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Politik

Shoppen gegen Corona

12. Juni 2020

Mit Milliardensummen will die Bundesregierung den Absturz der Wirtschaft abfedern. Die Idee dahinter: Die Bürger sollen wieder mehr einkaufen gehen. Ob das die Exportnation retten kann? Aus Berlin Sabine Kinkartz.

Shoppen, und das möglichst viel: Das unter anderem erhofft sich die Regierung vom Konjunkturpaket
Bild: picture-alliance/dpa/J. Haas

Schnelligkeit ist eigentlich kein Merkmal von politischen Prozessen. Aber in der Corona-Pandemie drückt die Bundesregierung aufs Tempo. Keine zehn Tage nach den Beschlüssen der Koalitionsrunde aus CDU, CSU und SPD hat das Bundeskabinett in einer Sondersitzung die ersten Gesetzesentwürfe zum 130 Milliarden Euro schweren Konjunkturpaket verabschiedet.

Die Mehrwertsteuer wird um drei Prozentpunkte gesenkt, für jedes Kind spendiert der Staat 300 Euro, Unternehmen dürfen die Verluste dieses Jahres mit den 2019 erzielten Gewinnen verrechnen und müssen dementsprechend weniger Steuern zahlen. Das sind nur drei von insgesamt 57 Maßnahmen, mit denen die in der Corona-Pandemie arg gebeutelte Wirtschaft gestützt werden soll.

Am 1. Juli soll das Geld fließen

Der letzte der "sehr gut, sehr ordentlich und sehr präzise" vorbereiteten Gesetzesentwürfe sei in der Nacht um 1.19 Uhr auf den Regierungsserver geladen worden, berichtete Bundesfinanzminister Olaf Scholz und fügte mit sichtlichem Stolz über die Schnelligkeit hinzu: "Wir können auch anders." Am 29. Juni sollen Bundestag und Bundesrat die Gesetze debattieren und beschließen.

Finanzminister Olaf Scholz (vorne) und Wirtschaftsminister AltmaierBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Nur zwei Tage später, am 1. Juli, soll das Konjunkturpaket starten. Allein durch die Mehrwertsteuersenkung, die bis zum 31. Dezember des Jahres gelten soll, sollen die Verbraucher 20 Milliarden Euro weniger bezahlen, wenn sie auf Einkaufstour gehen. Und das genau sollen sie. Die Regierung will den Konsum, der in der Pandemie eingebrochen ist, kurzfristig wiederbeleben. Denn obwohl die Geschäfte wieder offen sind, klagt der Einzelhandel über eine spürbare Kaufzurückhaltung.

Den Kinderbonus gibt es erst nach dem Urlaub

Die Bürger sparen ihr Geld lieber. Das ist auch statistisch feststellbar. Legten die Konsumenten 2019 noch 10,9 Prozent des verfügbaren Einkommens zur Seite, so waren es im ersten Quartal nach Angaben des Statistischen Bundesamtes außergewöhnlich hohe 16,9 Prozent.

Konsumanreize soll auch der Familienbonus bringen. Die versprochenen 300 Euro pro Kind werden im September und Oktober in zwei Tranchen zusammen mit dem Kindergeld ausgezahlt. Profitieren werden aber nur diejenigen, die nicht so viel verdienen. Ab einem bestimmten Einkommen müssen die 300 Euro bei der Steuererklärung verrechnet werden.

Auch Unternehmen sollen nicht abwarten

Doch nicht nur die Bürger, auch Unternehmen sollen ermuntert werden, auf Shoppingtour zu gehen. Wer einen neuen Lkw, einen Dienstwagen oder eine Maschine kauft, soll sie steuerlich besser absetzen und dadurch einiges an Geld sparen können. "Unternehmen sollen nicht abwarten, ob es besser wird, sondern sie sollen jetzt oder im kommenden Jahr investieren. Die Gelegenheit, es zu tun, ist jetzt besonders günstig", wirbt Minister Scholz. "Wir wollen mit aller Kraft aus der Krise raus und es bleibt dabei, unsere Maßnahmen haben 'Wumms' ", zitiert sich der Finanzminister selbst.

Die Bundesregierung geht davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 6,3 Prozent einbrechen wird. Die OECD ist pessimistischer und rechnet mit 6,6 bis 8,8 Prozent. Scholz, aber auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hoffen darauf, dass das Konjunkturprogramm schnelle Erfolge zeigen wird und "die Talsohle der konjunkturellen Entwicklung in der zweiten Jahreshälfte durchschritten" werden kann.

Wann kommen wieder Aufträge aus dem Ausland?

Die Minister wissen allerdings nur zu gut, dassder wirtschaftliche Erfolg Deutschlands unmittelbar davon abhängen wird, wie sich die Konjunktur in Europa und dem Rest der Welt entwickeln wird. Deutschland ist ein Exportland, ein großer Teil der Konjunktur hängt davon ab, was die Unternehmen ins Ausland verkaufen können.

Solange in der EU, in den USA und in China die Wirtschaft nicht rund läuft, bleiben auch die Aufträge aus dem Ausland aus. "Ich bin davon überzeugt, dass Deutschland ein Hoffnungsland sein kann", sagt Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. Die Bundesrepublik solle "Konjunkturlokomotive" sein und einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass die Wirtschaft weltweit wieder anspringt.

Was, wenn das Virus wiederkommt?

Doch was passiert, wenn es zu einer zweiten Infektionswelle in der Pandemie kommen sollte? Finanzminister Scholz sieht große Chancen, dass diese zumindest in Deutschland vermieden werden kann. Die Chance sei "sehr, sehr groß, dass wir daran vorbeikommen, dass uns diese große Problematik erreicht". Das Leben in der "neuen Normalität" mit dem Virus müsse so organisiert werden, dass es nicht zu einer zweiten Welle komme.

Müssen Betriebe wieder schließen, wenn die zweite Welle kommt?Bild: picture-alliance/dpa/F. Kästle

Wenn doch, sei das Land diesmal besser vorbereitet. "Wir kaufen weiter Materialien ein und haben Lager eingerichtet." In der kommenden Woche werde die Tracing-App vorgestellt. Insgesamt habe die Regierung "das Menschenmögliche getan", um "gut durch diese Zeit zu kommen und um eine zweite Welle zu verhindern".

Weitere 50 Milliarden neue Schulden?

Alles Menschenmögliche tun, dazu gehört auch, die Neuverschuldung der Bundesrepublik in bislang ungeahnte Höhen zu treiben. In der kommenden Woche soll ein zweiter Nachtragshaushalt verabschiedet werden. Insider sprechen von weiteren 50 Milliarden Euro, die der Finanzminister als Kredit aufnehmen will. Ob das stimmt, darüber schweigt Scholz. Im Moment werde noch vieles "im Stundentakt" verändert. "Mit Auskünften über die Höhe des Nachtragshaushalts ist das Ministerium berufsbedingt knausrig und dabei bleiben wir auch."

Ein großer Teil der Neuverschuldung, nämlich 25 Milliarden Euro wird in direkte Finanzhilfen für kleine und mittlere Unternehmen fließen. Neben dem Konjunkturpaket verabschiedete das Kabinett Überbrückungshilfen, die in den Sommermonaten insbesondere an Restaurants, Bars, Kneipen, Schausteller, aber auch Jugendherbergen, Schullandheime und Reisebüros ausgezahlt werden sollen. Also an jene Unternehmen, die in der Corona-Pandemie am längsten mit Beschränkungen leben mussten und weiterhin müssen. Sie können mit maximal 150.000 Euro pro Betrieb rechnen.

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