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PolitikUkraine

Abkommen als Brücke zur NATO-Mitgliedschaft der Ukraine?

11. Juli 2024

Seit Januar hat die Ukraine 21 Sicherheitsabkommen mit westlichen Partnerländern unterzeichnet. Welche Vorteile bieten sie? Die DW hat bei Experten nachgefragt.

Flaggen der Ukraine und der NATO wehen im Wind
Die NATO- und die Ukraine-Flagge sind sich schon mal ziemlich nahe: Eine feste Zusage der Allianz gibt es jedoch bislang nicht für das Land Bild: Petras Malukas/AFP/Getty Images

Der NATO-Gipfel in Litauens Hauptstadt Vilnius im Juli 2023 endete für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mit einer Enttäuschung: Keine Einladung für eine Mitgliedschaft der Ukraine und auch kein konkreter Fahrplan. Stattdessen unterzeichneten die Staats- und Regierungschefs der G7-Staaten, die Präsidenten des Europäischen Rates und der Europäischen Kommission eine gemeinsame Erklärung zur Unterstützung der Ukraine

Laut dem Dokument wird mit der Ukraine "an konkreten bilateralen langfristigen Verpflichtungen und Vereinbarungen im Bereich der Sicherheit" gearbeitet. Das Büro des Präsidenten der Ukraine bezeichnet diese Vereinbarungen als "Sicherheitsabkommen".

Seitdem hat sich viel getan. Die Ukraine kann beim jetzigen NATO-Gipfel, der anlässlich des 75. Jahrestages der Gründung der Allianz in der US-Hauptstadt Washington stattfindet, bereits 21 unterzeichnete Sicherheitsabkommen vorweisen. Doch was haben sie bislang gebracht? 

Abkommen mit Großbritannien als Vorbild

Großbritannien war das erste Land, mit dem die Ukraine ein solches Abkommen geschlossen hatte. Es sieht Hilfe beim "Schutz" und der "Wiederherstellung der international anerkannten Grenzen" vor. Das Mitte Januar 2024 unterzeichnete Dokument diente laut Oleksandr Krajew vom nichtstaatlichen Forschungszentrum "Foreign Policy Council 'Ukrainian Prism'" als Vorbild für weitere Sicherheitsabkommen.

Großbritannien habe bei der Zuweisung von Mitteln im Sicherheitsbereich "den Ton angegeben", sagte Krajew. Außerdem habe das Land bestimmt, dass jedes Abkommen die Unterstützung des NATO-Beitritts der Ukraine enthalten sollte.

Alle G7-Staaten und ein großer Teil der EU-Länder haben bereits ein Sicherheitsabkommen mit der Ukraine geschlossen. Unabhängig davon wurden Ende Juni "Gemeinsame Sicherheitszusagen zwischen der Ukraine und der Europäischen Union" vereinbart. Das jüngste bilaterale Sicherheitsabkommen wurde mit Polen während des Besuchs des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Warschau am 8. Juli unterzeichnet. Gerade an diesem Tag führte Russland einen weiteren verheerenden Raketenangriff auf ukrainische Städte durch.

Präsident Wolodymyr Selenskyj und Premier Donald Tusk unterzeichneten erst vor Tagen ein ukrainisch-polnisches SicherheitsabkommenBild: Radek Pietruszka/PAP/dpa/picture alliance

"Wer heute die Ukraine verteidigt, verteidigt auch sich selbst", sagte der polnische Premierminister Donald Tusk.  Er sicherte zu, dass die Ukraine bei ihrer Bestrebung, NATO-Mitglied zu werden, auf die Unterstützung Polens zählen könne. Der ukrainische Präsident sagte, man wolle einen Mechanismus ausarbeiten, um von Polen aus russische Raketen und Drohnen über der Ukraine abzuschießen, die dicht an Polen herankommen. 

Jedes Abkommen hat seine Besonderheiten

Alle Sicherheitsabkommen enthalten Verpflichtungen zur militärischen, finanziellen und humanitären Unterstützung der Ukraine. "Gemäß den Abkommen verpflichten sich die Länder, der Ukraine Zugang zu bestimmten Technologien zu gewähren, in die Verteidigungsindustrie zu investieren und die Fähigkeiten zur Verteidigung auszubauen", erläutert Oleksandr Krajew.

Dennoch haben sie ihre Besonderheiten. So befassten sich die Deutschen beispielsweise mit Panzern für die Streitkräfte der Ukraine, die Litauer, Letten und Esten mit der Infanterieausbildung und Cybersicherheit, die Italiener mit Spezialeinsätzen und der Artillerieausbildung und die Franzosen mit Flugzeugen und U-Booten. "Jedes Land hat sein Abkommen entsprechend seinen Fähigkeiten und Prioritäten erarbeitet", so Krajew.

"Eher psychologische als materielle Funktion"

Allerdings hätten die Sicherheitsabkommen "eine eher psychologische als materielle Funktion", meint Jamie Shea, Senior Fellow bei der Brüsseler Denkfabrik Friends of Europe. Dem ehemaligen britischen NATO-Funktionär zufolge wurde die Hilfe, von der in jedem Abkommen die Rede ist, "bereits auf bilateraler Ebene geleistet",  beispielsweise im Rahmen der tschechischen Initiative zur Versorgung der Ukraine mit 155-mm-Munition, über den Europäischen Friedensfonds, über NATO-Kanäle oder im Rahmen des Pakets militärischer und finanzieller Hilfe der USA in Höhe von 60 Milliarden Dollar. "Die Abkommen generieren keine neue Hilfe für die Ukraine, sie schreiben fest, was bereits getan wird", so Shea.

Eine "Überbrückung" bis zur NATO-Mitgliedschaft der Ukraine

"Die Abkommen werden unterzeichnet, um der Ukraine gewisse Garantien zu geben, aber es wäre falsch, sie als Sicherheitsabkommen zu bezeichnen, denn keines von ihnen bietet der Ukraine etwas Ähnliches wie Artikel 5 des Nordatlantikvertrags", sagt Shea der DW. Nach Ansicht des Experten stellen die Abkommen während des russischen Angriffskrieges eine Überbrückung bis zu einer NATO-Mitgliedschaft der Ukraine dar, für die es noch keinen festen Termin gibt.

Die Staats- und Regierungschefs bei den Feierlichkeiten zum 75. Jubiläum der NATO in Washington, D.C.Bild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

"Präsident Selenskyj ist es jetzt wichtig zu zeigen, dass die Ukraine weltweit Unterstützung genießt", betont Shea. Angesichts der schwierigen Lage an der Front werde nach langfristiger Hilfe gesucht. "Die NATO will zwar keinen Termin für eine mögliche Mitgliedschaft nennen, aber die Abkommen zeigen, dass der Westen der Ukraine nicht müde wird und gewisse Garantien gewährt; dass es sich um eine langfristige Unterstützung handelt", so Shea.

Der Leiter der ukrainischen Ilko-Kutscheriw-Stiftung "Demokratische Initiativen", Petro Burkowskyj, findet, dass die unterzeichneten Sicherheitsabkommen eine gute Basis zur Aufnahme von Friedensverhandlungen seien, die die Kriegsparteien früher oder später aufnehmen müssten. "Auf den Abkommen basiert der Konsens der Partner, damit sie unabhängig von Machtwechseln nicht doch noch auf die von Russland betriebenen Bedingungen für Verhandlungen eingehen", so Burkowskyj gegenüber der DW.

Adaption aus dem Ukrainischen: Markian Ostaptschuk

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