Der Drache hinter dem Mond
29. Mai 2015Die dunkle Seite des Mondes ist gewissermaßen ein blinder Fleck. Niemand weiß genau, welches Gestein dort liegt, und welche wertvollen Rohstoffe dort zu entdecken sind. Alles was es gibt, sind Fotos von Sonden, die an der Kehrseite vorbeigeflogen sind. Das wollen die Chinesen jetzt ändern. Peking hat vergangene Woche die erste bemannte Mission zur dunklen Seite des Mondes angekündigt.
Diese heikle Mondmission, die nach der chinesischen Mondgöttin Chang'e benannt ist, wird voraussichtlich 2020 starten. Vorgänger Chang'e 3 sorgte bereits vergangenes Jahr für Aufregung auf dem Mond. Ein Roboter stellte sich tot, meldete sich jedoch zurück, als die chinesischen Ingenieure ihre Hoffnung schon fast aufgegeben hatten. Seitdem sendet er wertvolle Daten zurück zur Erde. Nun soll Chang'e 4 – eigentlich nur als Reserve gedacht – ebenfalls Berühmtheit erlangen.Die dunkle Seite des Mondes heißt so, weil wir sie auf Grund der gebundenen Rotation des Mondes zur Erde nicht sehen können. Die Sonne scheint dort dennoch regelmäßig. Die Amerikaner oder Russen sind bisher nicht dort gelandet, weil Ihnen die Mission zu teurer ist. Und sie ist wegen der längeren Umlaufbahn um den Mond viel komplizierter.
Der amerikanischen NASA ist es den Aufwand nicht wert. Sie konzentriert sich auf die Reise zum Mars. Das könnte jedoch eine Fehlentscheidung sein. Mit jeder weiteren unbemannten Mondmission sammeln die Chinesen nämlich wichtiges Know-how und die nötige Landeroutine für folgende Marsmissionen. Und die Bodenschätze, die dort zu finden sein können, wird China nicht teilen wollen. Es geht vor allem um Helium-3. Das kann man nutzen, um Energie zu erzeugen.
Eigene chinesische Raumstation geplant
Anders sieht es in Russland aus. Moskau will mit Peking kooperieren. Jedenfalls machte Russlands Vizepremier Dmitri Rogosin Peking vergangenes Jahr Avancen. Und Oleg Ostapenko, der Chef der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos, präsentierte auf der Airshow China 2014 wie eine Kooperation der beiden Nationen aussehen könnte. Dabei ging es vor allem um elektronische Bauteile für die Raumfahrt, die Russland wegen des europäischen Hightech-Embargos dringend benötigt. China wiederum hat nichts gegen eine Zusammenarbeit mit Russland – im Gegenteil. Die Aussicht auf russisches Know-how bei Raketensystemen gefällt Peking gut. Denn in diesem Bereich hinken die Chinesen den großen Raumfahrtnationen noch hinterher.
Die chinesische Rakete „Langer Marsch 2F“ kann etwa elf Tonnen Last ins Weltall befördern. Die russische Angara 5, die Ende dieses Jahres fertig entwickelt sein soll, soll mehr als das Doppelte tragen können. Und solche Lastenträger brauchen die Chinesen für ihre ehrgeizigen Pläne im Weltraum. Die nach der Kaufkraft gerechnet bereits größte Wirtschaftsmacht der Welt möchte für die Zukunft vorsorgen.
Rohstoff für Energiequelle der Zukunft?
Anfang des Jahres stellten die Chinesen deshalb eine Solaranlage fürs All vor. Die würde allerdings um die 10.000 Tonnen wiegen, schon auf der Erde kein Fliegengewicht. Diese Masse in den Weltraum zu befördern wäre eine Mammutaufgabe. Darüber hinaus planen die Chinesen eine eigene Raumstation, ähnlich wie die ISS. Die Station, Tiangong genannt, soll in mehreren Stadien bis 2022 fertig sein. Das erste Modul dafür schoss man bereits 2011 in den Orbit.
Die nächste unbemannte Mission ist bereits in Planung: Chang'e 5 soll dann erstmals bis zu 2 Kilogramm Gesteinsproben für die Chinesen zurück zur Erde bringen. Darauf ist sicherlich nicht nur die Wissenschaft gespannt, sondern auch die Wirtschaft. Denn auf dem Mond wird etwa eine Million Tonnen an Helium-3 vermutet. Nach Ansicht vieler Wissenschaftler könnte Helium-3 die Energiequelle der Zukunft werden, wenn erst die dafür benötigten Fusionsreaktoren zur Serienreife gelangen. Doch allein die Chance auf so einen ertragreichen Rohstoff ist für China Anlass genug, Milliarden Dollar in die Raumfahrt zu investieren. Einen Versuch ist es jedenfalls wert.
DW-Kolumnist Frank Sieren lebt seit 20 Jahren in Peking.