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Glaube

Sexualität: Eine gewisse Scheu

26. Oktober 2018

Die Jugendsynode "Kirche und Jugend" mit vielen Bischöfen aus aller Welt zeigt sich beim Umgang mit Homosexualität wie die gesamte katholische Kirche: gespalten. Am Schluss wird gebremst. Christoph Strack aus Rom.

Vatikan Thomas Andonie übergibt Papst Franziskus Postkarten und Briefe
Bild: picture-alliance/Vatican New

"Beim Thema Homosexualität und Partnerschaft merkt man ganz stark, dass die Bischöfe eine gewisse Scheu haben, an das Thema heranzugehen." Seit gut drei Wochen ist Thomas Andonie, 27-jähriger Katholik, in Rom. Noch bis Sonntag findet die Jugendsynode statt. Er ist einer von gut 30 jungen Leuten aus aller Welt, die mit rund 260 Bischöfen bei einer Synode über "Kirche und Jugend" beraten. Zuversichtlich reiste Andonie, Vorsitzender des Bundes der deutschen katholischen Jugend (BDKJ) mit 600.000 Mitgliedern, an den Tiber. Und nun hat er gelernt. 

Vor dem Abschluss des Treffens kennt Andonie die Zurückhaltung der Bischöfe, wenn es um Themen der Sexualität geht. Bei wenigen Themen sind junge Leute und Kirche so weit voneinander entfernt - gerade bei der Bewertung von Homosexualität. Das zeigten schon kirchliche Umfragen unter jungen Leuten in aller Welt vor der Synode. Als das im Juni veröffentlichte Arbeitsdokument zu dem Kirchentreffen bei der Nennung "kontroverser Themen" wie Homosexualität und Genderfragen auch das Kürzel LGBT (für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender) verwendete, klingelten bei Konservativen die Alarmglocken. Erstmals überhaupt tauchte da das Kürzel LGBT in einem vatikanischen Dokument auf.

Eine Nicht-Beziehung

Ob LGBT im Abschlussdokument noch Erwähnung finden wird? Da sind Zweifel angebracht. Am Mittwoch kam der Münchner Kardinal Reinhard Marx mit drei Bischöfen aus Kamerun, dem Libanon und Polen zur täglichen Synoden-Pressekonferenz. Drei, vier Mal fragten Journalisten in mehreren Sprachen nach LGBT. Marx nahm die Bezeichnung nie auf.

Kardinal Reinhard Marx: Der Begriff LGBT ging ihm in Rom nicht über die LippenBild: DW/C. Strack

Katholische Kirche und Homosexualität - das ist eine Nicht-Beziehung, die in den letzten Jahren inniger wird. Beim Thema Sexualität akzeptiert Kirche nur heterosexuelle Beziehungen zwischen Mann und Frau und lehnt homosexuelle Liebe ab. Häufig geschah das in harten Worten. Andererseits hatte Papst Franziskus schon 2013 im Gespräch mit Journalisten vor jeder Verurteilung homosexueller Menschen und Beziehungen gewarnt. Es ist wie so oft: Die kirchliche Basis ist weiter als der Apparat, als die Bischöfe. In vielen westlichen Ländern feiern Seelsorger Gottesdienste für Homosexuelle. Denn gleichgeschlechtliche Katholiken gehören für sie natürlich zur Kirche.

Ein Impuls aus den USA

Das gilt gerade für die USA. Vor gut einem Jahr legte James Martin, einer der bekanntesten Jesuiten des Landes, ein Buch vor: "Building a Bridge". Es ist ein engagiertes Plädoyer für kirchliche Wertschätzung gegenüber schwulen und lesbischen, bisexuellen und transsexuellen Menschen. Der 57-jährige Martin löste damit heftige Kritik von konservativen US-Katholiken aus - die katholische Kirche in den USA ist konservativer als in Europa.

Das hält das Buch nicht auf. In diesen Wochen erscheint das Buch in fünf weiteren Sprachen, darunter Deutsch ("Eine Brücke bauen"), Spanisch und Italienisch. Im Schlussteil der deutschen Ausgabe würdigen neben anderen auch drei prominente US-Kardinäle das Buch als "mutig, prophetisch, inspirierend" oder "dringend benötigt". Dabei mahnt James Martin im Grunde nur: "Grenzt nicht aus, verurteilt nicht, nehmt jeden Menschen in seinem Wesen an!" Er verweist immer wieder auf das Wirken Jesu.

"Von einer Sprache der Sünde lösen"

Für den Jesuiten wäre es wichtig, dass die Jugendsynode auch LGBT-Menschen ansprechen würde. Viele von ihnen seien gläubig und zählten sich zur Kirche, sagte Martin der Deutschen Welle. "Ein wesentlicher Schritt für die Kirche wäre es, sich zu lösen von einer Sprache der Sünde und zu einer Sprache des Respekts, des Mitgefühls und der Empathie zu finden." Und wieder nennt er das Beispiel Jesu und dessen Offenheit, alle einzuladen: "Daran muss sich die Kirche erinnern."

Bei der Synoden-Pressekonferenz ist es mit dem Erinnern jedenfalls schwieriger. Kardinal Marx sitzt neben Bischof Andrew Nkea Fuanya aus Kamerun und Erzbischof Grzegorz Rys aus Polen. Beide sind deutlich jünger als er. Bei der wiederholten Nachfrage nach einer Öffnung gegenüber der LGBT-Community ergreift irgendwann Nkea das Wort. Wenn er in seiner Heimat nach der Synode vor 1000 jungen Leuten spreche und ihnen von einem Seelsorge-Konzept für LGBT-Menschen berichten würde, "dann werden 99,99 Prozent hinterher zu mir kommen und sagen: Was ist das?". 

Kaum hat er das auf Englisch gesagt, nuschelt Marx neben ihm in deutscher Sprache ins offene Mikrofon: "Bei uns auch." Mittel- und Osteuropäer oder Afrikaner betonen immer wieder, jede Synode sei ein globales Projekt und dürfe nicht westeuropäisch dominiert werden.

James Martin kennt solche Kritik. Er betont im DW-Interview, die LGBT-Frage sei "eine Angelegenheit der weltweiten Kirche. Auch wenn einige es vorrangig als westliches Thema sehen: Die Zahl der LGBT-Immigranten, die in westlichen Ländern leben und häufig vor Verfolgung in ihrer Heimat geflohen sind, zeigt doch, dass es die Kirche weltweit angeht."

Die Zerrissenheit der Kirche 

Da zeigt sich auch bei diesem Thema die Zerrissenheit einer Kirche, die von ihrer Idee her weltweit eins sein will und dabei in unterschiedlichen Zeiten zu leben scheint. Die Kirche wird von dieser Spannung nicht loskommen. So setzt die Glaubenskongregation, eine der für Papst Franziskus wichtigsten Vatikan-Behörden, in Deutschland den Rektor der Jesuiten-Hochschule Frankfurt-Sankt Georgen, Ansgar Wucherpfennig, unter Druck und bezweifelt dessen "Rechtgläubigkeit" beim Thema Homosexualität. Selbst katholische Bischöfe empören sich öffentlich und zeigen sich solidarisch mit dem Jesuiten.

In vielen Ländern, auch in Deutschland, kommt in der Debatte um sexuellen Missbrauch von Klerikern auch der Hinweis darauf, dass die männlichen Täter sich meist männliche Opfer suchten, dass Homosexualität dahinterstecke. Die Debatte um das Zölibat in heutiger Zeit, auch um die sexuelle Reife und Unreife junger Männer auf dem Weg zum Priesteramt spart man sich.

Vertritt in Rom 600.000 junge deutsche Katholiken: BDKJ-Vorsitzender Thomas AndonieBild: BDKJ-Bundesstelle/Christian Schnaubelt

So bleibt bis zum Schluss spannend, ob die bischöflich geprägte Jugendsynode das Thema LGBT zum Abschluss zumindest benennt. Kardinal Marx sagt jedenfalls schon mal - auf Deutsch und Englisch -, die Jugendsynode sei keine Synode über Sexualität und wolle sich nicht lehramtlich dazu äußern. Natürlich, sagt er, seien junge Leute in einer Phase, "wo sie ihre eigene Körperlichkeit finden". Aber das sei nur ein Aspekt unter vielen.

"...wo Liebe gelebt wird"

Thomas Andonie jedenfalls hofft trotz wachsender Zweifel noch auf den LGBT-Bezug im Abschlussdokument. "Ich würde es mir sehr wünschen, dass das drinsteht", sagt er der DW. Schließlich orientiere man sich doch an den Vorarbeiten, an denen der Vatikan weit mehr junge Leute beteiligt hatte. Die Synode müsse deutlich machen, "dass das Menschen sind, die nicht irgendwie komisch sind, sondern schlicht und ergreifend auch Heimat in Kirche suchen", und dass da Beziehungen seien, "in denen auch Liebe gelebt wird".

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