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Messer-Attentäter von Aschaffenburg muss in Psychiatrie

30. Oktober 2025

Der Afghane Enamullah O. tötete im Januar zwei Menschen - und löste damit eine politische Debatte im Wahlkampf aus. Nun wurde er vom Landgericht Aschaffenburg verurteilt.

Eine Frau stellt eine Trauerkerze neben Blumen und Kuscheltieren (Archivfoto)
Am Tag nach dem Attentat im Park von Aschaffenburg: Kerzen und Kuscheltiere für die Opfer von Enamullah O.Bild: Daniel Löb/dpa/picture alliance

Die tödliche Messerattacke auf Kleinkinder und ihre Betreuer sorgte mitten im Bundestagswahlkampf im Januar für Aufsehen und Betroffenheit. Die Diskussion um die schnellere Abschiebung von ausreisepflichtigen Ausländern wurde zu einem beherrschenden Thema.

Der heutige Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) nahm bei einen Gesetzesantrag für mehr Abschiebungen und Zurückweisungen von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen die Zustimmung durch die in Teilen rechtsextreme Partei AfD in Kauf. Die Sozialdemokraten, heute Koalitionspartner von Merz, empörten sich damals im Bundestag über einen Tabubruch der Christdemokraten, vielerorts gab es Demonstrationen. Merz gewann dennoch die Wahl im Februar. SPD-Kanzler Olaf Scholz wurde abgelöst.

Unterbringung in psychiatrischer Klinik

Heute, zehn Monate nach der Tat in einem Park der bayerischen Stadt Aschaffenburg, ist das Urteil im Prozess gegen den wegen zweifachen Mordes angeklagten Enamullah O. gefällt worden. Der ausreisepflichtige Afghane hatte einen zwei Jahre alten Jungen mit einem großen Küchenmesser erstochen und ein zweijähriges Mädchen schwer verletzt. Er erstach einen Mann, der der Gruppe zu Hilfe eilte, und verletzte eine Betreuerin und einen weiteren Mann mit seinem Messer.

Der Angeklagte wird am 16.10. zum Prozessauftakt in den Gerichtssaal geführtBild: Karl-Josef Hildenbrand/dpa/picture alliance

Der 28-jährige Enamullah O. hat die Taten zugegeben. Er war wegen Mordes und versuchten Mordes angeklagt. Ins Gefängnis muss er aber nicht, denn er war während der Tat wegen einer ausgeprägten Schizophrenie nicht schuldfähig, wie psychiatrische Gutachten ergeben haben.

Der Staatsanwalt plädierte ebenso wie der Verteidiger für eine unbefristete Unterbringung in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik. Das Gericht folgte dem Antrag, weil von dem geistig schwer erkrankten Enamullah O. eine ständige Gefahr ausgehe. Staatsanwalt Jürgen Bundschuh sagte auch, dass die Tat nicht einer politischen oder religiösen Radikalisierung, sondern einer Krankheit entsprungen sei.

Politische Konsequenzen: Der damalige Kanzlerkandidat Merz (CDU) erklärte, es reiche jetzt - gemeinsam mit FDP und AfD stimmte er für ein schärferes AbschieberechtBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Lange Kette von Verfahren und Behandlungen

Im Prozess wurde aufgearbeitet, wie es zu der Tat kommen konnte und welche lange kriminelle Vorgeschichte der Angeklagte hatte. Ein Motiv oder ein Grund, warum der Täter mit seinem Messer auf kleine Kinder losging, konnte nicht festgestellt werden, wie die Staatsanwaltschaft ausführte. Es wurde aber klar, dass Enamullah O. seit seiner Ankunft in Deutschland im November 2022 mehrfach wegen Körperverletzung und anderer Straftaten angezeigt und auch verurteilt wurde. Eine fällige Haftstrafe wegen Betruges hat er allerdings nie angetreten.

Da der Afghane über Bulgarien in die Europäische Union eingereist war, hätte er eigentlich dort ein Asylverfahren durchlaufen müssen. Bulgarien war auch bereit, ihn aus Deutschland zurückzunehmen. Die Überstellung scheiterte aber an den langwierigen Verfahren. Der bayerische Innenminister Joachim Hermann begründete dies einen Tag nach der Bluttat von Aschaffenburg mit Überlastung des zuständigen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und mangelnder Kommunikation zwischen dem Bundesamt und bayerischen Ausländerbehörden. Das BAMF erfuhr von den Verfahren gegen den Täter, der auch mehrfach in psychiatrischen Kliniken untergebracht und behandelt wurde, nichts.

Sein Asylverfahren zog sich bis Ende 2024 hin und wurde vom BAMF kurz vor Weihnachten eingestellt. Das BAMF drohte mit Abschiebung. Parallel dazu hatte Enamullah O. erklärt, freiwillig ausreisen zu wollen. Doch dazu kam es nicht mehr. Anfang Januar forderte die Ausländerbehörde den Mann auf, sich Ausreisepapiere zu beschaffen. Am 22. Januar 2025 verübte er die Bluttat in Aschaffenburg.

Trauerfeier für die Opfer des Messer-Attentäters in Aschaffenburg am 26.01.2025Bild: Daniel Vogl/dpa/picture alliance

Angriff im Sommer 2024 blieb ohne Folgen

Bereits im Sommer 2024 soll Enamullah O. in seiner Flüchtlingsunterkunft eine ukrainische Bewohnerin angegriffen und mit einem Messer bedroht haben. Trotz Einsatz der Polizisten vor Ort nahm die zuständige Polizeibehörde keine Ermittlungen auf. Der zuständige Beamte wurde vor wenigen Tagen wegen Strafvereitelung im Amt zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Der Vorsitzende Richter am Landgericht in Aschaffenburg, Karsten Krebs, sagte in seiner Urteilsbegründung, die Tat habe "verheerende" Folgen vor allem für die Hinterbliebenen der Ermordeten und die überlebenden Opfer. Das Strafverfahren könne die Folgen nicht wiedergutmachen, so Richter Krebs. Der Angeklagte sei hochgefährlich und das einzige, was das Gericht tun könne, sei, ihn dauerhaft aus dem Verkehr zu ziehen. 

Migrationspolitik: Konsequenzen aus Attacke in Aschaffenburg

17:33

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Mehr Abschiebungen angestrebt

Die neue Bundesregierung hat - auch als Lehre aus dem Fall in Aschaffenburg - die Zahl der Abschiebungen von straffälligen Ausreisepflichtigen erhöht. Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) will sich für eine unbefristete Abschiebehaft einsetzen, was von den Bundesländern und vom Koalitionspartner SPD kritisch gesehen wird. Die Dauer von Verfahren soll verkürzt werden, die Behörden sollen besser miteinander kommunizieren. Auch nach Afghanistan soll es mehr Abschiebungen geben. Gespräche mit den Taliban-Machthabern in Kabul laufen. Vertreter für Konsular-Angelegenheiten hat das radikal-islamistische Taliban-Regime in ein Konsulat nach Bonn und in die afghanische Botschaft in Berlin entsandt.

 

Hinweis: In einer früheren Version dieses Textes war von einer "Sicherungsverwahrung" die Rede. Dieser Begriff ist im Zusammenhang mit dem Verfahren gegen Enamullah O. nicht korrekt.

Bernd Riegert Korrespondent im Hauptstadtstudio Berlin mit Blick auf Menschen und Politik in Deutschland
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