Siemens als Iraks Partner beim Wiederaufbau
13. Februar 2018DW: Herr Kaeser, sieht man die Bilder aus den kriegszerstörten Gegenden des Irak, dann ist da nichts zu entdecken, was Hoffnung macht. Was macht Ihnen Hoffnung, dass es gelingen könnte, das Land wieder aufzubauen?
Joe Kaeser: Das Land hat schlimme Zeiten durchgemacht und die Menschen verdienen Frieden, Freiheit und ein besseres Leben. Die Regierung hat dafür die Weichen gestellt, indem sie entschlossen gegen den Terror kämpft und das Wirtschaftswachstum durch ein ehrgeiziges Reformprogramm begünstigt. Zu diesen Maßnahmen zählen die beschleunigte Anstrengung beim Wiederaufbau, die Förderung des Humankapitals und die Schaffung von Arbeitsplätzen.
Die irakische Regierung beziffert die Kosten für den Wiederaufbau auf etwa 88 Milliarden Dollar, kurzfristig würden 22 Milliarden als Soforthilfe gebraucht. Vor allem Wohnungen und Investitionen in die Infrastruktur werden gebraucht. Wie kann Siemens da helfen?
Siemens ist dankbar und stolz darauf, ein Teil der Zukunft des Irak zu sein, genau wie wir Teil seiner Vergangenheit waren und das Land nie verlassen haben - nicht einmal in den schwierigsten Zeiten. Nach mehr als acht Jahrzehnten, in denen wir im Irak mit lokalen Partnern an Schlüsselprojekten in der Infrastruktur gearbeitet haben, sind wir gut positioniert, um den Übergang des Landes zu einer stabilen und erfolgreichen Volkswirtschaft mitzugestalten.
Allerdings sehen wir unsere Rolle nicht nur auf die eines Technologiepartners beschränkt, sondern dass wir außerdem Finanzlösungen für Projekte vermitteln, sowie Weiterbildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten für die Menschen hier anbieten. Iraks Bevölkerung ist jung, die Lage ist stabiler geworden und dazu kommt der Reichtum an Rohstoffen. Das ergibt ein solides Fundament, auf dem man eine wohlhabende Gesellschaft aufbauen und eine großartige Zukunft für das Land und seine Bevölkerung entstehen kann.
Es ist die Rede von 157 Projekten, für die der Irak private Investoren sucht. Können Sie uns sagen, um welche Art von Projekten es sich dabei handelt und welche aus der Sicht ihres Unternehmens besonders interessant sind?
Wir haben vor kurzem mehrere Verträge mit dem irakischen Ministerium für Elektrizität unterzeichnet. Der letzte beinhaltet Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen für sieben Generatoren-Einheiten in vier Kraftwerken in den Regionen Süd Basra, Salah El Deen, im mittleren Irak und am Mittleren Euphrat. Dieses Projekt wird die Zuverlässigkeit und Effizienz dieser Einheiten erhöhen und sie in die Lage versetzen, zusammen mehr als 1000 Megawatt (MW) Strom - 400 MW mehr als bislang - zu produzieren und gleichzeitig bis zu zehn Prozent an Brennstoff einzusparen.
Das reicht aus, um rund drei Millionen Iraker zuverlässig mit Strom zu versorgen. Wir können aber nicht nur Energie erzeugen, sondern können sie auch weiterleiten und flächendeckend verteilen. Es gibt kein anderes Unternehmen, das all das anbieten kann - Stromerzeugung, -übertragung und -verteilung aus einer Hand. Dieser "One-Stop-Shop" ist sehr praktisch für unsere Kunden, die sich sicher sein können, dass die Arbeit gut gemacht wird. Siemens kann außerdem die Entwicklung des Landes in verschiedenen Bereichen unterstützen, die entscheidend für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum sind. Dazu zählen der Transportsektor, das Gesundheitswesen, Bautechnologie und intelligente städtische Infrastruktur.
Nun sind die Investitionsbedingungen im Irak sicher alles andere als optimal. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller hat in Kuwait auf hohe bürokratische Hürden, intransparente Vergabeprozesse und eine grassierende Korruption verwiesen. Hält das nicht davon ab, sich im Irak zu engagieren?
Wir sind seit mehr als 80 Jahren Partner des irakischen Volkes. Wir sind immer geblieben, haben das Land nie verlassen und sind ein zuverlässiger Partner geworden, dem man vertraut. Wir helfen wirklich der Gesellschaft und halten, was wir versprechen. Genauso, wie wir das in Ägypten mit unserem Mega-Projekt gemacht haben, wo wir drei der weltgrößten Kraftwerke in Rekordzeit geliefert haben. Das gleiche können wir auch im Irak umsetzen. Die Regierung und das Volk des Irak können sich auf Siemens als starken und zuverlässigen Partner verlassen, der die Entwicklungsziele des Landes unterstützt.
Siemens, Sie haben es bereits erwähnt, hat ja bereits im März 2016 eine weitreichende Energiepartnerschaft mit der irakischen Regierung vereinbart. Wie lässt sich das mit den neuen Projekten verknüpfen?
Wir sind auf jeden Fall imstande und erfahren genug, um jedem Bürger des Irak verlässliche, bezahlbare und nachhaltige Energie zu liefern. Das ist der Eckpfeiler der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung des Landes. Die Stromversorgung sicherzustellen ist im Moment wahrscheinlich die größte Herausforderung für den Irak. Wir wissen, dass das Stromnetz - besonders im Sommer - enorm beansprucht wird. Mit einem Jahr für Jahr steigenden Strombedarf müsste der Irak seine Kraftwerkskapazitäten bis 2025 um 40 Gigawatt (GW) steigern. Es müssen neue Projekte umgesetzt werden, die eine schnelle und zuverlässige Stromversorgung und technologische Verbesserungen genauso umfassen, wie die Erneuerung und Verbesserung des existierenden Stromnetzes.
Siemens hat eine Studie über die Stromversorgung im Irak erstellt und einen Plan ausgearbeitet, um Lösungen für die dortigen Herausforderungen aufzuzeigen, technologisch und was die Finanzierung angeht. Wir verfügen über lokales Know-how, sowie eine zuverlässige und erprobte Technologie, die das Land bei seinen Energieanforderungen kurz-, mittel- und langfristig unterstützen kann. Wir wissen was getan werden muss, um die Energieversorgung auf wirtschaftlich optimale Weise zu verbessern und bieten an, Hand in Hand mit der irakischen Regierung zu arbeiten, um das in kurzer Zeit Wirklichkeit werden zu lassen. Wir haben Mega-Projekte im Nahen Osten in Weltrekord-Zeit umgesetzt. Damit haben wir eine hervorragende lokale Expertise und Know-how in dieser Region.