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Sierens China: Durch den Seiteneingang

Frank Sieren25. November 2015

In Suzhou trafen sich China und 16 Staaten Osteuropas zu ihrem vierten Gipfel. Unter den Westeuropäern sollte der 16+1 Kreis größere Beachtung finden, denn es betrifft auch sie, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

China, CEE Gipfel in Suzhou
Bild: picture alliance/ZUMAPRESS.com/G. Jie

Seit 2012 pflegen China und 16 europäische Länder eine wirtschaftliche Plattform. Das ärgert die Europäische Union, weil sich Peking in dieser Frage nicht mit Brüssel abstimmt. Die chinesische Regierung wiederum steht auf dem Standpunkt, dass sie mit souveränen Staaten Geschäfte machen kann, wenn diese das wollen. Mit Brüssel habe das nichts zu tun. Und die souveränen Staaten wollen.

16+1 Mechanismus nennen die Partnerländer diese Beziehung ganz einfach, die Peking mit einem Teil von Mittel- und Osteuropa, kurz CEE (Central and East European Countries) geschlossen hat. Sechzehn europäische Länder entwickeln seit mehr als drei Jahren mit China gemeinsame Projekte, schließen Verträge und profitieren voneinander. Schaut man sich die Liste der teilnehmenden CEE Länder an, ergibt sich ein klares Bild: Es steckt mehr Ost- als Zentraleuropa drin.

Investitionen mit Hintergedanken

China investiert in das ökonomisch schwächelnde Osteuropa - und das nicht ohne Hintergedanken. In dieser Woche trafen sich die Beteiligten zum insgesamt vierten Mal - und nun erstmals in China. Chinas Premier Li Keqiang hatte die Präsidenten der Länder nach Suzhou in die Nähe von Schanghai eingeladen. Anschließend gab es noch einen Empfang bei Chinas Präsidenten Xi Jinping in Peking. Erstmals konzentriert China sich allein auf Osteuropa.

16+1 ist kein Debattierklub. Seit dem ersten Treffen der Initiative in Warschau sind schon einige Projekte erfolgreich angelaufen - zum Großteil im Infrastruktur- und Energiesektor wird Osteuropa auf die Beine gestellt. Im Energiesektor helfen die Chinesen Rumänien mit etwa einer Milliarde Dollar bei einem neuen Kohlekraftwerk aus. Vor zwei Wochen erst wurde nach Angaben der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua eine Absichtserklärung unterzeichnet, nach der China General Nuclear zwei neue Blöcke in dem rumänischen Cernadova Atomkraftwerk bauen soll. In Serbien modernisieren die Chinesen ein Wärmekraftwerk.

DW-Kolumnist Frank SierenBild: picture-alliance/dpa/M. Tirl

Bereits im vergangenen Jahr wurde in dem gut sieben Millionen Einwohner zählenden Land die erste von Chinesen erbaute Brücke in Europa eröffnet. Anfang dieses Jahres hat Peking einen Vertrag für die Modernisierung einer 370 Kilometer langen Zugstrecke von Belgrad nach Budapest unterzeichnet. In Mazedonien werden für etwa 580 Millionen Euro zwei neue Autobahnstrecken gebaut, finanziert von einer chinesischen Bank.

Vernetzung fördern, Handelswege ausbauen

Aber es geht nicht nur darum, Osteuropa besser zu vernetzen, sondern auch China mit Osteuropa. Seit etwa zwei Monaten gibt es eine direkte Flugverbindung von Prag nach Peking. Die erste direkte Zugverbindung zwischen Polen und China wurde bereits 2013 eröffnet. 15 Tage brauchen Container seitdem aus dem chinesischen Chengdu in die drittgrößte polnische Stadt Lódz.

Alles Projekte, für die Brüssel kein Geld oder keine Zeit hat. Eine Marktlücke, die Peking zu recht nutzt. Und das zahlt sich wirtschaftlich aus. Das Handelsvolumen zwischen China und den CEE-Ländern betrug 2010 gerademal 43,9 Milliarden US-Dollar. Im vergangenen Jahr waren es schon knapp 17 Milliarden Dollar mehr. Und die Länder sind Peking auch politisch dankbar.

Prestigeprojekt Neue Seidenstraße

Hinzu kommt, dass die Projekte in eines der wichtigsten außenpolitischen Projekte Chinas passen: die Neue Seidenstraße. Es soll eine Verbindungsbrücke zwischen China und Europa entstehen, deren Vorbild die berühmten alten Handelsrouten sind. 40 Milliarden Dollar Investitionen plant man in Peking für diese Vision in der ersten Runde und hat eigens dafür die Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank mit einem Gesamtkapital von 100 Milliarden Dollar gegründet. Auch Deutschland ist Gründungsmitglied.

Die Formel ist also einfach: Je besser die Infrastruktur der sechzehn Staaten, desto erfolgreicher wird das Projekt Neue Seidenstraße. Auf dem jüngsten 16+1 Treffen im Dezember 2014 kündigte Chinas Premier Li Keqiang deswegen an, die Region mit mindestens zehn Milliarden Dollar fördern zu wollen. Nun entbrennt im Osten Europas bereits ein Wettbewerb um die Gunst Pekings. Polens Präsident Andrzej Duda beispielsweise hat schon eine Idee, welche wichtige Rolle Polen im Projekt Seidenstraße spielen kann: Eine Art Logistikzentrum soll sein Land werden. Mit der direkten Zugverbindung Lódz-Chengdu ist damit schon ein Anfang gemacht.

Brücke nach Westeuropa gesucht

Natürlich sucht China mit seinem Engagement im Osten auch einen neuen Zugang zu Westeuropa, quasi durch den Seiteneingang. Brüssel ist allerdings selbst schuld. Man hat Osteuropa zu lange links liegen gelassen. Erst als der vernachlässigte Osten merkte, dass seine Probleme in Brüssel keine hohe Priorität haben, wandte man sich nach Asien. Bei dem Besuch des chinesischen Außenministers Wang Yi im vergangenen Monat zeigten neben Polen auch Tschechien und Bulgarien großes Interesse, eine zentrale Rolle bei dem Projekt Neue Seidenstraße zu spielen. Wang sagte zudem, dass China eben nicht nur interessiert daran sei, Partnerschaften mit den alten Machtzentralen wie Großbritannien, Deutschland und Frankreich zu pflegen, sondern mit allen Regierungen Europas. Ganz nach dem Motto "Neue Anfänge, neue Felder, neue Visionen" unter dem das aktuelle 16+1 Treffen in China steht.

Unser Korrespondent Frank Sieren lebt seit mehr als 20 Jahren in Peking.

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