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Politik

Sierens China: Hinter verschlossenen Türen

Frank Sieren
27. Oktober 2016

Beim 6. Plenum des Zentralkomitees der chinesischen KP geht es vor allem um eine höhere Parteidisziplin. Ohne Transparenz und klare Spielregeln wird das allerdings schwierig, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

Xi Jinping
Xi Jinping - der starke Mann Chinas. Generalsekretär der Kommunistischen Partei und zugleich Staatspräsident.Bild: Getty Images/Afp/Ed Jones

Vieles wurde im Vorfeld gemunkelt. Auf dem Treffen der Top-Kader der Kommunistischen Partei soll es darum gehen, ob die Kader künftig ihre Besitzverhältnisse noch stärker offen legen müssen und welche Stühle gerückt werden sollen. Denn im kommenden Jahr stehen Neuwahlen für das wichtigste Gremium überhaupt an - den siebenköpfigen Ständigen Ausschuss des Politbüros. Spannend wird es also, welche "Lieblinge" Staats- und Parteichef Xi Jinping vielleicht schon jetzt auf frei werdenden Stellen positionieren wird. Und spannend ist natürlich, ob Regelungen liberalisiert werden, etwa die, ab wann ein Politbüromitglied in Ruhestand gehen kann. Bisher sind jedoch alles nur Spekulationen. Allein bei einem einzigen Thema lässt sich schon jetzt eine Zwischenbilanz ziehen: der Korruptionsbekämpfung.

Schockstarre lähmt das Land

Die Antikorruptionskampagne, angestoßen von Präsident Xi Jinping vor gut drei Jahren hat ihren Höhepunkt noch nicht überschritten. Allein in den vergangenen Monaten sind wieder mehr als 50 hohe Funktionäre vom Rang eines Ministers oder Provinzchefs verhaftet worden. Etwa die Hälfte der in Gefängnissen Einsitzenden ist bereits von Gerichten verurteilt worden, mehr als 700 Verfahren laufen derzeit noch. Das Problem: Mit rechtsstaatlichen Verfahren können die Delinquenten nicht rechnen. Und deswegen verharren nun jene, die bisher nicht erwischt wurden, ja selbst die, die sich gar nichts vorzuwerfen haben, schon viel lange in einer selbst verordneten Schockstarre.

DW-Kolumnist Frank SierenBild: picture-alliance/dpa/M. Tirl

Sogar die staatliche Zeitung "Global Times" brandmarkt inzwischen diese Schattenseite der Kampagne als  "passiven Widerstand". Er zeichnet sich dadurch aus, dass sich keiner mehr traut, irgendetwas in seiner Provinz oder in seinem Ministerium zu entscheiden, um sicherzustellen, dass er auch garantiert nichts falsch macht. Die Antikorruptions-Medizin hat also Nebenwirkungen, mit denen niemand gerechnet hatte. 

Das bedeutet freilich nicht, dass nun eine Amnestie in Sicht ist, wie mancher sich wünscht - frei nach dem Motto: Wer bisher nicht erwischt wurde, hat Glück gehabt. Im Gegenteil: Die durch die fehlende Transparenz geschürte Angst ist Kalkül. Sie ist kein Fehler, sondern Teil des Programms. Es lässt sich mit dem chinesischen Sprichwort "Shaji gehoukan - Das Huhn töten, um den Affen zu erschrecken" am besten beschreiben. Und ist insofern ein Teil der chinesischen Kultur.

Nichtstun ist künftig auch strafbar

Keiner kennt die Spielregeln nach denen verhaftet, angeklagt oder bestraft wird. Und weil alle irgendwie ein wenig Dreck am Stecken haben, will nun keiner schlafende Hunde wecken. Und deswegen wird nichts mehr entschieden. Dieses Nichtstun, und das ist die neue Entwicklung, kann künftig auch bestraft werden, und es soll noch klarere Spielregeln geben. Statt also die Zügel lockerer zu lassen, werden sie nun noch kürzer gehalten. Man kann sich nicht mehr sicher wägen, nur weil man in Peking nicht aufgefallen ist - weder positiv noch negativ.

Dieses Konzept wird ohne Rechtsstaatlichkeit jedoch nur schwer aufgehen. Denn die Intransparenz verlangt nach immer mehr Härte. Die allerdings lässt sich nicht mehr beliebig steigern. Einstweilen lässt aber Staats- und Parteichef Xi noch nicht locker.

Unser Kolumnist Frank Sieren lebt seit über 20 Jahren in Peking.

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