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Politik

Sierens China: Der Kampf ums sichere Netz

Frank Sieren
18. Mai 2017

Am 1. Juni tritt in China ein umstrittenes Cybersecurity-Gesetz in Kraft. Der jüngste globale Hackerangriff macht es den Kritikern des Gesetzes jetzt jedoch viel schwerer, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

China Weltweite Cyberattacke
Auch China war von der jüngsten Hackerattacke Ende der vergangenen Woche betroffenBild: picture-alliance/AP Photo/M. Schiefelbein

So ganz passt es ja irgendwie nicht: Wirtschaftlich sucht China schon seit längerem eine engere globale Zusammenarbeit. Internationale Kooperation statt Isolation hat Peking sich groß auf die Fahnen geschrieben. Freihandelszonen werden geschaffen, Visaregeln abgeschwächt und Handelsverträge geschlossen. Gerade ist der Gipfel um die Wiederbelebung des Handels entlang der ehemaligen Seidenstraße in Peking zu Ende gegangen. Die Nachbarn Chinas sollen bis nach Europa und Afrika von den Investitionen Chinas in Infrastruktur und Handel profitieren.

Nur an einer Grenze bleibt die Führung hart: der virtuellen. Hier bewegt sich nichts in Richtung einer Liberalisierung. Im Gegenteil: Die jüngsten weltweiten Hackerangriffe machen es der Regierung sogar noch leichter, ihre Pläne der verstärkten Netzkontrolle durchzuziehen. Vergangenen November beschloss der Nationalkongress einen Gesetz zur Internetsicherheit, das nun am 1. Juni in Kraft treten wird.

Detaillierte Offenlegung ausländischer Produkte

Das Gesetz sieht unter anderem die Gründung eines Komitees vor, das technische Produkte von ausländischen Firmen evaluieren soll, bevor sie in China verwendet werden dürfen. Dafür müssen die Unternehmen dem Komitee viele wertvolle Informationen, wie etwa genaue technische Details und Verschlüsselungsdaten bereitstellen. Ursprünglich wurden sogar die Quellcodes verlangt, aber nach heftiger Kritik aus dem Ausland hat man diesen Punkt wieder aus dem Gesetz gestrichen. Trotzdem werden weiterhin sensible Daten gefordert und allein die Tatsache, dass alle ausländische Hard- und Software diesen Prozess durchlaufen muss, chinesische aber nicht, sorge natürlich für Wettbewerbsnachteile, so die Kritiker.

Deswegen fordern 54 verschiedene Handelsverbände in einem gemeinsamen Brief einen Aufschub des Gesetzes. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderen das US-China Business Council, Business Europe, die American Chamber of Commerce in China, das japanische Pendant und auch die Deutschen haben unterschrieben. Eine Antwort auf die Forderung gab es bisher allerdings nicht aus Peking.

Gesetzliche Gefahrenabwehr

Das neue Gesetz legt einen Schwerpunkt auf die Sicherheit und den Schutz von Netzwerken. Zudem werden in den 79 Artikeln des Entwurfs viele Zuständigkeiten definiert. So wird in Zukunft zum Beispiel genau festgelegt sein, wer für den Inhalt von Webseiten oder das Sichern von relevanten Daten verantwortlich ist und welche Strafen bei Verstoßen verhängt werden. Bei Notfällen, wie Systemversagen oder Hackerangriffen werden bestimmte Vorgehensweisen festgelegt. So eine Art Handbuch ist im Grunde erst mal hilfreich für alle Beteiligten, weil so jeder weiß, wo er steht. Die Regierung hat einen aktuellen Internetleitfaden und die Internetbetreiber kennen ihre Grenzen.

DW-Kolumnist Frank SierenBild: picture-alliance/dpa/M. Tirl

Wie notwendig das ist, zeigt der noch laufende WannaCry-Angriff, der auch in China Teile öffentlicher IT-Strukturen erwischt hat. Über 30.000 verschiedene chinesische Stellen sollen betroffen sein: die Polizei ebenso wie Regierungsstellen, aber auch Schulen und Universitäten. Zwar wird der direkte Schaden als nicht so groß eingeschätzt. Der Angriff macht deutlich, wie anfällig viele Systeme heute sind und wie schnell sich so ein Virus verbreiten kann, wenn eine entsprechende Lücke besteht. Von daher ist es durchaus sinnvoll, die Internetgesetze auf dem neuesten Stand zu halten.

Zum Problem wird ein solches Gesetz jedoch in dem Moment, wenn es die Neutralität der Beteiligten gefährdet und dem Land des Gesetzgebers einseitig Vorteile verschafft. Genau diese Kritik zieht das neue Internetgesetz aus Peking auf sich. Nicht nur durch die Bevorzugung chinesischer Produkte vor ausländischen, wie oben beschrieben, sondern auch, weil chinesische Internetnutzer künftig Opfer der strengeren Cybersecurity-Regulierungen werden dürften. Denn die chinesische Regierung will nicht nur die Sicherheit im Netz erhöhen, sondern selbstverständlich auch Inhalte kontrollieren. Das ist zwar prinzipiell nichts Neues, aber der Spielraum der Behörden wird mit dem neuen Gesetz größer.

Qualifizierung bei der staatlichen Agentur

Schon seit Anfang Mai werden Nachrichtenportale und Suchmaschinen stärker unter die Lupe genommen. Wer für eine News-Seite arbeitet, muss sich erst in einem Qualifikationssystem der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua beweisen. So sollen Falschnachrichten, Gerüchte und gefährliche Informationen bekämpft werden, heißt es offiziell. Das mag nicht ganz verkehrt sein, aber genauso klar ist, dass auf diese Weise in erster Linie systemkritische Elemente und unerwünschte Diskussionen im Internet minimiert werden sollen.

Aber das Internet wäre nicht das, was es ist, wenn sich nicht auch in Zukunft Wege um diese Regulierungen herum finden würden. Das hat in der Vergangenheit bereits über virtuelle private Netzwerke, kurz VPNs, private WeChat-Gruppen - vergleichbar mit dem Kurznachrichtendienst WhatsApp - oder andere Kniffe gut geklappt. Eine eiserne Internet-Regel sollte die Regierung in Peking nicht vergessen: Im Internet gibt es immer jemanden, der schlauer ist als die Kontrolleure.

Unser Korrespondent Frank Sieren lebt seit über 20 Jahren in Peking.

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