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Politik

Hilfe mit Hintergedanken

Frank Sieren
25. März 2020

Peking nutzt die Gunst der Stunde in der Coronakrise, um auf der Weltbühne mit Hilfeleistungen Vertrauen gut zu machen. Die USA sind als verlässlicher Partner hingegen ausgefallen, meint Frank Sieren.

Coronavirus | Internationale Hilfe für Italien
Am Flughafen Wien wird Hilfsmaterial ais China entladen, von wo es nach Tirol gebracht wirdBild: imago images/photonews.at

In China geht die Zahl der COVID-19-Neuinfektionen kontinuierlich zurück. In der Provinz Hubei dürfen die Menschen unter Einschränkungen endlich wieder reisen. Und schon am 8. April soll dann auch die Ausgangssperre in Wuhan fallen. Die chinesische Wirtschaft nimmt an allen Enden langsam aber stetig Fahrt auf und nimmt im ersten Schritt seine asiatischen Nachbarn mit. Das ist wichtig, denn China und Asien machen jeweils 30 Prozent des Wachstums der Weltwirtschaft aus. China handelt schon heute mehr mit Asien als mit den USA, und da ist noch viel Spielraum nach oben.

Anderswo auf der Welt blickt man sehnsüchtig auf die sich entspannende Lage im einstigen Epizentrum. Viele Länder fürchten weiterhin den Total-Kollaps ihrer Gesundheitssysteme - etwas, das China mit nie dagewesenen Quarantäne-Maßnahmen gerade noch abwenden konnte.

Globale Hilfsoffensive aus Peking

Ohne sich auch nur kurz auszuruhen hat Peking nun eine globale Hilfsoffensive gestartet, um den am stärksten vom Virus betroffenen Ländern unter die Arme zu greifen. Millionen Schutzmasken, Laboranzüge und Test-Kits wurden in die EU geliefert, und dort vor allem nach Italien, Spanien, Frankreich und Österreich. Auch die Philippinen, Pakistan, Sri Lanka, Iran, Irak und mehrere afrikanische Staaten haben Unterstützung aus China erhalten. Teilweise schickt Peking ganze Ärzteteams los, die basierend auf den Erfahrungen zuhause die Pandemie nun auch im Ausland bekämpfen sollen - von der einen Front an die nächste. "Solidarität und Zusammenarbeit ist nun die mächtigste Waffe, die wir haben", erklärt Chinas Staats-und Parteichef Xi Jinping.

Ärzte aus Shanghai sind vor zwei Wochen schon Rom gelandet. Der Frachtraum voll mit HilfsgüternBild: AFP/Stringer/Ansa

Er will nun die Hilfe, die er von der EU bekommen hat, zurückgeben. Denn allein im Januar hatte die EU über 50 Tonnen Hilfsgüter an China geliefert. Für China ist die Gegenleistung allerdings einfacher als für die EU, da die meisten medizinischen Produkte - von der Schutzausrüstung bis zum Beatmungsgerät - ohnehin zu großen Teilen in China hergestellt werden. Dort läuft die Produktion von Medizintechnik-Firmen wie Aeonmed nun eben statt für den eigenen Bedarf für das Ausland auf Hochtouren. Mindestens genauso wichtig wie das Material ist jedoch das chinesische Know-how im Umgang mit dem Virus. Kein anderes Land hat mehr Erfahrung.

Ein Großteil der Studien und Daten kommt nach wie vor von dort. In Wuhan und anderswo werden bereits potenzielle Impfstoffe getestet. Chinesische Ärzte wissen, wie wichtig es ist, großflächig zu testen und wie man das medizinische Personal vor Ansteckungen schützt. Auch wenn kein Land 1:1 mit dem anderen vergleichbar ist, gibt es viele gute Gründe, ihnen nun genau zuzuhören. Die Chinesen besetzen hier ein globales Vakuum.  

Washington kein verlässlicher Partner mehr

Die USA, die noch während der Ebola-Epidemie 2014 die internationalen Hilfsanstrengungen koordinierten, haben sich unter Präsident Trump dagegen als verlässlicher Partner abgemeldet. Stattdessen sprach der US-Präsident lange vom "chinesischen Virus", um von der eigenen Verantwortungslosigkeit abzulenken. Seine Regierung wollte selbst die G7 überreden, die Formulierung "Wuhan-Virus" zu übernehmen. Vergeblich. Und selbst wenn Trump sich plötzlich in der Rolle des Weltenretters gefiele, würde man einem Präsidenten kaum über den Weg trauen, der unter dem Motto "America First" stets die eigenen Interessen an erste Stelle setzte.

DW-Kolumnist Frank SierenBild: picture-alliance/dpa/M. Tirl

Die EU ist wie immer viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um eine globale Führungsrolle zu übernehmen. Statt ihre Prinzipien als Werte- und Solidargemeinschaft unter Beweis zu stellen und der Welt zu zeigen, wie man zusammenhält, haben die Länder Europas rasch einseitig ihre Grenzen dicht gemacht und den Export von Schutzausrüstung unterbunden. Das war als erste Reaktion zwar sinnvoll und verständlich, erweckte im zumeist unkoordinierten Vorpreschen der Mitgliedsstaaten aber auch den Eindruck, dass sich in der Krise jeder selbst der nächste ist. Das ändert sich erst langsam: Nun werden etwa französische und italienische Patienten in grenznahen Krankenhäusern in Deutschland und der Schweiz behandelt.

Vertrauensschwund am Rand Europas

Dass die Hilfe aus China für Europa zum Teil schneller und unkomplizierter anläuft als die innereuropäische, sollte jedoch zu denken geben. In vielen Ländern am Rand der EU vertraute man schon vor der Epidemie Peking mehr als Brüssel. Das wird sich durch die Krise noch verstärken. "Es gibt keine Solidarität Europas. Das ist ein Märchen auf Papier", kritisierte Serbiens Präsident Aleksandar Vucic. "Es hat sich gezeigt, dass sich Europa ohne China kaum selbst schützen könnte".

"Der Feind ist das Virus, nicht Menschen. Vorwärts China!" - Plakat in MailandBild: Reuters/F. L. Scalzo

China hat allerdings, was seine Rolle als vermeintliches Vorbild betrifft, ernstzunehmende Wettbewerber: Die Insel Taiwan und Südkorea haben die Eindämmung des Virus auch ohne Total-Quarantäne effektiv hinbekommen. Und sie haben schneller reagiert. Die Eindämmung der Epidemie konnte dank zensurbedingter Verzögerung in China erst verspätet Fahrt aufnehmen. Das macht COVID-19 zwar nicht zu einem "chinesischen Virus", verhindert aber, dass Peking die Lorbeeren alleine für sich einstreichen kann.

International nutzt Peking aber klug die Gunst der Stunde, um Vertrauen gutzumachen. Wem es zuerst gelingt, einen Impfstoff auf den Markt zu bringen, wird dabei nicht unwichtig sein.

Unser Kolumnist Frank Sieren lebt seit über 20 Jahren in Peking.

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