Sie wollen es schon immer gewusst haben
8. Januar 2016Ob Polen,Tschechien, Ungarn oder die Slowakei - bei den Regierungen und in der Presse dieser Länder heißt es jetzt sinngemäß: Was in Köln passiert ist, musste ja so kommen.
Am deutlichsten wurde der slowakische Ministerpräsident Robert Fico, vielleicht auch deshalb, weil der Sozialdemokrat bei der anstehenden Parlamentswahl am 5. März die absolute Mehrheit seiner Partei verteidigen will.
"Sobald man Migranten ins Land lässt, kann man solche Probleme bekommen", sagte Fico am Donnerstag vor Journalisten. "Wir wollen nicht, dass so etwas bei uns geschehen kann."
Fico sieht die Probleme vor allem bei Muslimen. Sein Fazit: Sie sollen am besten gar nicht ins Land. Rückendeckung bekommt er von wichtigen slowakischen Medien, bezeichnenderweise auch von eher linksliberalen Blättern.
"Naive Altruisten"
Die "Sme" sieht in Deutschland eine verbreitete Naivität: "Die Migrationskrise hat eine Subkultur wohlmeinender Altruisten entstehen lassen, die den Ankommenden so viel Geld und Zeit widmen, als würden sie glauben, deren vorangegangenes Leid hätte sie auf eine höhere moralische Stufe gehoben."
Die slowakische "Pravda" warnt zwar davor, allen muslimischen Männern eine "Kollektivschuld" zu geben, meint aber, diese Haltung zu verteidigen, werde immer schwieriger: "Die Diskussion darüber, was die Integration einer so großer Zahl von Immigranten in die europäische Gesellschaft bedeutet, war auch vor dem Kölner Silvester nicht leicht. Aber jetzt sind weitere unangenehme und provozierende Töne dazugekommen."
Bestätigt fühlt sich auch die nationalkonservative polnische Regierung. Ministerpräsidentin Beata Szydlo sagte zu den Kölner Übergriffen: "Was derzeit in Deutschland passiert, zeigt, dass die Probleme ernster sind als die europäischen Führer leider unvorsichtig glaubten."
Rechtsfreie Räume
In Tschechien haben der amtierende Präsident Milos Zeman und sein Vorgänger Vaclav Klaus wiederholt Stimmung gegen Flüchtlinge gemacht. Zeman mutmaßte vor wenigen Tagen, ohne auf Köln einzugehen: "Ich glaube, die Invasion wird von der Muslimbruderschaft organisiert - mit finanziellen Mitteln aus einer Reihe von Staaten." Damit wolle die Bruderschaft "schrittweise Europa kontrollieren".
Die konservative tschechische Zeitung "Lidove noviny" stellt dagegen einen direkten Zusammenhang zu Köln her: "Die Ereignisse der Silvesternacht stellen das bisher stärkste Argument für Vorsicht bei der Aufnahme von Migranten dar. Bisher wurde uns gesagt, dass No-go-Zonen reine Erfindung seien. Jetzt sagte Justizminister Maas: 'Es darf keine rechtsfreien Räume geben.' Kämpft er also gegen eine nichtexistierende Gefahr, oder hat er die Ernsthaftigkeit der Probleme zugegeben?"
Einen der schärfsten Kommentare zu Köln und vor allem zur deutschen Berichterstattung dazu bringt die regierungsnahe ungarische Zeitung "Magyar Idök" an diesem Freitag: "Das bisherige naive Bild von den vor Elend und Krieg fliehenden Familie wäre erschüttert worden, hätte man in der besagten Silvesternacht eine Live-Schaltung zum Kölner Hauptplatz vorgenommen. Dank der 'politischen Korrektheit' der deutschen Journalisten wird aber so etwas verschwiegen. Sie haben eine Medien-Stasi geschaffen, die über die Meinungsdiktatur wacht."
Jetzt erst recht keine Umverteilung
Fest steht: Die Gräben in Europa wegen der Flüchtlingspolitik werden nach Köln noch tiefer. Und das gilt auch für die praktische Zusammenarbeit, zum Beispiel für den Plan, Flüchtlinge innerhalb Europas zu umverteilen. Das Vorhaben, das Bundeskanzlerin Angela Merkel immer wieder als entscheidenden Baustein bei der Bewältigung der Krise hervorhebt, stand bereits zuvor auf wackeligen Füßen.
Im Herbst hatten die Innenminister vereinbart, 160.000 Asylbewerber umzuverteilen. Dabei waren neben Rumänien auch Ungarn, Tschechien und die Slowakei überstimmt worden. Die ostmitteleuropäischen Länder lehnen feste Quoten strikt ab. Die Slowakei und später Ungarn haben dagegen sogar eine Klage beim Europäischen Gerichtshof eingereicht. Doch auch andere EU-Staaten sind nicht begeistert. Von den 160.000 Menschen, die von Italien und Griechenland umverteilt werden sollen, haben bisher nur wenige hundert eine neue Bleibe in anderen EU-Ländern gefunden.
Bezeichnend für die verhärtete Stimmung in Ostmitteleuropa ist aber noch eine weitere Geste: Der slowakische Ministerpräsident Fico lehnt nicht nur die Aufnahme von Flüchtlingen ab, er will auch kein Geld mehr in die humanitäre Flüchtlingshilfe stecken.
Die Mittel sollen stattdessen in die Abwehr fließen: "Wir werden unsere Finanzhilfen zur Lösung der Migrationskrise klar auf den Schutz der Schengen-Außengrenzen orientieren. Nur so lassen sich die unregulierten Migrationsströme stoppen."
Was die Slowakei selbst betrifft, dürfte Fico jedenfalls wenig zu befürchten haben: Im gesamten Jahr 2015 beantragten ganze 169 Menschen Asyl in der Slowakei, acht von ihnen bekamen tatsächlich Asyl. Wie viele von den acht Muslime sind, ist nicht bekannt.