Es ist der erste Schritt auf dem Weg zum UNESCO-Weltkulturerbe: Sieben deutsche Traditionen sind neu in das "Bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes" aufgenommen worden - eine davon erst im zweiten Anlauf.
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Siebenmal neues Kulturerbe
Immaterielles Kulturerbe wird unter Generationen weitergegeben und ständig neu gestaltet. Im deutschen Verzeichnis steht unter anderem der rheinische Karneval und Falknerei. Jetzt umfasst es sieben neue Kulturformen.
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Warmduscher aufgepasst
Schneetreten, Wassertreten und Wechselduschen sind weit bekannt. Und doch sind diese nur ein Teil der Kneipp-Therapie. Es ist ein ganzheitliches Konzept - das heißt, Körper, Geist und Seele sollen in Einklang gebracht werden. Der bayerische Pfarrer Sebastian Kneipp hat seine Lehre im 19. Jahrhundert entwickelt. Heute gibt es in Deutschland rund 600 Kneipp-Vereine mit über 160.000 Mitgliedern.
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Mit langem Atem
Eine Glaskugel zu blasen hat bei Weitem nichts mit dem Aufpusten eines Luftballons zu tun. Zehn Jahre dauert es mindestens, bis alle Techniken perfekt sitzen. Deutschlandweit soll es noch knapp 500 Menschen geben, die wissen, wie man Hohl- und Flachglas von Hand fertigt.
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Schützen Heil!
Das Schützenwesen gibt es in ganz Deutschland, doch regional ist es ganz verschieden: christlich geprägt, weltlich, folkloristisch, bürgerlich. Am bekanntesten ist das jährliche Schützenfest. In der Regel gilt: Wer dort den hölzernen Königsvogel herunterschießt oder seinen Rumpf teilt, wird Schützenkönig oder Schützenkönigin.
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Gemeinsam in der Musik
Das Choralsingen ist eine spezifische Form des Chor-Musizierens. Die Vorläufer der Kulturpraxis stammen aus dem frühen Mittelalter. Unter einem Choral verstand man früher ausschließlich kirchliche Musik - in den vergangen zwei Jahrhunderten wurde er aber auch in der weltlichen Musik verwendet.
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Alle Jahre wieder
Die Sternsinger kommen sogar zur Bundeskanzlerin. Jedes Jahr um den 6. Januar verkleiden sich Kinder und Jugendliche als die Heiligen Drei Könige. Sie ziehen von Haus zu Haus, singen Lieder und bringen den Menschen den Segen für das neue Jahr. Dafür sammeln sie Spenden für Kinderhilfsprojekte. Der Brauch geht zurück auf die Sterndeuter, die Weisen aus dem Morgenland, die zur Geburt Jesus kamen.
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Überhaupt nicht altmodisch
Das Besondere an der Volkstanzbewegung: Sie kennt keine Grenzen von Alter, Talent oder sozialer Schicht. Über Jahrhunderte wurden die Tänze mündlich und durch Nachahmung übertragen und sind so regional verschieden. Diese Volkstanzgruppe aus Mecklenburg-Vorpommern zeigt einen sogenannten "Flieger".
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Ehrsames Narrengericht zu … wie bitte?
Von den sieben Kulturformen ist das "Ehrsame Narrengericht zu Grosselfingen" vermutlich die unbekannteste. Es ist ein Heimatspiel, an dem bis zu 300 Einwohner der 2000-Seelen-Gemeinde in Baden-Württemberg mitwirken. Im Abstand von drei bis sieben Jahren wird es zu Fastnacht aufgeführt. Die sogenannten Butzen (siehe Bild) sollen im Mittelalter die Pest-Toten aus der Stadt gebracht haben.
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Wie ticken die Deutschen? Einige Antworten findet man im "Bundesweiten Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes". Seit 2013 stellt die Deutsche UNESCO-Kommission lebendige Traditionen und Brauchtümer aus Deutschland zusammen. Dazu gehören kulturelle Ausdrucksformen wie Musik, Tanz, Theater, Handwerk und Feste. Die Brauchtümer müssen aktuell in Deutschland praktiziert werden und eine besondere lokale, regionale und nationale Bedeutung haben.
34 Kulturformen hat das Verzeichnis inzwischen aufgenommen. Sieben neue sind jetzt dazugekommen: das Kneippen (Behandlungsmethode nach Sebastian Kneipp) , das Schützenwesen, das Sternsingen, die Volkstanzbewegung, das Choralsingen, die manuelle Glasfertigung und das Ehrsame Narrengericht zu Grosselfingen, eine 500 Jahre alte süddeutsche Fasnachttradition.
Schützen scheiterten in der ersten Bewerbungsrunde
Nicht immer klappt die Aufnahme in das Verzeichnis auf Anhieb. In der ersten Runde hatte sich die Historische Deutsche Schützenbruderschaft (BHDS) vergeblich um die Anerkennung des Schützenwesens als Kulturgut beworben. Der Antrag wurde von der UNESCO zurückgestellt, weil die Bruderschaft einen muslimischen Schützenkönig nicht anerkannt hatte. Die Schützen kündigten daraufhin an, sich gegenüber Nicht-Christen öffnen zu wollen. Mit der Aufnahme in das Verzeichnis hat das Schützenwesen jetzt zumindest theoretisch eine Chance, irgendwann auf der internationalen Liste des UNESCO-Weltkulturerbes zu landen.
Weltweit fördert die UN-Organisation seit zwölf Jahren den Erhalt der Alltagskulturen und –traditionen. Das Verfahren ist zweistufig: Jedes Land baut ein Verzeichnis auf, im nächsten Schritt können Vorschläge für die weltweite UNESCO-Liste eingereicht werden. Ende 2016 könnte erstmals eine deutsche Tradition international aufgenommen werden: Orgelbau und Orgelmusik.