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Politik

Shermin Langhoff: Ein neues türkisches Exil

Thomas Spahn | Dana Alexandra Scherle
29. September 2018

Sie leitet das Berliner Gorki-Theater und ist die erste türkischstämmige Intendantin Deutschlands. Shermin Langhoff warnt im DW-Interview vor großen Gefahren in der türkischen Gesellschaft - und in der deutschen.

Shermin Langhoff Intendantin Maxim Gorki Theater im DW Interview
Bild: DW

Shermin Langhoff: "Grundgesetz ist poetisch und visionär"

12:00

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Regierungskritische Künstler, Journalisten und Karikaturisten aus der Türkei suchen Shermin Langhoffs Gorki-Theater in Berlin auf. Zum "neuen Exil", von dem die türkischstämmige Intendantin spricht, gehört auch der frühere Chefredakteur der Zeitung "Cumhuriyet", Can Dündar. Er lebt seit mehr als zwei Jahren in Deutschland und ist einer der Theaterkolumnisten des Gorki-Theaters. Shermin Langhoff hat das Stück "Diktator", das in der Türkei mit einem Auftrittsverbot belegt wurde, an ihr Theater nach Berlin geholt. Sie ist selbst in einer "Exilgemeinde von türkischen Intellektuellen" aufgewachsen, die nach dem Militärputsch von 1981 in Nürnberg lebten, sagt sie im DW-Interview: "Ich bin politisiert worden genau aufgrund der Unrechtserfahrungen meiner Familie in der Türkei - und diese Politisierung hat angehalten." Auch als Jugendliche sei es für sie "eine Selbstverständlichkeit gewesen", sich für Menschenrechte einzusetzen - sie nahm schon mit 14 an Anti-AKW-Demos und Friedensmärschen teil. 

Schon vor zwei Jahren forderte Shermin Langhoff Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem offenen Brief dazu auf, im Verhältnis zur Türkei mehr Mut zu zeigen. Der Brief habe keinesfalls an Aktualität verloren, betonte die Intendantin des Gorki-Theaters. Sie wünsche sich mehr Einsatz von der Kanzlerin für die inhaftierten Journalisten in der Türkei. Beim Thema Flüchtlinge sei immer davon die Rede, dass es einer Kooperation mit der Türkei bedürfe - "aber man kann nicht um jeden Preis solche Kooperationen pflegen und nicht um jeden Preis diese Abmachungen und diese Geschäfte machen", betont Shermin Langhoff. "Sie werden Konsequenzen haben nicht nur für die Außen- sondern auch für die Innenpolitik. Damit untergraben wir auch unsere Werte und Haltungen." 

"Nicht vorauseilend den Rechtsextremen folgen" 

Erdogan sei "nicht der erste Autokrat, den wir mit allen Ehren empfangen, weil wirtschaftliche und andere politische Herausforderungen anscheinend diese Notwendigkeiten - zumindest was unsere Politik denkt - schaffen". Daher sei der Besuch "nicht verwunderlich".  Allerdings habe sie die Besuche der Bundeskanzlerin in der Türkei vor den Wahlen "noch schwieriger" gefunden. 

Shermin Langhoff in ihrem Theater in Berlin Bild: picture-alliance/dpa

Shermin Langhoff beobachtet auch die Entwicklungen in Deutschland mit Sorge: Die "post-migrantische Gesellschaft", in der "Menschen verschiedener Herkunft, verschiedenen Glaubens, verschiedener Anschauungen, verschiedener Arten zu lieben" lebten, sei in Gefahr: Es gebe Kräfte - auch in der Mitte der Gesellschaft -, die auf eine Monokultur, auf eine einzige Heimat und deren Schutz, zielten. "Von Deutschland erwarte ich, dass wir aufhören, mit neuen Polizeiaufgabengesetzen und Heimatschutzministerien vorauseilend den Rechtsextremen und Rechtspopulisten zu folgen", betont Shermin Langhoff. Stattdessen "sollten wir uns des Grundgesetzes erinnern". Dieses sei "Sprache und Dichtung, poetisch und visionär", geschrieben "um den Frieden der Welt und Europas zu dienen in Zukunft." 

Das Grundgesetz bringt die polnische Regisseurin Marta Gornicka in einem von ihr bearbeiteten Libretto am 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit, vor dem Brandenburger Tor in Berlin zur Aufführung - mit einem Chor von 50 Berlinerinnen und Berlinern. Damit beginnt das Geschichtsfestival des Gorki-Theaters "War or Peace - Crossroads of History 1918 / 2018",  in dem es um das Erbe des Ersten Weltkriegs geht.  

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