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"Sklaverei und ihre Folgen beenden"

Monika Griebeler / mak18. März 2014

Kann durch Sklaverei entstandenes Unrecht wieder gutgemacht werden? 14 karibische Staaten prüfen eine Klage gegen frühere europäische Kolonialmächte. Die Jamaikanerin Verene Shepherd kämpft für Reparationen.

Verene Shepherd
Bild: University of the West Indies

DW: Vor fast 200 Jahren endete in der von Großbritannien besetzten Karibik die Sklaverei. Der Gedanke, es könnte zu spät für Reparationszahlungen sein, ist für Sie unerhört, oder?

Verene Shepherd: Es erstaunt mich immer wieder, wenn die Europäer fragen "Wer sind die Opfer?" - wo wir doch direkt vor ihnen stehen! Die Leute sollten endlich begreifen, dass Sklaverei und Sklavenhandel Verbrechen gegen die Menschlichkeit waren. Im Internationalen Recht gibt es dafür keine Verjährungsfristen, egal wie lange es her ist.

Die Gemeinschaft der karibischen Staaten (CARICOM) prüft derzeit, ob die damaligen Sklavenhalter-Nationen, darunter Großbritannien, Frankreich und Spanien, für ihr Handeln zur Verantwortung gezogen werden können. Möglich erscheint sogar eine Klage vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Wie sehen die Pläne des #link:https://www.facebook.com/reparationscommissionja:Reparationen-Komitees# aus?

Unsere erste Strategie ist "Versöhnung, Vermittlung, Verhandlung". Deshalb rufen wir die Europäer dazu auf, sich mit uns an einen Tisch zu setzen. Wir wollen über die Geschehnisse der Vergangenheit diskutieren und darüber, welche Auswirkungen sie für die Gegenwart haben. Aber am Ende muss es natürlich darum gehen, wie der Schaden beglichen werden kann, den die Kariben erlitten haben. Ein Gerichtsverfahren wäre nur der Plan B.

Warum greift CARICOM das Thema gerade jetzt auf?

Es ist kein neues Unterfangen. Die Versuche, Reparationen zu erstreiten, gehen weit zurück. Als Historikerin würde ich sagen, dass die Sklaven schon damals durch ihren Protest und ihren Kampf für Gleichberechtigung deutlich gemacht haben, dass Sklaverei falsch ist.

Aber jetzt haben sich die Regierungen endlich der Koalition aus Zivilgesellschaft, Nicht-Regierungs-Organisationen und, im Falle Jamaikas, der Rastafari-Community angeschlossen. Diese gemeinsame Stimme ist stärker als vorher und deshalb wirkt es so, als sei es eine neue Bewegung.

Befreite Sklaven in Fort Augusta, Jamaika, 1857Bild: Getty Images

Bislang gab es nur wenig Anerkennung von Seiten der ehemaligen Kolonialmächte. 2007 sprach der damalige britische Premierminister Tony Blair von "tiefem Schmerz und Bedauern".

Ich möchte klarstellen: "Tiefer Schmerz und Bedauern" ist keine Entschuldigung. Wir fordern, dass die Länder, die am transatlantischen Handel mit Afrikanern und an der Plantagensklaverei beteiligt waren, ihre Schuld anerkennen und sich für das Unrecht entschuldigen.

Eine Entschuldigung zieht für gewöhnlich noch etwas nach sich. Was wäre es in Ihrem Fall?

Insgesamt haben wir einen Zehn-Punkte-Plan: Vor allem wollen wir eine Entschuldigung. Aber wir wollen unter anderem auch diese Themen ansprechen: den Genozid an Ureinwohnern, die Wiedereinbürgerung von Rastafari in Afrika, psychologische Traumatisierung, Entwicklung der Infrastruktur, Schuldenerlass und Investitionsmöglichkeiten.

CARICOM behauptet, die Sklaverei habe auch finanzielle Auswirkungen bis zum heutigen Tag. In welcher Weise beeinflusst sie die Wirtschaft in Jamaika?

Als wir uns 1834 emanzipierten und 1964 für unabhängig erklärten, wurde uns gesagt, wir sollten uns selbst um unsere Entwicklung kümmern. Aber wir hatten keinerlei Ressourcen, der Reichtum war einseitig verteilt.

Es war damals wie eine Art zweite industrielle Revolution für Banken, Versicherungen und das Transportwesen. Noch heute können viele Briten ihren Reichtum auf ihre Vorfahren zurückführen, die Plantagen in der Karibik hatten. Premierminister David Cameron ist zum Beispiel so ein Fall. Deshalb sind Briten und Spanier sehr wohl verantwortlich, denn während sie von der Entwicklung profitiert haben, blieb die Karibik unterentwickelt.

In dem berühmten Lied "Redemption Song" des Reggae-Sängers Bob Marley heißt es "Befreie dich von geistiger Sklaverei". Es ist ein Zitat aus einer Rede von Marcus Garvey, einem der sieben Nationalhelden Jamaikas. Garvey sagte dann aber weiter "Niemand außer uns selbst kann den Geist befreien". Was also können die ehemaligen Sklavenhalter denn in diesem Fall machen?

Die Karibik hat große Erfolge erreicht auf ihrem Weg, sich aus Versklavung und Kolonialismus zu befreien. Aber Rassismus und das Gefühl von Minderwertigkeit, das ist mentale Sklaverei.

Wir nennen es "Pigmentokratie", die uns die Europäer zurückgelassen haben: Auf den Sklavenlisten sieht man kaum afrikanische Namen. Die Leute erhielten westliche Vornamen wie Mary, Jane oder Sally. Damit nahmen die Europäer ihnen auch die Verbindung zu ihrer afrikanischen Heimat. Das ist mentale Sklaverei. Die muss gemeinsam überwunden werden.

Viele Jamaikaner sind arbeitslos, die Analphabetenquote ist hoch, die Kriminalität greift immer mehr um sich. Geben Sie der Sklaverei dafür die Schuld? Oder ist nicht doch schlechte Regierungsarbeit seit der Unabhängigkeit vor gut 50 Jahren dafür verantwortlich?

Nein, es ist unmöglich, in 50 Jahren die Korruption, die Ungerechtigkeit und all die anderen negativen Folgen der Sklaverei zu überwinden.

Die Aussicht auf Gerechtigkeit hat in der Karibik für große Aufmerksamkeit gesorgt. Vielen scheint es aber vor allem ums Finanzielle zu gehen. Besteht nicht die Gefahr, dass der Fokus nur noch auf Geldfragen liegt?

Die Medien waren wie besessen von der möglichen finanziellen Entschädigung. Wir sehen das anders. Egal, welche Summe genannt würde, sie wäre zu gering. Einige erinnern an die 20 Millionen Pfund Sterling, die den Plantagenbesitzern 1832 als Kompensation für den "Verlust" der Sklaven gezahlt wurden und fordern jetzt den heutigen Gegenwert dieser Summe als Wiedergutmachung.

Aber ich hoffe einfach, dass die Europäer unser Anliegen als gerechtfertigt anerkennen und mit uns verhandeln. Wir müssen nach vorne schauen, das Unrecht der Vergangenheit bereinigen und eine friedlichere Welt schaffen.

Verene Shepherd ist Vorsitzende der Nationalen Reparationen-Kommission in Jamaika. Seit 2010 ist sie Mitglied der UN-Arbeitsgruppe "Experten für Menschen afrikanischer Herkunft". Shepherd ist Direktor für Gender- und Entwicklungsstudien an der Universität der Westindischen Inseln in Kingston, Jamaika.

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