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Siemens - das Ende des Hoffnungsträgers

Johanna Schmeller31. Juli 2013

Der Aufsichtsrat hat entschieden: Siemens-Chef Peter Löscher muss gehen, sein Nachfolger wird der bisherige Finanzvorstand Joe Kaeser. Was sind die Hintergründe der Entscheidung?

Der scheidende Siemenschef Peter Löscher. (Foto: Peter Kneffel/dpa)
Siemens Peter LöscherBild: picture-alliance/dpa

Peter Löscher, seit sechs Jahren Siemens-Vorstandschef, wird seinen Posten  zum 1. August 2013 räumen. Das beschloss der Aufsichtsrat des Unternehmens in seiner Sitzung am Mittwoch (31.07.2013). Neuer Siemens-Chef wird Joe Kaeser, der bisherige Finanzvorstand des Konzerns. Der Beschluss der Aufsichtsrats fiel einstimmig.

Grund für den Rauswurf sind wohl anhaltend schlechte Unternehmensbilanzen . Zuletzt musste Löscher das Renditeziel für 2014 nach unten korrigieren.

Ein Abgang mit Pauken und Trompeten

Seinen Abgang knüpfte der 55-Jährige Löscher zuerst an eine Bedingung: Auch Aufsichtsratschef Gerhard Cromme solle seinen Posten räumen. Mittlerweile ist Löscher in diesen Punkt zurückgerudert und fügt sich seinem Rauswurf.

Aufsichtsratschef Gerhard Cromme (li.) hat Peter Löscher 2007 zu Siemens geholtBild: picture-alliance/dpa

Ob es tatsächlich so weit hätte kommen können, bleibt fraglich: "Der Aufsichtsrat ist derjenige, der den Vorstand bestellt", erklärt die Wirtschaftsanwältin Daniela Bergdolt im Gespräch mit der ARD. "Forderungen von Seiten des Vorstands an den Aufsichtsrat zu stellen, zeugt von Unkenntnis der tatsächlichen Rechtslage." Doch scheint gerade diese Forderung beispielhaft für den Führungs- und Kommunikationsstil jenes Mannes, der dem Münchner Konzern in den letzten Jahren eine Berg- und Talfahrt beschert hat.

Szenen einer Männerfreundschaft

2007 war es Gerhard Cromme gewesen, der Peter Löscher zu Siemens gebracht hatte - als ersten konzernfremden Vorstandsvorsitzenden überhaupt. Siemens steckte gerade im größten Korruptionsskandal der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Der frische Wind von außen schien da die Lösung für interne Probleme zu sein: Der österreichische Manager des US-Pharmaunternehmens Merck wurde nach Deutschland geholt, um bei Siemens aufzuräumen.

Der smarte, weltgewandte Löscher galt als der richtige Mann für den krisengeschüttelten Großkonzern: In Wien, Hongkong und Harvard hatte er Wirtschaft studiert, bevor er in internationalen Pharmaunternehmen Karriere machte, unter anderem bei Hoechst, Aventis und bei Merck. Seine internationale Erfahrung und seine genaue Kenntnis des US-Marktes machten ihn zum Hoffnungsträger für Siemens - und zum Vertrauensmann für internationale Partner. Der Außenseiter Löscher sollte verkrustete Binnenstrukturen des Konzerns ohne Rücksicht auf langjährige Seilschaften aufbrechen.

Patzer, Pech, Verluste

Nach einer erfolgreichen Krisenstrategie in den Jahren 2008 und 2009 sorgte Löscher dann allerdings zunehmend für Negativschlagzeilen. Mit allzu mutigen Wachstumsprognosen hatte er sich weit vorgewagt. "Es ist klar, dass wir die hohen Ziele erreichen möchten, die wir uns selbst gesetzt haben", ein typisches Peter-Löscher-Zitat, wie es viele gibt. Es gehe für Siemens um einen "Spitzenplatz, immer relativ zum Wettbewerb". Denn: "Mittelfeld ist für Siemens einfach nicht genug."

Siemens: Querelen um Löscher

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Einlösen konnte er seine Versprechen dann allerdings nicht. Die Siemens-Aktie verlor während seiner Amtszeit rund 20 Prozent an Wert. Im Frühjahr 2011 annoncierte Peter Löscher ein Umsatzziel von 100 Milliarden Euro sowie eine Rendite von zwölf Prozent - und blieb erneut hinter seinen Prognosen zurück. Der wichtigste Konkurrent auf dem Weltmarkt, General Electrics, erreichte die Zwölf-Prozent-Marke - Siemens dagegen musste sich mit nur sieben Prozent zufriedengeben, lag also nur knapp über der Hälfte. Löscher habe die Konjunkturentwicklung der Märkte konsequent falsch eingeschätzt, so der Vorwurf.

Auch mit Investitionen in erneuerbare Energien lag Siemens in den letzten Jahren daneben: Die Solarsparte musste komplett abgewickelt werden, die teure Übernahme des israelischen Solarunternehmens Solel erwies sich damit als Fehlgriff. Brüchige Windenergie-Rotorblätter mussten zurückgezogen werden. Und die Deutsche Bahn wartet bis heute auf neue ICE-Züge, die Siemens wegen elektronischer Mängel nicht ausliefern konnte. Man sei "mit einzelnen Projekten in den vergangenen Monaten nicht so erfolgreich" gewesen, "wie wir und unsere Kunden es sich vorgestellt hatten", gab Löscher sich bei der letzten Hauptversammlung kleinlaut.

Lieferschwierigkeiten bei neuen Zügen waren nur eine von vielen Verfehlungen, die Siemens angelastet wurdenBild: picture-alliance/dpa

Kommunikative Pannen

"Das waren Kommunikationsfehler, diese Strategie, immer wieder ein kleines Schrittchen zurückzugehen", sagt die Wirtschaftsanwältin Daniela Bergdolt. "Die Gewinnwarnung blieb stets unerklärt." Löscher sei nur stückweise von seinen Zielen abgerückt, und in diesen langfristigen Verfehlungen liege "sicherlich der Grund für den Rauswurf", glaubt Bergdolt. Zudem sei Löscher immer ein "Fremder im Konzern" geblieben, sei nie ein "Siemensianer" geworden, wie langjährige Siemens-Angestellte umgangssprachlich genannt werden.

Intern schwand deshalb schnell die Unterstützung. Im Rahmen seines Sparprogramms "Siemens 2014" verantwortete Löscher zudem Stellenstreichungen und brachte die Belegschaft endgültig gegen sich auf. "Peter Löscher hat es nicht geschafft, wirkliche Visionen zu haben und die Reihen geschlossen hinter sich zu bringen", resümiert Bergdolt.

Ein "Intrigant" als Nachfolger?

Seinen Rauswurf sieht Löscher selbst als "infames Komplott", wie er nach Angaben der Süddeutschen Zeitung im kleinen Kreis geäußert haben soll. Als Urheber der (angeblichen) Intrige gegen ihn betrachtet Löscher Joe Kaeser, der ihn nun als Vorstandschef ablöst. Der 56-jährige bisherige Finanzvorstand hatte an Löschers Zwölf-Prozent-Rendite-Ziel mitgearbeitet - es gegenüber dem Aufsichtsrat dann jedoch als Risikostrategie dargestellt.

Lange Kollegen, jetzt Rivalen: Siemens-Finanzvorstand Joe Kaeser (li.) und Peter LöscherBild: picture-alliance/dpa

Ob Kaeser allerdings der richtige Mann für die nachhaltige Aufbesserung des angeschlagenen Konzernimages ist? Beobachter sind skeptisch. "Man sieht bereits an der Art, wie die Ablösung stattgefunden hat, dass es hier keinen langfristigen Plan gibt", so der Münchner Wirtschaftsexperte Christoph Kaserer im ARD-Interview. Niemand müsse innerhalb von drei Tagen eine so gewichtige Entscheidung treffen. "Siemens hat nicht nur interne Probleme - sondern auch ein Problem mit seinem Aufsichtsrat."

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