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Shai Terry: Carmen ist ihr größter Traum

Gero Schließ
20. Februar 2022

Die israelische Sängerin Shai Terry ist ein Naturtalent. Mit 13 Jahren sagte ihr die Gesangslehrerin, sie habe eine Opernstimme. Seit 2018 studiert sie in Deutschland und tritt erfolgreich auf.

Shai Terry im Halbprofil
Shai TerryBild: Privat

"Meine Stimme ist wirklich who I am",  sagt Shai Terry und setzt mit ihrem gewinnenden Lächeln noch einen drauf: "Das ist die komplette Shai: Meine Stimme, meine Konzerte, meine Auftritte." Wer die junge Mezzosopranistin aus Israel hört und sieht, zum Beispiel als Carmen auf der Bühne des Nationaltheaters in Belgrad, der hegt kein Zweifel an dieser Selbsteinschätzung.

Ihre Bühnenpräsenz lässt wohl keinen Zuschauer unberührt. Selbst wenn man Shai Terrys Belgrader Carmen aus dem Jahre 2021 nur in einem ton- und bildtechnisch bescheidenen Video auf YouTube nacherleben kann. "Carmen ist Carmen. Und ich denke, ich kann Carmen auch sein", sagt sie selbstbewusst.  

Carmen ist ihr größter Traum: Shai Terry singt die Partie im Nationaltheater Belgrad im Rahmen des Rossi Festivals Bild: Rossi Fest

Schon mit 13 eine richtige "Opernstimme"

Shai Terry ist ein Naturtalent. Schon im zarten Alter von dreizehn Jahren stellte ihre erste Gesangslehrerin fest, sie habe eine "richtige Opernstimme", erzählt die Sängerin. Der Weg von den frühen Anfängen bis zum Konzertexamens-Studium an der Mainzer Musikhochschule wirkt, von außen betrachtet, selbstverständlich und mühelos. Doch er war es keineswegs.

Für ihren Traum, einmal als Opernsängerin auf den Bühnen der Welt zu stehen, musste Shai Terry hart arbeiten, bis zum heutigen Tage. Und es ging auch nicht ohne Umwege und tiefgreifende Lebensentscheidungen. Im September 1991 wurde Shai Terry im Norden Israels geboren und wuchs dort in dem kleinen Küstendorf Schawai Zion auf. Ihr Vater und die beiden Schwestern sind zwar sangesfreudig, doch Terry ist die Erste in der Familie, die Musik zu ihrem Beruf machen will.

Schon als Kind liebte sie den großen Auftritt: Shai Terry im heimischen Wohnzimmer in IsraelBild: privat

Singen als Wehrdienst  

Ihre Entscheidung, Sängerin zu werden, hatte sich zwar schon während der Schulzeit angebahnt. Doch möglicherweise bedurfte es noch eines "Extra-Signals aus dem Universum", wie es Shai Terry formuliert. Dass dieser ermutigende Wink des Schicksals ausgerechnet vom Militär ausgesandt wurde, ist wohl eine israelische Besonderheit. Denn dort werden auch Frauen zum obligatorischen Wehrdienst eingezogen.

Der jungen Shai Terry gelang es damals auf Anhieb, als eine von drei Sängerinnen ins Militärorchester aufgenommen zu werden. Das hieß eben auch, vor dem israelischen Staatspräsidenten zu singen oder auf ausgedehnten Reisen etwa in den USA auf der Bühne zu stehen. Kein Wunder, dass die junge Frau daraus eine Bestätigung für sich selber zog.

Ohne die Familie wäre es nicht gegangen: Fern der Heimat fühlt sich ihr Shai Terry noch mehr verbundenBild: privat

Entscheidung für Deutschland

Im Sommer 2017 traf sie bei einem Meisterkurs in Jerusalem auf die Gesangspädagogin Professor Claudia Eder von der Hochschule für Musik in Mainz. Und erhielt die Einladung, in ihre Klasse nach Mainz zu kommen. "Ein Jahr später bin ich dann ganz alleine nach Deutschland umgezogen", erinnert sich Shai Terry.

An der Mainzer Musikhochschule hat sie zunächst erfolgreich ihren Master gemacht und bereitet sich jetzt für das Konzertexamen vor. Daneben absolviert Terry ihre Auftritte, etwa in der glamourösen Musik-Gala "Kol Esperanza" des israelischen Komponisten und Produzenten Tomer Adaddi, veranstaltet von der gleichnamigen israelisch-amerikanischen Stiftung. Oder auch als Gast jüdischer Gemeinden in Deutschland. Hier singt sie dann weniger das Opernrepertoire, sondern vor allem Lieder aus ihrer israelischen Heimat.

Viel Spaß an der Musik: Shai Terry mit ihren SchwesternBild: privat

Traditionen fürs Heimatgefühl

Für sie fühlt es sich natürlich an, in Deutschland auch auf Hebräisch zu singen. Damit erreicht sie auch jene Menschen, die der Sprache gar nicht mächtig sind. Sie sei "berührt und bewegt", wenn die Leute nach dem Konzert mit Tränen in den Augen zu ihr kämen und sagten, sie hätten "von meiner Stimme geweint, obwohl sie die Lieder gar nicht gekannt oder die Wörter verstanden haben."

Terry sieht sich als Teil eines Aufbruchs. Viele junge Israelis mit künstlerischen Ambitionen zieht es nach Deutschland, und hier vor allem nach Berlin. Ihre Erklärung ist schlüssig: "Israels Kunst- und Kulturszene ist wunderschön und sehr gut, aber auch klein, das wissen wir alle."

Shai Terry zu Gast im DW-Panel "Jüdisches Leben in Deutschland"Bild: JAN ROEHL/DW

Hier in Deutschland, fern der Heimat, werden Shai Terry nach eigenen Worten auch ihre israelisch-jüdischen Wurzeln wieder bewusster. Obwohl sie nicht gläubig sei, feiert sie wieder regelmäßig den Sabbat und denkt an die Familie: "Deswegen habe ich das dann auch oft mit Freunden gemacht und wollte ihnen diese Tradition beibringen."

Dritte Generation der Holocaust-Überlebenden

Shai Terry ist sich bewusst, dass sie der dritten Generation der Holocaust-Überlebenden angehört. Die Deutsche Geschichte und vor allem der Holocaust waren immer wieder Thema der Gespräche, die sie mit Großeltern und Eltern in der israelischen Heimat führte. Doch sie will sich hier in Deutschland bei allem Wissen um die dunklen Kapitel der Geschichte ihre Unbefangenheit erhalten.

Nur einmal wurde sie mit den langen Schatten der Vergangenheit konfrontiert: Nach dem tödlichen Anschlag auf die Synagoge in Halle im Oktober 2019, bei einem Konzert in der schwer bewachten Synagoge in Mainz. "Da hatte ich Angst, das war zum ersten Mal, dass ich nicht so frei auf die Bühne gegangen bin."

Shai Terry als Carmen auf der Bühne des Nationaltheaters in BelgradBild: Rossi Fest

Doch diese Erfahrung hat Shai Terry nicht daran gehindert, sich in Mainz zu Hause zu fühlen; mit dem Studium, ihren Freunden und jetzt auch ihrem Verlobten. Und hier möchte sie auch bleiben, sagt sie ohne zu zögern. Und hofft, dass sich irgendwann ihr "größter Traum" erfüllt; nämlich die Carmen und andere Paraderollen auf den großen Bühnen dieser Welt zu singen.

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