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Politik

Sie hoffen immer noch

Marianna Karakoulaki | Dimitris Tosidis
4. April 2017

Ein Jahr nach dem Flüchtlingsabkommen und der Schließung der Balkanroute warten noch tausende Migranten auf eine Zukunft im Norden Europas. Marianna Karakoulaki und Dimitris Tosidis berichten aus Thessaloniki.

Riskante Flucht von Flüchtlingen aus Griechenland
Bild: DW/D. Tosidis

In dem kleinen griechischen Dorf Idomeni an der Grenze zu Mazedonien drängten sich im vergangenen Jahr tausende von Flüchtlingen. Einige Tage zuvor war das EU-Türkei-Abkommen in Kraft getreten, doch viele der Migranten hofften noch, die Grenze werde sich für sie wieder öffnen. Heute ist es in Idomeni still. Ein Schild mit dem Wort "Hoffnung" und der Zaun zwischen beiden Ländern sind die einzige Erinnerung an die Tatsache, dass dies einmal Europas größtes Flüchtlingslager war. Zu dem Gelände, wo sich das Lager befand, ist der Zutritt verboten. Von Zeit zu Zeit kommen freiwillige Flüchtlingshelfer aus dem Ausland hierher, aber sie werden dann schnell zur örtlichen Polizeiwache gebracht und dort befragt. Journalisten brauchen eine Genehmigung der griechischen Behörden, wenn sie den Ort aufsuchen wollen, und werden dann von Offizieren der griechischen Streitkräfte begleitet.

Faktencheck: Der EU-Türkei-Deal

02:49

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Beamte der europäischen Grenzschutzbehörde Frontex helfen den griechischen Behörden seit kurzem, irreguläre Grenzübertritte in der Gegend zu verhindern. Für diese Frontex-Mission sind 40 Beamte abgestellt, darunter Spezialisten für die Erkennung von gefälschten Pässen, andere bewachen einen großen Abschnitt der griechisch-mazedonischen Grenze und kontrollieren die grenzüberschreitenden Güterzüge nach illegalen Migranten. "Die Zahlen sind nicht sonderlich hoch, aber in den ersten Monaten dieses Jahres waren es ein paar tausend Menschen, die es über die Grenze geschafft haben", sagt Frontex-Sprecherin Ewa Moncure der Deutschen Welle.  

Grenzübertritt per GPS

Der 24 Jahre alte Mohammed aus Syrien wartet auf seine offizielle Übersiedlung ins nördliche Europa. Seine Freunde nennen ihn Mr. Smiley, weil er trotz seiner Leidensgeschichte ständig ein Lächeln auf den Lippen hat. Zusammen mit seinem Bruder war er kurz vor der Grenzschließung in Griechenland eingetroffen. Als sie hier ankamen, zogen sie Wartenummern, bis sie mit dem Grenzübertritt an der Reihe wären. Mohammeds Bruder kam noch auf die andere Seite, doch am folgenden Tag war die Grenze geschlossen und Mohammed blieb zurück. Nachdem er einige Zeit in Idomeni gewartet hatte, beschloss er, illegal über die Grenze zu gehen und seinen Bruder zu suchen.

"Ich habe es mithilfe einiger Freunde und mit der GPS-Funktion meines Smartphones geschafft", sagt er. "Wir wanderten neun Stunden lang, überquerten einen Fluss in der Nähe der Grenze, und als wir auf der mazedonischen Seite waren, umgingen wir die Stadt Gevgelija, weil da zu viele Polizisten herumlaufen. Sobald wir auf die Bahnstrecke trafen, folgten wir den Schienen und kamen schließlich zum Flüchtlingslager Gevgelija", erzählt uns Mohammed. Im Lager fand er tatsächlich seinen Bruder. Doch nach monatelangem Warten kehrten beide nach Griechenland zurück und beantragten die Umsiedlung - mit Erfolg, weil sie aus Syrien stammen. Andere haben weniger Glück.

Güterzug nach Deutschland

Hunderte, wenn nicht tausende von Flüchtlingen aus den griechischen Flüchtlingslagern sind "verloren gegangen". Ein Teil von ihnen ist inzwischen in nördlichen Ländern angekommen, manche sind auch in die Türkei zurückgekehrt, andere nach Syrien.

Hinter dem berüchtigten Flüchtlingslager bei Thessaloniki fahren regelmäßig Güterzüge Richtung Norden, meist nach Deutschland. Die Flüchtlinge hier leben in alten, verrosteten Eisenbahnwagen und holen ihr Essen im nahegelegenen Lager. Sie haben kein Geld für die Weiterreise und auch keine Chance auf eine Umsiedlung oder auf Asyl in Griechenland, weil die meisten von ihnen aus Algerien, Tunesien und Marokko kommen. Sie alle warten auf eine gute Gelegenheit, auf einen der Güterzüge nach Norden zu springen. Als wir an der Stelle eintreffen, hatte die griechische Polizei gerade eine Gruppe von etwa 20 Leuten geschnappt, die versuchte, auf einen der Züge zu springen. "Ich werde es versuchen, aber es ist sehr gefährlich", sagt ein junger Algerier.

Die Fallen des Menschenschmuggels

Andere können es sich leisten, sich ins Land ihrer Träume schmuggeln zu lassen. Trotz des EU-Türkei-Abkommens und besserer Grenzkontrollen überall in Europa hat die Schließung der Balkanroute dem Schleusergeschäft auch zu neuer Blüte verholfen. Ein verlassenes Gebäude nicht weit von Thessalonikis Stadtzentrum ist zu einem Treffpunkt für obdachlose Flüchtlinge geworden, die keinen Zugang zu den Lagern haben, aber auch für solche, die auf das Aufbruchssignal ihrer Schleuser warten.

Abdullah, ein 23 Jahre alter afghanischer Flüchtling, wuchs in Pakistan auf. Seine Familie war schon vor seiner Geburt vor den Taliban geflohen. Als die pakistanische Regierung ihren Umgang mit Afghanen verschärfte, kehrte er nach Afghanistan zurück. Zwei Monate später beschloss er, das Land zu verlassen. Nach langer, beschwerlicher Reise erreichte er Griechenland über den Evros, den Grenzfluss zwischen der Türkei und Griechenland.

Zunächst versuchte er, vom südgriechischen Patras aus mit einem Boot nach Italien überzusetzen, doch er wurde festgenommen und saß ein paar Tage im Gefängnis. Bei seiner Freilassung gab ihm die Polizei eine Bescheinigung, die ihm einen einmonatigen Aufenthalt in Griechenland erlaubte, ihm aber den Zutritt zu Grenzgebieten und der Hauptstadt Athen untersagte. Seine einzige Chance war, in Griechenland Asyl zu beantragen. Doch nach wie vor will er weiter nach Norden. "Ich bin nach Athen gegangen und habe einem Schmuggler 3400 Euro bezahlt, um einen Pass zu bekommen, aber ich warte immer noch darauf, dass es losgeht. Es ist meine einzige Chance. Ich will nach Frankreich und meinen Cousin treffen, mit dem ich zusammen aufgewachsen bin", sagt er.

Während wir mit Abdullah reden, trifft eine neue Gruppe afghanischer Flüchtlinge aus Thessaloniki ein. Sie sagen, die Sicherheitskräfte an der bulgarischen Grenze hätten sie schwer geschlagen und ihnen die Kleider weggenommen, so dass sie nichts als ihre Unterwäsche angehabt hätten. Abdullah ist angespannt und besorgt. Zwei Wochen ist es her, dass er tausende von Euro für einen gefälschten Pass bezahlte, und noch immer lässt der Schleuser nichts von sich hören. Der Monat Aufenthalt, den ihm die Behörden in Griechenland gegeben haben, ist vor einem Tag abgelaufen, und er befürchtet, festgenommen zu werden. "Wenn mich irgendjemand um Rat fragt, werde ich sagen: 'Komm nicht. Hier ist es sehr gefährlich', sagt Abdullah mit zitternder Stimme.

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