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Politik

Sierens China: Himmlischer Frieden mit Peking

Frank Sieren
13. Februar 2018

Seit Jahren verhandelt der Vatikan schon mit Peking. Nun scheint die Katholische Kirche zu enormen Zugeständnissen bereit zu sein. Wer wachsen will, kommt am chinesischen Markt eben nicht vorbei, meint Frank Sieren.

China Katholische Kirche
Die Xishiku-Kirche oder Nordkathedrale von Peking, die seit 1958 der "Katholischen Patriotischen Vereinigung" unterstehtBild: Getty Images/K. Frayer

Schon die ersten christlichen Missionare bissen sich an China die Zähne aus. "Dieses Königreich pflegt Einheit und Eintracht", beschrieb etwa der Jesuit Longobardi das Problem im Jahr 1601 in einem Brief an seine Ordensbrüder in Italien. "Alle unterstehen sie nämlich - die Größten nicht anders als die Kleinsten - in gleicher Weise dem einzigen König und Monarchen." Gemeint war natürlich der Kaiser. Wenn man ihn für das Christentums gewinnen könnte, so die Hoffnung der Missionare - Millionen wären auf einen Schlag bekehrt! Besonders die am kaiserlichen Hof tätigen Jesuiten versuchten es deshalb immer wieder auf diesem Weg. Und scheiterten zwangsläufig. Der Kaiser konnte als Stellvertreter des Himmels natürlich keine anderen himmlischen Stellvertreter neben sich dulden - schon gar nicht einen wie den Papst, der fern vom Reich der Mitte von Barbaren umgeben ist.

So selbstgewiss wie Chinas Kaiser

Im Grunde hat sich seit damals nicht viel verändert. Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping ist heute mindestens ebenso selbstgewiss wie ein Kaiser. Und auch längst wieder mächtig genug, um eine internationale Institution wie die katholische Kirche und ihren staatlichen Sitz, den Vatikan, in die Schranken zu weisen.

DW-Kolumnist Frank SierenBild: picture-alliance/dpa/M. Tirl

Bereits nach der Machtübernahme 1949 schuf die Kommunistische Partei Chinas klare Fronten: Wer Katholik sein will, muss sich von Rom und dem Papsttum lossagen. Die Folge: Seit 1951 gibt es in China zwei Kirchen, eine staatlich anerkannte, die unter dem Namen "Katholische Patriotische Vereinigung" firmiert, und eine Untergrundkirche, die weiterhin dem Vatikan die Treue schwört und ihre Gottesdienste im Privaten abhält. Letztere bewegt sich dabei jenseits aller gesetzlicher Regeln in einer Grauzone und wird, je nach politischer Wetterlage, mal mehr und mal weniger geduldet. Offiziell gilt in China zwar Religionsfreiheit. Ein neues, in diesem Monat in Kraft getretenes Gesetz dehnt die staatliche Kontrolle auch auf inoffizielle Glaubensgemeinschaften jedoch weiter aus. Der Spielraum der sogenannten "Hauskirchen" dürfte sich dadurch verkleinern.

Schätzungen zufolge leben in China heute um die zehn bis fünfzehn Millionen Katholiken. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung von 1,3 Milliarden ist das nicht viel. Das Potenzial für Missionsarbeit ist dagegen riesig - auch daran hat sich seit dem 17. Jahrhundert nichts geändert. Und wie die Missionare von einst versucht Franziskus, der Geopolitiker unter den Päpsten, den Hebel ganz oben anzusetzen: Das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche arbeitet derzeit mit vollem Einsatz an einer Annäherung mit Peking. Die Entscheidungen, die er dabei fällt, werden nicht nur unter Katholiken kontrovers diskutiert. Um den Fuß in die chinesische Tür zu bekommen, plant Franziskus sieben Bischöfe der bisherigen Staatskirche offiziell anzuerkennen. Und das obwohl der Heilige Stuhl sie jahrelang geächtet hat, da sie sich gegen den Willen des Papstes durch Vertreter der von Peking kontrollierten chinesischen Bischofskonferenz weihen ließen.

Ein Mitglied des Volkskongresses als Bischof von Roms Gnaden?

Doch das ist noch nicht alles: Der Vatikan ist offenbar auch bereit, romtreue Bischöfe, die Peking ein Dorn im Auge sind, zum Rücktritt zu bewegen. Etwa Peter Zhuang Jianjian aus Shantou, der 2006 mit Zustimmung des Vatikan geheim geweiht wurde. An die Stelle des 88-Jährigen soll der ohne Vatikan-Mandat geweihte Bischof Joseph Huang Bingzhang treten. Besonders pikant: Huang ist nicht nur Diener Gottes, er ist auch Mitglied im Nationalen Volkskongress, dem Parlament Chinas. Diese geradezu an Blasphemie grenzenden Zugeständnisse dürften den Glauben des ein oder anderen bisherigen Untergrundchristen ganz schön ins Wanken bringen.

Kardinal Joseph Zen Ze-kiun, seit 2009 emeritierter Bischof von HongkongBild: picture-alliance/AP

Joseph Zen Ze-kiun, pensionierter Kardinal von Hongkong, ließ seiner Enttäuschung bereits freien Lauf. Er sei "zutiefst schockiert", erklärte der 86-Jährige. Sollte Franziskus weiter diesen Weg einschlagen, begehe er damit Verrat an der Katholischen Kirche. Zen, dessen Nachname eigentlich nach buddhistischer Gelassenheit klingt, setzt sich seit Jahren sehr engagiert für die Rechte der Untergrundkatholiken auf dem chinesischen Festland ein - und befand sich damit lange auf einer Linie mit Rom. "Ich bin überzeugt, dass die derzeitige Haltung des Vatikans nicht die des Papstes ist, sondern die von anderen. Aber wenn der Papst seine Unterschrift leistet, bedeutet das, dass er das Abkommen gutheißt. Dann muss ich kooperieren, weil er vielleicht eine größere Weisheit besitzt als ich", so Zen wörtlich.

Informell hat der Vatikan Peking bereits von seiner Entscheidung unterrichtet. Derzeit arbeiten beide Seiten angeblich hinter verschlossenen Türen an einem Staatskirchenvertrag, der schon in diesem Frühjahr eine neue Ära zwischen Peking und dem Vatikan einläuten könnte. Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen scheiterte bislang vor allem an der Frage um die Ernennung der Bischöfe, aber auch daran, dass der Vatikan als letzter europäischer Staat die Souveränität Taiwans anerkennt. Dass Franziskus bereit ist, die Beziehungen zu Taiwan zu kappen hat er aber bereits angedeutet.

Auch die Kirche muss ihren Markt sichern

All das sind Vorgänge, die man so auch aus der Wirtschaft kennt. Je stärker Chinas Einfluss wächst, umso mehr kann Peking seine Handelspartner zu Kompromissen zwingen. Der Vatikan betont zwar, dass die Überwindung der kirchlichen Spaltung mehr Freiheit und Sicherheit für die chinesischen Katholiken bedeute. Gleichzeitig dürfte der vermeintlich uneigennützige Vorstoß aber auch mit der Hoffnung verknüpft sein, selbst mehr Freiheiten auf dem chinesischen Wachstumsmarkt zu erhalten. Franziskus geht es da nicht anders als dem Top-Manager eines großen Konzerns: Weil die Zahl der Gläubigen der katholischen Kirche stagniert oder - wie in Europa - sogar schwindet, müssen neue Märkte erschlossen werden. In Afrika und vor allem Südamerika hat das bisher auch gut geklappt.

Um ihr Wachstum langfristig zu sichern, kann die katholische Kirche aber nicht auf den chinesischen Markt verzichten. Dabei muss sie jedoch nach den dortigen Regeln spielen. Und das bedeutet, dass sie wie jedes andere ausländische Unternehmen in China ein Joint-Venture mit einem lokalen Akteur eingehen muss. So will es das Gesetz und es spielt für den Heiligen Stuhl offenbar keine Rolle mehr, dass dieses nicht von Gott persönlich sondern von der Kommunistischen Partei Chinas stammt. Immerhin: Auf die Idee, den Chinesen in Kürze den Klau von geistigem Eigentum vorzuwerfen, wird in diesem Fall ausnahmsweise niemand kommen. Denn mit dem religiösen Knowhow Roms können die Chinesen nur wenig anfangen.

Unser Kolumnist Frank Sieren lebt seit über 20 Jahren in Peking.

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