Siemens hat das erste Geschäftsjahr unter dem neuen Chef Roland Busch mit einem kräftigen Gewinnsprung abgeschlossen. Mit einem Plus von fast 60 Prozent übertraf Siemens seine eigene Prognose deutlich.
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Die anziehende Konjunktur gibt Siemens-Chef Roland Busch Rückenwind. Der Münchner Technologiekonzern übertraf im Ende September abgelaufenen Geschäftsjahr 2020/21 seine Umsatz- und Gewinnerwartungen, ist für die nächsten Monate aber vorsichtiger. Der Nettogewinn schnellte im ersten Jahr unter Buschs Führung um 59 Prozent auf 6,7 Milliarden Euro, wie Siemens am Donnerstag mitteilte.
Der Konzern hatte seine Prognose mehrfach erhöht und zuletzt mit 6,1 bis 6,4 Milliarden Euro gerechnet. Der Umsatz stieg auf vergleichbarer Basis um 11,5 Prozent auf 62,3 Milliarden Euro, der Auftragseingang sogar um 21 Prozent. Die Dividende soll auf den Rekordwert von 4,00 (3,50) Euro je Aktie erhöht werden. An der Börse kamen die Zahlen gut an, die Aktie von Siemens gehört zu den Gewinnern des Tages.
Es war das erste Geschäftsjahr ohne die abgespaltene Energiesparte Siemens Energy, die im Herbst 2020 an die Börse gebracht worden war, und an der Siemens nur noch eine Minderheitsbeteiligung hält. Seither bezeichnet sich der Konzern als "fokussiertes Technologieunternehmen". Als solches habe man einen "sehr erfolgreichen Start hingelegt", sagte Busch - wohl auch, weil ihm so ein Großteil der Verluste der ehemaligen Energiesparte erspart blieb.
Materialengpass macht sich auch bei Siemens bemerkbar
Die anhaltenden Probleme beim Nachschub vor allem von elektronischen Bauteilen und Rohmaterial habe Siemens erfolgreich bewältigt, teilte das Unternehmen mit. Allerdings zeigten sich im vierten Quartal erste Bremsspuren; das Ergebnis blieb hinter den Analystenerwartungen zurück, obwohl der Umsatz weiter anzog. "In einem herausfordernden Umfeld haben wir Marktanteile gewonnen und unsere Ergebnisprognose deutlich übertroffen", sagte Busch.
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Siemens hofft darauf, dass die Corona-Effekte und Engpässe beim Nachschub im Laufe der nächsten Monate nachlassen. Trotzdem geht der Konzern nur von einem Umsatzwachstum um einen mittleren einstelligen Prozentsatz auf vergleichbarer Basis aus. Die drei Kernsparten Digital Industries, Smart Infrastructure und Mobility (Bahntechnik) sollen jeweils um fünf bis acht Prozent zulegen. Dazu kommt die Medizintechnik-Tochter Siemens Healthineers, die nach dem Corona-Boom allenfalls mit leichten Zuwächsen rechnet.
Für das Ergebnis je Aktie stellt Siemens einen Anstieg auf 8,70 bis 9,10 (Vorjahr: 8,32) Euro in Aussicht. Das wäre ein Plus von fünf bis neun Prozent. Dazu beitragen sollen auch weitere Verkäufe und Börsengänge von Beteiligungen.
Verkauf von Unternehmensteilen geht weiter
Im abgelaufenen Geschäftsjahr hatte Siemens unter anderem mit dem Verkauf der Getriebe-Tochter Flender und dem Verkauf von Aktien an den börsennotierten Firmen Bentley Systems und ChargePoint einen Gewinn von 1,5 Milliarden Euro erwirtschaftet.
Im Oktober war das US-Energiespeicher-Unternehmen Fluence Energy mit einer Bewertung von mehr als vier Milliarden Dollar an die Börse gebracht worden. Das Geschäft mit großen Antrieben - Siemens Large Drives - soll rechtlich ausgegliedert werden, wie Vorstandschef Roland Busch am Donnerstag ankündigte. "Wir werden dem Geschäft mehr unternehmerische Freiheit geben, damit es sich noch besser entwickeln kann", sagte er. Der Hersteller von Elektromotoren, Umrichtern und Generatoren für Mittel- und Hochspannung ist mit rund 7000 Mitarbeitern die größte der vier "Portfolio Companies", die Siemens nach der Sanierung abstoßen will.
Die Logistik-Sparte soll zunächst aufgespalten werden: in Logistiklösungen für Briefe und Pakete sowie in Gepäckbänder für Flughäfen. Diese Märkte entwickelten sich ganz unterschiedlich, erläuterte Busch. Insider hatten der Nachrichtenagentur Reuters gesagt, dass Siemens zunächst einen Käufer nur für die Post-Logistik suche, weil die Luftfahrt- und Reisebranche noch unter der Corona-Krise litten. Die Straßenverkehrstechnik-Tochter Yunex ist bereits ausgegliedert und wird laut Insidern ebenfalls verkaufsfertig gemacht.
Siemens-Finanzvorstand Ralf Thomas hofft, aus solchen Portfolio-Bereinigungen 2021/22 einen ähnlichen Gewinn zu erwirtschaften wie die 1,5 Milliarden Euro im vergangenen Geschäftsjahr.
Siemens: Vom Zeigertelegrafen zum Internet der Dinge
Vor 200 Jahren wurde der Siemens-Gründer Werner von Siemens geboren. Von Industrierobotern und vernetzten Autos hat der Erfinder damals wohl kaum geträumt. Eine Zeitreise durch die Unternehmensgeschichte in Bildern.
Bild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte
Alles begann mit dem Zeigertelegrafen
Hiermit fing alles an: 1846 und 1847 baut Werner Siemens seinen ersten Zeigertelegrafen, gewissermaßen der Vorläufer des Faxgeräts. Um ihn in Serie herstellen zu können, gründet der Erfinder zusammen mit dem Feinmechaniker Johann Georg Halske die "Telegraphen-Bauanstalt von Siemens & Halske". In einer Berliner Hinterhauswerkstatt fertigen zehn Handwerker die ersten Zeigertelegrafen.
Bild: Siemens AG
Aus der Werkstatt in die Fabrik
In den folgenden Jahrzehnten wird aus dem Handwerksbetrieb eine Fabrik mit normierter Serienfertigung. Siemens & Halske baut Dampfmaschinen und entwickelt den ersten Generator. Die Entdeckung des elektrodynamischen Prinzips gilt als eine der wichtigsten Leistungen Siemens: Er schuf damit die Voraussetzung, Strom in größerem Umfang zu erzeugen.
Bild: Siemens AG
Ferngespräche in die USA
1864 scheitert die Verlegung eines Seekabels durch das Mittelmeer, was dem Unternehmen empfindliche Verluste beschert. 1874/75 verlegen die Siemens-Brüder Werner, William und Carl mit Hilfe des eigens gebauten Kabeldampfers Faraday dann aber erfolgreich ein Telegrafenkabel zwischen Europa und den USA - weitere Transatlantik-Kabel folgen.
Bild: Siemens AG
Vorreiter bei der E-Mobilität
Auf der Berliner Gewerbeausstellung 1879 präsentiert Siemens & Halske die erste elektrische Eisenbahn der Welt mit Fremdstromversorgung. Es folgt die erste elektrische Straßenbahn (Bild), die im Jahr 1881 in Lichterfelde bei Berlin den Betrieb aufnimmt. Auch der erste Vorläufer des modernen Oberleitungsbusses stammt von Siemens.
Bild: picture alliance/akg-images
Unternehmer mit sozialer Agenda
Neben seinen technischen Innovationen und seinem Unternehmergeist macht sich Werner Siemens (seit 1888 "von Siemens") auch mit sozialpolitischen Initiativen einen Namen. 1872 etabliert er eine Pension-, Witwen- und Waisenkasse als betriebliche Altersversorgung. 1890 scheidet er offiziell aus dem Geschäft aus. Zwei Jahre später erliegt von Siemens im Alter von 75 Jahren einer Lungenentzündung.
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Ein neuer Stadtteil entsteht
Die Firma wird derweil größer und größer: Mit dem Ziel, die Expansion am Traditionsstandort abzusichern, erwirbt Siemens & Halske 1897 ein nahezu unbesiedeltes Gelände nordwestlich von Berlin. Nach und nach werden hier alle betrieblichen Aktivitäten räumlich konzentriert und Werkswohnungen gebaut. Bis 1914 entsteht ein völlig neuer Stadtteil - die "Siemenssstadt".
Bild: Siemens AG
Zwangsarbeit im Siemenswerk
Während des Zweiten Weltkriegs beschäftigt Siemens auch Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge in seinen Werken. Im Siemenslager Ravensbrück setzt das Unternehmen tausende weibliche Häftlinge zum Wickeln von Spulen und zum Bau von Telefonen ein. Nach dem Krieg sind die meisten Gebäude und Werksanlagen zerstört, das Firmen-Vermögen wird konfisziert.
Bild: Dr. Karl-Heinz Hochhaus
Umzug nach München
Teile der Unternehmensführung werden noch im Februar 1945 nach München, Mülheim a.d. Ruhr und Hof verlagert. Siemens & Halske bekommt den Hauptsitz in München, Berlin bleibt zweiter Firmensitz. Zum ersten Oktober 1966 wird die Siemens Aktiengesellschaft gegründet.
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Mehr Produkte, mehr Fabriken, mehr Länder
Turbinen, Automatisierungstechnik, Eisenbahnen, Kraftwerke, private Kommunikationssysteme, Medizintechnik, Waschmaschinen - es gibt kaum etwas, das Siemens nicht baut. Anfang der 1980er produziert das Unternehmen bereits in 37 Ländern. In den 1990er-Jahren lag der Anteil der nicht-deutschen Konzernumsätze bei zwei Drittel.
Bild: picture-alliance/dpa/D. Gust
Untreue, Bestechung, schwarzer Kassen
2006 fliegt ein schwerwiegender Korruptionsskandal bei Siemens auf: Über Jahre sollen rund 1,3 Milliarden Euro in dunkle Kanäle geschleust worden sein, um lukrative Auslandsaufträge zu ergattern. Den Elektrokonzern kostet die Aufarbeitung 2,5 Milliarden Euro. Etliche Beteiligte verlieren ihren Job; auch die Führungsspitze wird ausgetauscht.
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Radikaler Umbau
Im Mai 2014 stellt der neue Konzernchef Joe Kaeser seine Pläne für einen radikalen Konzernumbau vor. Die Aufteilung des Geschäfts in Sektoren wird aufgehoben, um den Konzern schlanker und wettbewerbsfähiger zu machen. Siemens soll auf Elektrifizierung, Automatisierung und Digitalisierung ausgerichtet werden. Durch den Umbau verlieren Tausende ihren Arbeitsplatz.
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Milliardenaufträge und Übernahme-Poker
Mehr als sechs Milliarden Euro zahlt die Deutsche Bahn Siemens für den Bau der neuen ICE-Flotte - der bis dahin größte Auftrag in der Konzerngeschichte. Ähnlich viel Geld gibt es nur von Ägypten, für das Siemens momentan das größte Gaskraftwerk der Welt baut. 2014 will Siemens den französischen Konkurrenten Alstom übernehmen, doch der entscheidet sich für das Angebot von General Electric.
Bild: picture-alliance/dpa
Vernetzt in die Zukunft
Industrie 4.0 und das "Internet der Dinge" versprechen eine intelligentere und weltweite Vernetzung von Maschinen, Lagersystemen und Betriebsmitteln. Die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung verändert die komplette industrielle Produktionskette - eine neue Herausforderung für den Siemens-Konzern.