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Siedlungspolitik im Westjordanland

Florian Mebes29. Juni 2012

Offiziell steht Israel noch zur im Oslo-Abkommen angestrebten Zwei-Staaten-Lösung: ein israelischer Staat neben einem souveränen palästinensischen. Die Politik der Regierung Netanyahu spricht indes eine andere Sprache.

Auf dem Bild: Übersicht der Siedlung Ulpana in der West Bank. 26.6.2012. Israel. Foto: Florian Mebes
Israels SiedlungspolitikBild: Mebes

"Anfangs waren wir nur elf Familien, haben fünf Jahre lang mit den Kindern in einer Hütte gelebt. Dann bauten wir dieses Haus, übrigens mit arabischen Arbeitern", beschreibt Rabbi Yehuda Bohrer die Anfangszeit der israelischen Siedlung Bet El, die etwa fünf Kilometer nördlich von Ramallah im Westjordanland liegt.

Der 69-jährige Archäologie- und Geschichtsdozent im Ruhestand ist einer der Pioniere der Siedlungsbewegung, die nach dem israelischen Sieg im Sechs-Tage-Krieg 1967 auszog, um jenseits der Grünen Linie jüdische Ortschaften zu gründen. Bohrer wurde 1943 in Gailingen am Hochrhein geboren. 1946 wanderte seine Familie ins damalige Palästina aus. Er studierte in Jerusalem und New York, wo er seine Frau kennenlernte. Gemeinsam gingen sie zurück nach Israel und bekamen sieben Kinder.

1977 siedelten sie ins besetzte Westjordanland über, nach Judäa und Samaria, wie die Israelis das Gebiet nennen. Der Staat unterstützte sie, baute Straßen, Strom- und Trinkwasserversorgung. Religiös-zionistische Ideale führt Bohrer als Beweggrund an. "Im Sinne der ersten zionistischen Pioniere, noch unter den Türken, vor dem ersten Weltkrieg, führen wir die Tradition der Besiedlung Palästinas weiter."

Ausbau der Siedlungen

Heute leben fast 7000 Menschen in Bet El. Im gesamten Westjordanland sind es etwa 300.000 jüdische Siedler, in Ost-Jerusalem weitere 200.000. Und Israel gerät deswegen unter Druck: Nach internationalem Recht darf besetztes Gebiet von der Besatzungsmacht nicht besiedelt werden. Nach Ansicht der Israelis trifft das in diesem Fall nicht zu, da die Palästinenser niemals einen souveränen Staat besessen hätten und der Gaza-Streifen vor 1967 zu Ägypten und das Westjordanland zu Jordanien gehörte.

Offiziell steht die große Koalition aus den Parteien Likud und Kadima hinter der Zwei-Staaten-Lösung, die zu einem souveränen palästinensischen Staat neben Israel führen soll. Doch die Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern stagnieren seit Jahren. Die Palästinenser fordern den kompletten Baustopp in den Siedlungen, die israelische Regierung verkündet immer wieder den Bau neuer Wohneinheiten, was stets zu Unmutsäußerungen aus Europa und den USA führt. Israel schafft Tatsachen und die internationale Gemeinschaft schaut zu.

Siedler als Friedensblockierer

Die Siedler werden als eines der Haupthindernisse auf dem Weg zum Friedensabkommen bezeichnet und sind sich dessen bewusst. "Wir werden sehr negativ porträtiert, sie versuchen uns als ein wenig verrückt, fundamentalistisch, gewalttätig und voller Wut darzustellen. Und das ist einfach nicht wahr", erklärt Judy Simon. Die 46-jährige Mutter von sechs Kindern ist die Tourismusbeauftragte von Bet El. Sie wanderte von Chicago nach Haifa aus und kam vor zwölf Jahren in die Siedlung.

"Meine Freunde aus Chicago dachten, wir wären verrückt, nach Israel auszuwandern. Es wäre ein unsicherer Ort, um eine Familie zu gründen. Das ironische ist, dass meine Freunde aus Haifa dann wiederum sagten, ich sei verrückt nach Bet El hinter die Grüne Linie zu ziehen." Sie habe sich noch nie so sicher wie hier gefühlt, kommentiert sie die Reaktionen während eines Spaziergangs durch die gepflegte und beschauliche Ortschaft zum Aussichtspunkt, einem Wasserreservoir auf 900 Meter Höhe, von dem aus man die palästinensischen Nachbardörfer überblickt. Es ist idyllisch. Der Blick schweift weit über die Hügel der geschichtsträchtigen Region, eine frische Brise macht die frühsommerliche Hitze erträglich und trägt den Aufruf zum Gebet des Muezzins einer Moschee im Tal herauf.

Zwei-Staaten-Lösung möglich

Unterhalb des Aussichtspunktes liegt der Ortsteil Ulpana, der in den vergangenen Wochen für Schlagzeilen sorgte, nachdem die israelischen Behörden fünf Häuser, in denen 33 Familien lebten, evakuieren ließ. Weil die Gebäude auf privatem palästinensischen Boden errichtet wurden, so entschied Israels oberstes Gericht, müssen jetzt insgesamt fünf Mehrfamilienhäuser den Bulldozern weichen. Als Entschädigung versprach Netanyahu allerdings 300 zusätzliche Wohneinheiten für Bet El. Zum einen wird so internationalem Druck nachgegeben, zum anderen die Siedlungen ausgebaut und weiterer Druck erzeugt. Eine Art Katz und Maus Spiel mit der internationalen Gemeinschaft.

Bohrer lehnt eine Zwei-Staaten-Lösung ab: "Der sogenannte palästinensische Staat ist eine Fiktion. Vor 1967 - als die Westbank zu Jordanien gehörte - hätten die Palästinenser Autonomie erlangen können. Seit 1967, seit die Israelis hier sind, muss es plötzlich einen palästinensischen Staat geben." Er plädiert für eine Ein-Staaten-Lösung. Judy Simon vertritt die gleiche Position: "Ich scheue mich davor allen Arabern zu vertrauen, da es einige gibt, die uns umbringen möchten. Ich denke, wenn das Gebiet annektiert werden würde und den Arabern, die gute Mitbürger sind, die gleichen Rechte zustünden, könnte es hier Frieden geben."

Evakuierung der betroffenen Häuser in Bet Els Ortsteil UlpanaBild: Mebes
Containersiedlung In Bet ElBild: Mebes
Rabbi Dr. Yehuda Bohrer vor seinem Haus in Bet ElBild: Mebes


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