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Showdown für Ceta

Sabine Kinkartz, Berlin15. September 2016

Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada geht in die heiße Phase. In Kanada versucht Wirtschaftsminister Gabriel, letzte Hürden aus dem Weg zu räumen. Für ihn steht politisch viel auf dem Spiel.

Deutschland Demonstration gegen TTIP und CETA in Hannover
Bild: DW/S. Kinkartz

CETA, CETA und noch einmal CETA. Im Terminkalender von Sigmar Gabriel gibt es nichts, was derzeit mehr Raum einnimmt als das europäisch-kanadische "Comprehensive Economic and Trade Agreement". Der Bundeswirtschaftsminister ist Feuer und Flamme für CETA. Es sei ein gutes Abkommen. "Gegenüber Kanada haben wir exzellente Bedingungen durchsetzen können", freute sich Gabriel, noch bevor er sich auf den Weg nach Montreal machte, um letzte Absprachen mit Ministerpräsident Justin Trudeau und Handelsministerin Chrystia Freeland zu treffen.

Heraus kam die Bereitschaft der neuen kanadischen Regierung zu rechtsverbindlichen Klarstellungen beim Freihandelsabkommen. Solche "Klärungen" zu Details sollten die Kritiker vom Nutzen des Ceta-Abkommens überzeugen, sagte Handelsministerin Freeland nach dem Treffen mit Gabriel. In diesem Zusammenhang sei über Vorschläge in den Bereichen Investitionsschutz, Arbeitnehmerrechte und öffentliche Dienstleistungen einschließlich Beschaffung gesprochen worden, heißt es aus der Delegation des Bundeswirtschaftsministers.

"Eigentlich haben wir hier etwas in der Hand, was weit mehr ist als ein europäisch-kanadisches Verhandlungsabkommen", sagt Gabriel in Montreal. "Es ist der erste Schritt zu nachhaltigen, guten Regeln für die Globalisierung. An denen fehlt es."

Zwei Jahre auf Eis

Der EU sei mit den Kanadiern gelungen, was in den Verhandlungen mit den USA über das Freihandelsabkommen TTIP bislang gescheitert sei. "Wir haben keine privaten Schiedsgerichte mehr - die wollen die US-Amerikaner unbedingt", zählt Gabriel auf, "wir haben eine richtige Marktöffnung und die ist besonders wichtig für mittelständische Unternehmen - die verweigern die Amerikaner." Der Schutz der öffentlichen Daseinsvorsorge sei genauso verankert wie ein Recht auf Re-Kommunalisierung und Re-Verstaatlichung. "Wir haben den Schutz der Kulturförderung und vieles andere mehr."

Was Gabriel aufzählt, hat erst nachträglich Eingang in CETA gefunden. Das Abkommen, das durch den Wegfall von Zöllen sowie von Handelsbeschränkungen wie unterschiedlichen Standards und Normen das Wirtschaftswachstum ankurbeln soll, galt 2014 als technisch ausverhandelt. Wegen des wachsenden Widerstands in der europäischen Öffentlichkeit wurde es aber politisch auf Eis gelegt, denn die Kanadier wollten nicht nachverhandeln. Erst die Regierung Trudeau war nach ihrem Amtsantritt bereit, mit der EU strittige Punkte zu überarbeiten. Ein Prozess, der offiziell zwar beendet ist, doch hinter den Kulissen bewegt sich, wie sich zeigt, noch etwas.

Vor seinem Besuch in Kanada nahm Gabriel an einer Wirtschaftskonferenz in Argentinien teilBild: picture-alliance/dpa/Presidency of Argentina

Deutschland scheint dabei eine zentrale Rolle zu spielen. Wohl auch, weil für Sigmar Gabriel, der nicht nur Wirtschaftsminister und Vizekanzler, sondern auch SPD-Chef ist, viel auf dem Spiel steht. Er hat sich für CETA politisch weit aus dem Fenster gelehnt und setzt darauf, dass die SPD ihm auf diesem Weg folgt. Der SPD-Vorstand hat ihm bereits grünes Licht gegeben. Jetzt will sich Gabriel noch Rückendeckung von der SPD-Basis holen. Am kommenden Montag sollen 200 Delegierte auf einem kleinen Parteitag in Wolfsburg über CETA abstimmen.

Großdemos in sieben Städten

"Ich bin sicher, dass wir zum Thema EU-Kanada-Abkommen auf dem SPD-Konvent ein Votum bekommen werden, das mir die Zustimmung im Handelsministerrat ermöglicht", meint Gabriel und hat dabei die Konferenz der EU-Handels- und Wirtschaftsminister am 23. September in Bratislava im Blick. Sie sollen entscheiden, welche Teile von CETA ohne die Zustimmung der nationalen Parlamente Anwendung finden könnten. Geplant ist, dass CETA beim EU-Kanada-Gipfel am 27. Oktober in Brüssel unterzeichnet wird. Teile des Vertrags, denen nur die EU zustimmen muss, könnten dann vorläufig in Kraft treten. Wobei vorläufig wenig über die tatsächliche Zeitspanne aussagt, denn die Ratifizierung in den Mitgliedsländern könnte Jahre dauern.

Die Gegner des Freihandelsabkommens schäumen und haben für den 17. September zu Großdemonstrationen in ganz Deutschland aufgerufen. Unter dem Motto "CETA & TTIP stoppen - für einen gerechten Welthandel!" sollen zwei Tage vor dem SPD-Parteikonvent in sieben Großstädten Hunderttausende auf die Straße gehen.

TTIP und Ceta mobilisieren immer wieder Demonstranten, wie hier im April in HannoverBild: DW/S. Kinkartz

Die Veranstalter, zu denen Umwelt- und Verbraucherschützer, Sozialverbände und Gewerkschaften gehören, haben 3,4 Millionen Flyer verteilt und außerdem einen Brief an die SPD-Delegierten geschrieben, in dem sie den Parteikonvent zur Ablehnung des Abkommens aufrufen.

Aufmüpfige Basis

"CETA stärkt den ohnehin zu dominanten Einfluss der Konzerne und schwächt die demokratischen Rechte der Bürgerinnen und Bürger", heißt es in dem Schreiben, das unter anderem von Greenpeace, Foodwatch und dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) unterschrieben ist. Die Änderungen, die nachträglich in das Abkommen aufgenommen worden seien, seien nicht mehr als Augenwischerei.

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Für Sigmar Gabriel sind das keine guten Aussichten. Vier Landesverbände der SPD und der gesamte linke Flügel der Partei lehnen die beiden Freihandelsabkommen nach wie vor kategorisch ab. Rechtlich wäre ein "Nein" auf dem Parteikonvent für den Wirtschaftsminister zwar nicht bindend. Dennoch würde es Sigmar Gabriel schwächen. Immerhin ist er der Parteivorsitzende und er will aller Voraussicht nach im kommenden Jahr als Kanzlerkandidat der SPD antreten.

TTIP - ein Bauernopfer?

Da wundert es nicht, dass Gabriel alle Register zieht, um der SPD CETA schmackhaft zu machen. So setzt er sich beispielsweise seit Monaten Stück für Stück immer weiter von TTIP, dem "Transatlantic Trade and Investment Partnership" zwischen der EU und den USA ab, das er lange Zeit vehement verteidigt und für notwendig erachtet hatte. Das Kalkül dahinter scheint klar: Den Forderungen der Gegner teilweise nachgeben und TTIP fallen lassen, um wenigstens CETA zu retten.

TTIP sei "de facto gescheitert, auch wenn es keiner so richtig zugibt", sagte Gabriel Ende August. Dafür erntete er reichlich Kritik, auch aus dem Bundeskanzleramt. "Ich bin dafür, dass wir das Ende der Verhandlungen abwarten und dann eine Bewertung vornehmen", sagte Angela Merkel. Alles, was Arbeitsplätze schaffen könne, müsse unterstützt werden. "Das Freihandelsabkommen gehört dazu."

Die politisch unkluge Kanzlerin

Doch Sigmar Gabriel ließ sich nicht beirren. "Weiterhin der Fiktion hinterher zu laufen, als ob mit den Amerikanern, die absolut nicht in der Lage und bereit sind, europäischen Anforderungen nachzugeben, ein Verhandlungsergebnis in diesem Jahr zu erreichen und damit ständig irgendwelche Demonstrationen zu beschäftigen, halte ich für keine, sagen wir mal, Maßnahme politischer Klugheit", keilte er zurück.

Ob ihn das in den Augen seiner Partei tatsächlich glaubwürdiger macht? Die Abstimmung in der SPD am Montag wird hinter verschlossenen Türen stattfinden. Aber es könnte auch sein, dass am Ende doch noch alles anders kommt. Hinter den Kulissen wird auch darüber spekuliert, dass Kanada eventuell weiteren Verhandlungsbedarf anmelden und damit den Weg für Nachverhandlungen bereiten könnte.

Dann könnte das Abkommen zwar nicht wie geplant im Oktober in Kraft treten. Die in der Öffentlichkeit kritisch beurteilten Punkte von CETA könnten dann aber noch einmal neu beleuchtet werden. Vielleicht auch unter Einbeziehung der bisherigen Gegner. "Es ist ein Abkommen, bei dem die EU und Kanada ganz nah beieinander liegen", sagte Wirtschaftsminister Gabriel kürzlich, fügte allerdings hinzu, es gebe noch einige wenige Bereiche, "von denen ich mir sicher bin, dass sie auch im Beratungsprozess des europäischen Parlaments noch einmal aufgemacht werden." Aller Tage Abend scheint bei CETA tatsächlich noch nicht erreicht zu sein.

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