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Musik

Politische Karnevalslieder

19. Februar 2020

Kölner Musiker setzen Zeichen gegen Rechtsradikalismus und Antisemitismus. Einem jüdischen Karnevalsverein wird ein Lied gewidmet, andere fordern "Kein Kölsch für Nazis" und wehren sich offen gegen rechtes Gedankengut.

Köln Festival 'Birlikte - Zusammenstehen' in Köln | Rolly Brings
Rolly Brings auf dem "Birlikte"-Festival gegen rechte Gewalt im Juni 2016Bild: picture-alliance/Geisler-Fotopress/C. Hardt

"Eine Pappnase im Gesicht, eine Kippa auf dem Kopf: Shalom Alaaf Shalom!
Ob Christ oder Jude - heute sind wir alle bekloppt.
Hevenu Shalom Alechem - Wir wollen Frieden."

Die Botschaft kommt von dem Musiker Rolly Brings, einem Urgestein der Kölner Musikszene. Er hat das Lied "Shalom Alaaf" dem ersten jüdischen Karnevalsverein in Köln gewidmet: den "Kölschen Kippa-Köpp", gegründet 2017 und schon jetzt ein Symbol für Antirassismus und Antidiskriminierung im Kölner Karneval. Brings findet die Gründung eines solchen Karnevalsvereins "wunderbar und richtig", wie er im DW-Interview sagt: "Die Kölner Jüdinnen und Juden schotten sich nicht ab, sondern agieren, zusammen mit anderen Kölner Karnevalsvereinen, in der Öffentlichkeit - nach langer, langer Zeit!"

Beim Radiosender Deutschlandfunk Kultur hat Rolly Brings sein Lied live präsentiert. Hier (ab Minute 7:19) können Sie sich "Shalom, Alaaf" anhören.

Ein Lied, das Mut macht

Über 2000 Stolpersteine erinnern in der Domstadt an die Verfolgung der Kölner Jüdinnen und JudenBild: DW/F.Görner

Brings, der in den vergangenen Jahrzehnten viele Lieder über die Verfolgung und Ermordung jüdischer Kölnerinnen und Kölner geschrieben hat, möchte mit seinem neuen Lied nach vorne schauen: "Es war für mich an der Zeit, uns und den mit uns lebenden jüdischen Männern und Frauen ein Lied zu schreiben, das Mut macht, zusammen für die Liebe und das Leben in einer bunten, lebendigen und liberalen Demokratie einzustehen und dadurch den Antisemiten und Rechtsextremen zu zeigen, dass sie gegen uns Demokraten keine Chance haben." Nichts eigne sich besser dafür als der Kölner Karneval, so Rolly Brings. Und damit steht er nicht alleine.

Kölner Musiker zeigen offen Haltung

Inzwischen werden es immer mehr Kölner Musiker, die sich mit eindeutigen Botschaften auf die Karnevalsbühnen stellen. Mit dabei auch Brings' Söhne Peter und Stephan, die mit ihrer erfolgreichen Kölschrock-Band "Brings" nicht nur Partylaune verbreiten, sondern auch eine deutliche Sprache sprechen: "Mal sind wir weiß, mal sind wir schwarz, doch wenn es zu braun wird, dann gibt es Rabatz!"

Die Rockband "Brings" mit Rolly Brings' Söhnen Peter und Stephan gehört zu den erfolgreichsten Kölner Bands, nicht nur im KarnevalBild: Getty Images

Eine junge Newcomer-Band mit einem dunkelhäutigen Sänger wird für das Lied "Heimat" gefeiert, in dem es darum geht, dass auch Menschen mit dunkler Hautfarbe waschechte Kölner sein können. Die in Deutschland populäre Komikerin Carolin Kebekus schreit mit ihrer Frauenband "Beerbitches" Leuten, die mit rechten Parolen daherkommen, ein lautstarkes "Lass mich in Ruhe" entgegen. 

Die AG Arsch Huh, ein Kollektiv aus Musikern und Aktivisten der Bewegung "Arsch Huh, Zäng ussenander" (Hintern hoch, Zähne auseinander), wehrt sich in dem Lied "Su läuf dat he" (So läuft das hier) dagegen, dass AfD, Pegida und andere rechte und rechtspopulistische Gruppen die Lieder der Kölner über Heimat und Zusammenhalt auf ihren Veranstaltungen benutzen. Der Song gehört zu den beliebtesten Liedern in dieser Karnevalssession 2020.

"Klare Ansagen"

Rolly Brings erstaunt das nicht: "Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat sich in Köln eine Kölsch-Musiker-Szene etabliert, die äußerst sensibel auf gesellschaftliche Ereignisse reagiert, die immer auch politisch-soziale Auswirkungen haben. Es ist klar, dass viele - auch sehr populäre Bands - bei öffentlichen Auftritten entweder klare Ansagen gegen Faschismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus machen - oder aber in ihren Liedtexten klar und deutlich für das Leben und die Liebe - und gegen den Hass - singen."

Der offizielle Karneval spielt mit

Wie kommt das an bei den offiziellen Karnevalsgesellschaften? Den Traditionsvereinen sagt man eine gewisse Steifheit nach - das ändert sich allerdings seit einigen Jahren. Auch die Traditionsgesellschaften verjüngen sich - und sie brauchen die Musik der Kölner Bands für ihre Veranstaltungen. Und so werden auch die Künstler eingeladen, die sich offen politisch positionieren - was den als tradiert geltenden Vereinen ein jüngeres, moderneres Erscheinungsbild gibt.

Comedian Dave Davis macht als "Motombo" die Karnevalsbühnen unsicher und hält Rassisten einen Spiegel vorBild: picture alliance/Jazzarchiv/I. Schiffler

Für Rolly Brings ist das eine positive Entwicklung: "Ein gut gemachtes und mitreißendes Lied im Karneval, das für ein buntes, liberales, tolerantes und friedliches Miteinander steht, setzt im traditionellen Karneval ein deutliches Zeichen gegen den Hass - und dieses deutliche Zeichen wirkt sich auf das Profil der Karnevalsgesellschaften aus."

Wird nun auch das Motto politisch?

Als die AfD 2017 ihren Parteitag in Köln ausrichtete, zeigten auch traditionelle Brauhäuser FlaggeBild: DW/E. Schumacher

Jedes Jahr steht der Kölner Karneval unter einem besonderen Motto. Meistens ist es harmlos, wie etwa "Wir Kölschen tanzen aus der Reihe" oder aktuell "Unser Herz schlägt im Viertel". Rolly Brings' Sohn Peter hat angeregt, im nächsten Jahr ein politisches Motto auszurufen: "Kein Kölsch für Nazis". Diesen Spruch, haben viele Kölner Wirte und Kulturschaffende schon 2008 etabliert, als Aufmärsche von Rechtsradikalen in Köln angekündigt waren. Auch beim Parteitag der AfD in Köln 2017 verbreitete sich der Slogan, der bis heute deutlich in vielen Kölner Kneipen zu sehen ist.

Peter Brings bekommt viel Zuspruch für seinen Vorschlag, den Offiziellen ist er allerdings offenbar etwas zu progressiv: Man finde ihn zwar gut, wolle sich mit einem solchen Motto aber politisch nicht in eine Richtung drängen lassen, heißt es vom Festkomitee des Kölner Karneval.

Wenn es um Anti-Nazi-Demos geht, ist die Bewegung "Arsch huh, Zäng ussenander" in der ersten Reihe mit dabeiBild: picture-alliance/dpa/M. Simaitis

Karneval aber ist politisch - das sieht man jedes Jahr auf den Festwagen der Rosenmontagszüge. Für Rolly Brings ist deshalb klar, dass ein Motto, das sich klar gegen Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus richtet und gleichzeitig für Toleranz und ein buntes Miteinander wirbt, "ein gutes, richtiges und wichtiges Zeichen nach innen (Stadt, Region, Land) und außen (Europa und dem Rest der Welt) ist." Das gesellschaftliche Großereignis Karneval sei genau der richtige Ort, um ein Zeichen gegen alte und neue Nazi-Gedanken zu setzen. "Wir, die Familie Brings, haben nicht vergessen, wohin das einst geführt hat: Diktatur, Terror, Krieg, Massenmord."

Silke Wünsch Redakteurin, Autorin und Reporterin bei Culture Online
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