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Politik

Anschlag entspricht IS-Strategie in Europa

Helena Kaschel
23. März 2017

Die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) hat den Anschlag in London für sich beansprucht. Schon vorher waren Experten sich einig: Angriffe, die sich kaum verhindern lassen, gehören zur Strategie des IS in Westeuropa.

London Tag danach
Bild: Getty Images/C. Court

Einen Tag nach dem Terroranschlag im Herzen der britischen Hauptstadt, bei dem drei Menschen getötet wurden, hat der "Islamische Staat" (IS) die Attacke für sich beansprucht. Ein "Soldat" des IS habe den Angriff durchgeführt, ließ die Terrormiliz über ihr Sprachrohr Amak verlauten. Schon vorher war die Londoner Polizei von einem islamistischen Hintergrund ausgegangen. Der Attentäter sei dem Aufruf gefolgt, Bürger aus Staaten der internationalen Allianz gegen den "Islamischen Staat" anzugreifen, hieß es in der Bekennerbotschaft, die auf IS-nahen Social-Media-Seiten geteilt wurde.

Peter Neumann leitet seit 2008 das International Centre for the Study of Radicalisation am Londoner King's CollegeBild: Getty Images/AFP/H. Fohringer

Internationale Sicherheitsexperten hatten damit gerechnet, dass noch mehr Zeit verstreichen könnte, bis eine islamistische Terrorgruppe den Anschlag für sich beanspruchen würde. Der Politikwissenschaftler und Experte für islamistischen Terrorismus Peter Neumann hatte in einem Interview mit dem Deutschlandfunk gesagt, die Behörden müssten bis zu zwei Tage auf ein solches Bekenntnis warten. 

Ob der Täter im Alleingang oder im direkten Auftrag des IS handelte, geht aus der Amak-Botschaft nicht hervor. Auf Twitter erklärte Neumann, die Tatsache, dass der Attentäter britischer Herkunft und von Geheimdiensten als Randfigur der islamistischen Szene beobachtet worden sei, entspreche fast allen anderen von Einzeltätern verübten Anschlägen der vergangenen Jahre.

Die rumänisch-amerikanische Journalistin Rukmini Maria Callimachi, die für die "New York Times" über den IS und Al-Qaida schreibt, wies in einem Tweet auf die Bedeutung des Begriffs "Soldat" hin. "Schauen wir uns den Kern der Botschaft an: Der IS nennt den Täter einen Soldaten des Islamischen Staates. So nennen sie jeden, der in ihrem Namen einen Anschlag verübt".

Terror in den Köpfen

Aber auch ohne eine offizielle IS-Botschaft habe es nach Angaben der Experten genug Hinweise auf einen islamistischen Hintergrund gegeben. "Wir wissen, dass das Muster des Anschlages gestern genau das ist, was wir auch verschiedenen Orts gesehen haben, zum Beispiel in Nizza, in Berlin, in den letzten drei Jahren überall sonst in Europa", sagte Peter Neumann im Deutschlandfunk. Die Wahl der Waffen - ein Auto und ein Messer - entspreche "den Instruktionen, die der IS seinen Leuten im Westen in den Propaganda-Schriften empfohlen hat", erklärte der Sicherheitsexperte Florian Peil gegenüber der WirtschaftsWoche.

Anschläge dieser Art ließen sich kaum oder gar nicht verhindern. "Gerade, weil so ein Angriff technisch so einfach ist und kaum Kommunikation benutzt wird, ist es für Ermittler sehr schwierig, etwas auszumachen und zu versuchen, es zu verhindern. Es nahezu unmöglich es aufzuhalten", sagte der britische Kriminalitäts- und Sicherheitsexperte David Lowe von der Universität Liverpool gegenüber der DW.

Mit dieser Strategie passe der IS seine Taktiken den Gegebenheiten in Westeuropa an, so Neumann. In Großbritannien sei es "sehr schwierig geworden in den letzten zehn Jahren, einen komplexeren terroristischen Anschlag durchzuführen, weil die Behörden sehr gut sind." Dem Terrorismus gehe es darum, Terror zu erzeugen, "und nichts erzeugt mehr Terror als das Gefühl der Bevölkerung, total hilflos zu sein und etwas ausgesetzt zu sein, was im Prinzip niemand verhindern kann. Es kann niemand verhindern, dass sich jemand ein Auto und ein Messer schnappt", erklärte Neumann.

Jubel auf IS-nahen Social-Media-Kanälen

Auch die Reaktionen von IS-Anhängern in den sozialen Medien hatten schon frühzeitig für einen islamistischen Hintergrund des Londoner Terroranschlags gesprochen. "Zahlreiche IS-nahe Kanäle verbreiten Echtzeit-Updates der Ereignisse in London. Wir haben das nach Paris gesehen, nach Nizza, nach Orlando etc", schrieb Callimachi am Tag des Anschlags auf Twitter. Pro-IS-Accounts hätten das Attentat "bejubelt", so die Journalistin.

 

Sollte sich der IS zu dem Anschlag bekennen, hatte Callimachi getwittert, sei dies der erste bedeutende Schlag der Terrormiliz gegen das Vereinigte Königreich. "Die gängige Theorie ist, dass das Vereinigte Königreich sich vom europäischen Festland unterscheidet, weil es dort strengere Waffengesetze gibt und der Ärmelkanal das Schmuggeln erschwert. Aber Interviews mit verurteilten IS-Kämpfern deuten darauf hin, dass der IS Schwierigkeiten hatte, in Großbritannien Leute zu rekrutieren", erklärte Callimachi.

Festnahmen in London und Birmingham

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Lob für Polizei und Sicherheitsbehörden

Hinzu komme die herausragende Arbeit der britischen Sicherheitsbehörden, gab Peter Neumann im Interview mit dem Deutschlandfunk zu bedenken. "Wenn Sie irgendeinen Geheimdienstler in Europa fragen, in Deutschland zum Beispiel, was sind die besten europäischen Behörden, was die Sicherheit angeht, dann wird keiner zögern und sagen, das sind die Briten. Die haben da in den letzten zehn Jahren bei der Anti-Terrorismus-Abwehr wirklich etwas ganz Beeindruckendes auf die Beine gestellt." Nach eigenen Angaben haben die britischen Sicherheitsbehörden in den vergangenen Jahren 13 Anschläge vereitelt.

David Lowe bezeichnete die Maßnahmen der Londoner Polizei als "Erfolg ". In den vergangenen zwölf bis 18 Monaten habe man die Zahl der bewaffneten Polizisten in der Hauptstadt erhöht und strategische Orte identifiziert, die besonders gefährdet seien, etwa das Parlament. "Es ist natürlich eine absolute Tragödie, dass ein Polizist getötet wurde", so Lowe, aber die Reaktion sei schnell gewesen. "Der kompletten Reaktion der Londoner Polizei muss man Beifall zollen", sagte der Sicherheitsexperte gegenüber der DW.