotisierung des weiblichen Körpers in westlicher Werbung und ihren Einfluss auf die Gesellschaft kritisch beleuchten.
Weder der Feminismus der 1970er-Jahre noch die Debatte um #MeToo konnten die Erotisierung des weiblichen Körpers in der Werbung beenden. Von der frühen Produktwerbung in den 1940er Jahren bis hin zu hypersexualisierten weiblichen Formen in den 1990er Jahren: Es schweben noch immer spärlich bekleidete und unrealistisch perfekte, weibliche Formen über Fernseh- und Computerbildschirme, Plakate und die glänzenden Seiten von Zeitschriften.
Die Methoden der sexualisierten Werbung
Die Soziologin Esther Loubradou hat in Verbindung mit der Ausstellung eine Studie zu den Auswirkungen von sexualisierter Werbung veröffentlicht. Loubradou zeigt, dass Aufmerksamkeit erregen nur funktioniert, wenn eine Anzeige eine Reaktion unseres Gehirns hervorruft. Sexualisierte Werbung scheint all diese Voraussetzungen zu erfüllen, weil sie emotionale Bereiche des Hirns anregt, Tabus überschreitet und Grundbedürfnisse anspricht.
Einige der Aufnahmen in der Ausstellung kommen aus der Welt der Mode, aber nicht nur. Auch andere Produkte, wie Alkohol oder Parfum, machen Werbung mit Frauen in aufreizenden Posen. Werbungen verzichten immer mehr darauf, explizit für ein Produkt zu werben, viel mehr verkaufen sie ein Lebensgefühl.
Heutzutage verbreitet das Internet Bilder in rasanter Geschwindigkeit, und Marken und Werbetreibende werden dazu gezwungen, noch härter um Aufmerksamkeit zu kämpfen. Dieses Rennen hat zu Tabubrüchen geführt, besonders in der Welt der Modefotografie.
Fotografen wie Terry Richardson zeigen Frauen in Posen, die viele Kritiker als pervers und ausbeuterisch empfinden. Richardsons Karriere stürzte in sich zusammen, als die #MeToo-Bewegung aufkam. Jetzt muss sich der Fotograf einer Reihe von sexuellen Missbrauchsvorwürfen stellen. Richardson, aber auch andere Fotografen wie Mario Testino oder Bruce Weber, haben dem Ruf der Modeindustrie Schaden zugefügt.
Feminismus in der Werbefotografie?
Die deutsche Fotografin Ellen von Unwerth behauptet von sich, einen feministischen Zugang zu dem Thema zu haben: "Die Frauen in meinen Bildern sind immer stark, auch wenn sie sexy sind. Meine Frauen sehen selbstsicher aus. Ich versuche, sie so schön aussehen zu lassen wie möglich, weil sich jede Frau schön, sexy und mächtig fühlen möchte."
Die #MeToo-Bewegung hat vor über einem Jahr einen neuen Diskurs über Geschlechtergerechtigkeit in Gang gebracht. Doch kann dieser auch die Werbewelt verändern? Noch scheint ein Umdenken weit entfernt. Jedes dritte Werbebild, das eine Frau zeigt, muss als sexualisiert angesehen werden.
Die Ausstellung "Women on View: Aesthetics of Desire in Advertising" ist bis zum 27. April in der Galerie 36 in Berlin zu sehen.
Ellen von Unwerth: Provokante Modefotografie aus drei Jahrzehnten
Ellen von Unwerth zählt zu den berühmtesten zeitgenössischen Modefotografinnen. Sie rückt seit 30 Jahren selbstbewusste, und unabhängige Frauen in den Fokus und hat schon viele große Stars vor der Linse gehabt.
Bild: Ellen von Unwerth
Milch für Moss
"Starkes Storytelling ist definitiv ihr charakteristischer Stil", sagt Sebastien Plantin, Kurator der Ausstellung "Ladyland" in der Opera Gallery in London. Die Schau zeigt die Supermodels der 1990er Jahre, wie Kate Moss (Bild), Claudia Schiffer und Naomi Campbell, in verspielten, sinnlichen Aufnahmen, die unverkennbar Ellen von Unwerths Handschrift tragen.
Bild: Ellen von Unwerth
Vom Model zur Fotografin
Die 1954 in Frankfurt geborene Ellen von Unwerth verlor ihre Eltern, als sie noch ein Kleinkind war. Ein dramatischer Start ins Leben. Mit 20 änderte sich ihr Leben schlagartig, als ein Fotograf sie in München entdeckte und dazu einlud, vor der Kamera zu posieren. Sie zog nach Paris und arbeite zehn Jahre lang als Model, bevor sie ihre Liebe zur Fotografie fand.
Bild: Ellen von Unwerth
Durchbruch mit Claudia Schiffer
1989 arbeitete von Unwerth gerade als Fotografin für die britische Modedesignerin Katharine Hamnett. Im gleichen Jahr sollten zwei bedeutende Kräfte der Modeindustrie zusammenkommen. Ellen von Unwerth entdeckte Claudia Schiffer und trug wesentlich dazu bei, ihre Model-Karriere ins Rollen zu bringen - mit den Fotos zur Guess-Kampagne. Auch ihrer eigenen Karriere verlieh das Shooting einen Kick.
Bild: Ellen von Unwerth
Hinter der Maske: Nadja Auermann
"Ihre Bilder sind nicht nur ästhetisch schön, sie sind ebenso lehrreich, weil sie einen klugen Denkansatz über Weiblichkeit ausdrücken. In Ellens Bilderwelt stehen Frauen allein, sie haben die Kontrolle, sie sind selbstsicher und emanzipiert von Männern", erklärt Plantin, bezugnehmend auf von Unwerths Rolle innerhalb der #MeToo-Bewegung.
Bild: Ellen von Unwerth
Am Telefon: Naomi Campbell
"Ich organisiere meine Shootings immer wie Filme. Anfangs habe ich eine Erzählung im Kopf, das kann eine Mischung von Inspirationen sein, mit der ich arbeiten kann. Das heißt, ich schreibe eine kleine Geschichte, dann wähle ich dementsprechend die Models, eine Location und eine Crew aus. Am Set arbeite ich immer mit Musik, die zur Geschichte passt", berichtet von Unwerth im Ausstellungskatalog.
Bild: Ellen von Unwerth
"Ich liebe das Leben"
Von Unwerth ist dafür bekannt, authentische Momente festzuhalten. Sie fotografierte einfach weiter, während die Models dachten, das Shooting wäre schon zu Ende. "Meine kreative Philosophie ist ziemlich simpel und beinhaltet alles, was ich tue: Ich liebe das Leben und will es festhalten. Ich will es mit den Leuten teilen, jetzt und auch mit den kommenden Generationen."
Bild: Ellen von Unwerth
Haute Couture im Stadtpark
Von Unwerth lässt sich von verschiedenen Orten inspirieren. "Ich mache andauernd Fotos und ich denke immer über neue Erzählungen für meine Arbeit nach", sagt von Unwerth. "Ich bin glücklich, dass ich von so unterschiedlichen Quellen inspiriert werde: Kunst, Kino, Musik, Mode natürlich, aber auch ganz allgemein von Menschen, einer Straßenszene, Paparazzi-Bildern und anderen Dingen."
Bild: Ellen von Unwerth
Sinnlich: Lindsey Wixson
"Ursprünglich gab es einen anderen Titel für die Ausstellung", erklärt Plantin, der die Londoner Schau kuratiert. "Aber eines Tages rief mich Ellen an in einem ihrer "Eureka-Momente". Im Traum hatte sie den perfekten Namen für die Ausstellung gefunden: "Ladyland". Er steht sinnbildlich für die Wunderwelt, die ihre Fotos einfangen."
Bild: Ellen von Unwerth
"Was damals provokant war, ist heute normal"
Von Unwerth hat festgestellt, dass sich die Publikumsmeinung mit der Zeit verändert hat. "Die Reaktionen der Leute, ihre Empfindungen haben sich in den letzten Jahren enorm weiterentwickelt", sagte sie. "Was damals provokant war, gilt heute als normal. Als ich zum Beispiel vor 30 Jahren zwei Frauen fotografiert habe, die sich küssten, waren die Leute geschockt."
Bild: Ellen von Unwerth
Baum der Liebe
Ellen von Unwerth war Model vor der Kamera, bevor sie hinter die Linse wechselte. Diese Erfahrung unterscheide sie von ihren männlichen Kollegen, glaubt Plantin. "Manchmal scheinen männliche Fotografen weibliche Models zu bevormunden, während es mir bei Ellen so erscheint, als habe sie einen gleichberechtigten, unverfälschten, authentischen Zugang zu den Porträtierten."