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Politik

Sierens China: Geschickt gekontert

Frank Sieren
18. Januar 2017

Chinas Präsident Xi Jinping hat in Davos die Welt mit seinem Plädoyer für Freihandel überzeugt. Und das, obwohl niemand so geschickt seinen Markt schützt wie Peking, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

Bildkombo Donald Trump Xi Jinping

Dafür müsste sich der chinesische Präsident Xi Jinping beim neuen US-Präsidenten Donald Trump eigentlich bedanken. Mit seinen bruchstückhaften Überlegungen, wie er die USA vor den Nachteilen des Freihandels abschotten kann, hat Trump die Welt verunsichert. Xi wiederum hat diese offene Flanke geschickt genutzt, sich in Davos als Vorkämpfer der Globalisierung positioniert und damit den Menschen nicht nur im Westen aus den Herzen gesprochen. Der gleiche Präsident übrigens, dem noch vor Wochen Protektionismus vorgeworfen wurde, der dafür verantwortlich gemacht wurde, mit staatlich subventioniertem Stahl die westlichen Märkte zu überschwemmen. Der gleiche Präsident, dessen Land die EU den Marktwirtschaftsstatus verwehren will.

In dem Maß, in dem Trump überzogen ins Negative, total Protektionistische interpretiert wird, darf Xi nun in den Medien den Vorkämpfer einer gerechten Globalisierung spielen. Doch Xi ist weder der Che Guevara der freien globalen Wirtschaft, noch ist Trump der Rächer der amerikanischen Enterbten der Globalisierung. Beide haben schlicht unterschiedliche Interessen. Trump muss schauen, wie er von dem jährlichen amerikanischen Handelsbilanzdefizit von rund 800 Milliarden US-Dollar herunterkommt und zu Hause Arbeitsplätze schafft. Xi muss seinen Handelsbilanzüberschuss verteidigen, indem er möglichst viele Produkte in die Welt verkauft. Xis Position deckt sich weit mehr mit den Interessen zum Beispiel Deutschlands.

China und die USA: Unterschiedliche Interessen

Es gefällt uns, wenn Xi betont, dass Protektionismus niemanden weiterbringe, dass alle im selben Boot sitzen, keiner einen Handelskrieg gewinnen könne und dass nicht die wirtschaftliche Globalisierung Schuld an den vielen Flüchtlingen, dem Terror und der Armut sei. Und dass er einräumt: "Nichts auf der Welt ist perfekt, auch der Freihandel nicht", macht ihn nur überzeugender. Deshalb müsse man den Handel kontinuierlich verbessern, fordert Xi. Zum Beispiel durch kluge Spielregeln. Wenn man einen Ozean überqueren will, könne man nicht bei jedem Sturm zurück in den sicheren Hafen kehren, ruft Xi Trump zu, ohne seinen Namen zu erwähnen.

DW-Kolumnist Frank SierenBild: picture-alliance/dpa/M. Tirl

Ja, aber wenn das Schiff im Sturm unterzugehen droht, ist es dämlich, keinen schützenden Hafen anzulaufen, mag Trump am Freitag bei seiner ersten Rede als Präsident zurückrufen. Die Welt sieht aus der Perspektive einer aufsteigenden Weltmacht wie China und einer absteigenden wie den USA halt unterschiedlich aus. Was beide allerdings vereint: Peking und Washington werden keine Minute davon ablassen, für die jeweiligen Interessen ihrer Nationen zu kämpfen. Sie werden nur dort Kompromisse eingehen, wo es ihnen nützlich erscheint. Das ist eigentlich selbstverständlich, gerät jedoch in diesen verrückten Zeiten aus dem öffentlichen Blickwinkel. Denn viele sind derzeit vor allem damit beschäftigt, Gründe zu sammeln, warum auch immer sie Trump nicht leiden können, und nun auch, warum Xi unser neuer Held ist.

Vom Handelskrieg profitiert niemand

Xi wird sich, wenn es China nutzt, natürlich im Zweifel auch gegen die stellen, die ihm derzeit applaudieren. Und Trump wird natürlich Kompromisse machen mit denen, die er gegenwärtig angreift, wenn es der beste Deal ist, den er für die USA rausholen kann. Dabei sind beide nicht frei in ihrer Entscheidung. Jeder ist in seinem Dilemma gefangen: China muss sich mehr mit der Welt vernetzen, wenn es erfolgreich sein will, und darf gleichzeitig nicht zu abhängig von den Schwankungen der Weltwirtschaft werden. Die USA müssen mehr im eigenen Land produzieren, ohne dass Produkte für die Amerikaner teurer werden, die bisher im Ausland billiger hergestellt werden können.

Jeweils die Balance zwischen diesen Polen herzustellen, ist die erste Aufgabe der beiden Präsidenten in Peking und Washington. Die zweite große Frage ist dann, wie gleichzeitig ein Kompromiss aussehen könnte. Ein Handelskrieg, das wissen beide, ist keine Lösung. Wenn Trump damit droht, alles - auch die Ein-China-Politik - in Frage zu stellen, dann läuft er sich vor allem warm für die Verhandlungen mit China in Handelsfragen. Mehr nicht. Und es ist sein gutes Recht, die Frage zu stellen, inwieweit sich Washington noch beim Umgang mit Taiwan an den Wünschen Pekings orientieren soll. Gleichzeitig ist es nicht überraschend, dass Peking damit droht, "dann die Handschuhe auszuziehen".

Schwierige Suche nach Kompromissen

Dass es darüber sogar einen Krieg gibt, ist sehr unwahrscheinlich. Für die Chinesen sind die politischen und wirtschaftlichen Kosten zu hoch. Und auch Donald Trump hat schon deutlich gemacht, dass er den zweiten Irakkrieg für eine der schlechtesten Entscheidungen in der amerikanischen Geschichte hält. Es war, "wie Steine in ein Wespennest zu werfen". Was er nicht sagt, aber weiß: Sich mit China anzulegen, wäre wie eine Herde Bullen mit einem roten Tuch zu locken. Ab Montag, dem ersten Arbeitstag des US-Präsidenten, sollte die Phase vorbei sein, in der die einen darüber feixen, dass sie es den anderen aber gezeigt haben und sie selbst die richtige Weltsicht haben. Ab Montag beginnt die Zeit der mühsamen Kompromisse in einer multipolaren Weltordnung. Und um diese Aufgabe sind weder Donald Trump noch Xi Jinping zu beneiden.

DW-Kolumnist Frank Sieren lebt seit 20 Jahren in Peking.

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