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"Reisen bleibt gefährlich"

Rolf Wenkel14. März 2016

Wieder Tote durch einen terroristischen Angriff auf ein touristisches Ziel: Dieses Mal traf es den Badeort Grand-Bassam in der Elfenbeinküste. Ein Interview mit dem Sicherheitsexperten Jörg Trauboth.

Elfenbeinküste nach dem Anschlag
Bild: Getty Images/AFP/S. Kambou

In der Elfenbeinküste haben am Sonntag (13.03.2016) bewaffnete Angreifer Menschen in drei Urlauberhotels und an einem Strand angegriffen, 18 Menschen wurden getötet, auch die drei Attentäter kamen ums Leben. Im Januar wurden beim einem Anschlag in Istanbul vor der Blauen Moschee elf deutsche Urlauber getötet. Viele Tote gab es zudem bei einem Terrorüberfall im tunesischen Badeort Sousse und in Ägypten beim Absturz einer mutmaßlich von Terroristen abgeschossenen russische Passagiermaschine.

Kein Wunder, dass die Buchungszahlen für Urlaube in Ländern wie der Türkei, Ägypten oder Tunesien stark zurückgegangen sind. Auf der am Wochenende zu Ende gegangenen Internationalen Tourismusbörse (ITB) in Berlin versuchten Veranstalter und Aussteller die Sorgen der Besucher zu zerstreuen. Der Sicherheitsberater und Sachbuch-Autor Jörg Trauboth findet das bedenklich. Rolf Wenkel hat mit ihm gesprochen.

DW: Herr Trauboth, Sie werfen den Reiseveranstaltern und dem Deutschen Reiseverband vor, den Terrorismus als "dunkle Wolke" anzusehen, die hoffentlich bald verschwinden wird. Reicht das ihrer Meinung nach aus?

Trauboth: Nein, ganz und gar nicht. Es besteht der Eindruck, dass die Hotels und Reiseveranstalter, insbesondere in der Türkei, mit "low budget"-Angeboten versuchen, verlorene Urlauber wieder in das Land zu locken. Hier wird meiner Ansicht nach zu sehr nach dem Grundsatz verfahren: Augen zu und durch. Für mich ein erschreckender Zustand. Der deutsche Tourist mit seinen Ängsten wird nicht genügend erst genommen.

Jörg H. TraubothBild: privat

Aber die Erfahrung hat doch gezeigt, dass die Touristen auch nach schrecklichen Anschlägen, wenn nur genug Zeit vergangen ist, wiederkommen, die Engländer vielleicht etwas früher, die Deutschen etwas später.

Ja, das ist richtig. Das galt in der Vergangenheit. Doch 2015 hatten wir ein Schreckensjahr mit mindestens 18 Terroranschlägen und fast 1000 Toten. Die Türkei, Ägypten und Tunesien waren aus touristischer Sicht besonders betroffen. Angenommen, wir hätten nun 2016 keine Anschläge mehr, dann könnte auch ich mir vorstellen, dass die so genannte "dunkle Wolke" tatsächlich vorbei zieht. Doch dem ist nicht so. Wir haben in 2016 bis heute bereits 13 Terroranschläge mit über 200 Toten - von den vielen Verletzten ganz zu schweigen.

Haben diese Anschläge speziell auf Urlaubsziele Ihrer Meinung nach Methode?

Ja, das ist das was mich am meisten bestürzt. Es ist eine Konzentration auf Touristen. Der Anschlag von Grand-Bassam erinnert tatsächlich stark an das Blutbad am 26. Juni letzten Jahres bei Sousse in Tunesien, bei dem 38 Menschen, darunter ja auch zwei Deutsche, starben. In Sousse kam übrigens der Täter mit dem Boot als harmloser Typ mit einem Sonnenschirm unter dem Arm scherzend an den Strand.

Sie sagen, die Veranstalter hoffen auf eine dunkle Wolke, die bald wieder geht ansonsten haben sie Sonderangebote. Das heißt, Sie vermissen bei den Veranstaltern "nachhaltige Sicherheitskonzepte". Wie sollten diese Konzepte denn aussehen?

Ja, ich sehe die Sicherheitsverantwortung für den Urlauber in Zukunft auf zwei Ebenen: Ersten, der Urlauber selbst sollte sich nicht zu sehr auf die Reiseveranstalter verlassen sondern sehr genau recherchieren, welche Länder riskant sind. Allerdings wohl wissend, dass ein Terroranschlag überall passieren kann.

Sie sprachen von zwei Ebenen der Sicherheitskonzepte. Was ist denn die zweite Ebene?

Die zweite Ebene, die Reiseveranstalter verstehen sich als private Dienstleister und geben die Sicherheitsverantwortung sehr gerne an staatliche Organe ab. Das darf in Zukunft einfach nicht mehr sein. Die Reiseveranstalter müssen davon wegkommen, dass die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes das Maß aller Dinge sind. Denn diese Warnung kommt doch erst, wenn etwas passiert ist. Dann ist es für die Betroffenen zu spät. Reiseveranstalter müssen eine eigene Sicherheitsabteilung haben, in denen, wie ich denke, ähnlich wie in großen Firmen, eine eigene Lagebeurteilung gemacht wird, bevor man eine Reise verkauft. Dazu gehört auch die Sicherheitsanalyse und Prüfung der Hotels, ob die Anlage überhaupt als geschützt gelten kann.

Das stelle ich mir ein bisschen komisch vor, dass man als Urlauber hinter Stacheldraht in einem Urlaubsghetto streng bewacht wird, nach dem Motto: die Ehrlichen werden eingesperrt und die bösen Buben laufen draußen frei herum.

Ja, da ist schon etwas dran. Wer Urlaub macht, der hat ja irgendwo auch diesen Wohlfühlgedanken und der möchte nicht viel Geld dafür investieren, dass er am Strand von Menschen mit Schnellfeuergewehren bewacht wird. Aber es gibt eine diskrete Lösung und ich glaube auch, dass wir derzeit lernen, mit Sicherheitskräften anders umzugehen, sie mehr zu akzeptieren als das in der Vergangenheit war. Sie werden sehen, wenn die Europameisterschaft in Paris laufen wird, da werden ganze Kompanien von Sicherheitskräften zum Schutz der Zuschauer abgestellt sein. Und man wird das dort zumindest als positiv empfinden.

Jörg Helmut Trauboth ist ein deutscher Autor, international tätiger Krisenmanager und ehemaliger Generalstabsoffizier der Luftwaffe, zuletzt im Rang eines Oberst.

http://trauboth-autor.de/

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