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Jung und bald besser

Frank Sieren31. August 2015

Die Medaillenbilanz für China bei der Leichtathletik-WM ist nicht überragend. Die Chinesen sind dennoch stolz auf ihre Sportler. Peking hat die Softpower entdeckt, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

100-Meter-Finale mit Usain Bolt und Su Bingtian (Foto: picture-alliance/dpa/ChinaFotoPress)
Bild: picture-alliance/dpa/ChinaFotoPress

In den vergangenen Tagen zeigte sich Peking von seiner schönsten Seite. Der Himmel war öfter als sonst strahlend blau und statt der nervenaufreibenden Staus war auf den Straßen kaum etwas los. Denn die Hälfte der Autos durfte nicht fahren. Auch mehr als 20.000 Fabriken in fünf Provinzen rund um die Hauptstadt sind geschlossen worden, damit der Staub nicht wie sonst Peking in eine Smogwolke hüllt.

Diesen Aufwand betreibt China natürlich nicht nur für die 15. Leichtathletik-Weltmeisterschaft, die gestern zu Ende ging, sondern auch schon für die Militärparade zum 70. Jahrestag des Kriegsendes am kommenden Donnerstag. Peking hat rund 120 Millionen Dollar dafür locker gemacht, so viel wie kein Land zuvor. Peking wollte unter allen Umständen, dass sich die mehr als 1900 Sportler aus 270 Nationen wohlfühlen und die gute Stimmung in die Welt tragen.

Gutes Image und Medaillen

Imagemäßig und auch sportlich ist die WM für China gut gelungen: Auch wenn Favoriten wie Usain Bolt und seine Kollegen aus Jamaika allein sieben Goldmedaillen einheimsten, Chinas Medaillen-Bilanz ist erstaunlich hoch ausgefallen: Einmal Gold für die Geherin Hong Liu - leider kein werbeträchtiger Sport. Sieben Mal Silber, unter anderem für die chinesischen Staffelläufer und Hochspringer, und einmal Bronze im Weitspringen.

Damit liegt China mit insgesamt neun Medaillen noch vor Deutschland mit acht Medaillen. Aber auch ohne Medaillensieg sind Sprinter wie Su Bingtian in die Herzen der Chinesen gelaufen. Während Usain Bolt und sein ärgster Konkurrent Justin Gatlin sich in Peking beim Finale über 100 Meter ein packendes Duell lieferten und Bolt nur eine Hundertstelsekunde vor Gatlin die Ziellinie erreichte, feierten die chinesischen Zuschauer im Publikum schon längst einen anderen: Su Bingtian.

DW-Kolumnist Frank SierenBild: Frank Sieren

Der neue Held

Zwar ist Su nur als neunter und damit Letzter ins Ziel eingelaufen. Doch nie zuvor hatte es vor ihm überhaupt ein Asiate geschafft, bei einer WM oder bei den Olympischen Spielen ein 100-Meter-Finale zu erreichen. Und damit fieberten auch Chinas Nachbarn mit, als er dann noch mit drei anderen Kollegen Silber beim Staffellauf holte.

Ob WM-Superstar Usain Bolt beeindruckt von den chinesischen Staffelläufern war oder nur höflich gegenüber den Gastgebern sein wollte, lässt sich nicht unterscheiden. Jedenfalls sagte er: "China war im eigenen Stadion großartig. Sie sind noch so jung und können sich noch verbessern. Gut gemacht, Jungs!"

Trainer aus Europa

Chinas Leichtathletik-Fans können also zumindest wieder hoffen, dass nun mit Su ein neuer Star heranwächst, der sich auf internationaler Bühne behaupten kann. Aber noch ist selbst der chinesische Leichtathletik-Verband vorsichtig mit Prognosen. Denn Leichtathletik ist nicht gerade ein Feld, auf dem die Chinesen in der Vergangenheit mit großen Leistungen glänzten. Außer dem Hürdenläufer Liu Xiang, der 2004 bei den Olympischen Spielen in Athen als erster Asiate überhaupt in einem Leichtathletik-Wettkampf eine Goldmedaille gewann, gab es bisher kaum chinesische Leichtathleten, die international bekannt waren. Der 32-Jährige Liu, der im April wegen Verletzungen in den Ruhestand ging, war der mit Abstand erfolgreichste Leichtathlet des Landes. Und so gingen die chinesischen Sportler, sofern sie sich überhaupt qualifizierten bei Leichtathletik-Wettkämpfen meist leer aus oder waren weitab einer realistischen Position je eine Medaille zu ergattern.

Weil Sport für die Softpower wichtig ist und auch zum Repertoire einer Weltmacht gehört, hat China in den vergangenen Jahren einige der besten Trainer der Welt eingekauft, damit auch in Sachen Softpower Sport China international an Bedeutung gewinnt. So sind nun unter anderem der einstige Deutsche Leichtathletikverbands-Trainer Dieter Kollark für Erfolge im Kugelstoßen und der 70-jährige Italiener Renato Canova für Langstrecken-Erfolge unter dem chinesischen Sportnachwuchs zuständig. Know-How-Transfer also nun nicht mehr nur von der westlichen Industrie, sondern jetzt auch in der Leichtathletik.

DW-Kolumnist Frank Sieren lebt seit 20 Jahren in Peking.