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Sierens China: Kein schneller Frieden

Frank Sieren4. November 2015

China ist im Syrienkonflikt bisher kaum sichtbar. Und dennoch ist es inzwischen immer wichtiger, was Peking plant - vor allem für Deutschland, das auf weniger syrische Flüchtlinge hofft, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

Die chinesische Fregatte Yancheng legt in Limassol an
Chinesische Kriegsschiffe sind längst auch im Mittelmeer präsentBild: picture-alliance/dpa

Das Pekinger Postulat der Nichteinmischung klingt gut, aber selbstverständlich hat auch Peking Interessen in Syrien. Über Syrien hatte China bisher den verlässlichsten Zugang zum Mittelmeer. Das ist politisch, militärisch und wirtschaftlich wichtig für die aufstrebende Weltmacht. Politisch-militärisch, weil man im Hafen von Tartus seine Kriegsmarine parken kann. In Tartus hat auch die russische Armee seit den 1970er Jahren einen Hafen. Und Syrien ist ein Land, ohne das Schulter an Schulter mit dem Iran in der Region politisch nichts vorangeht.

Wirtschaftlich ist Syrien für China wichtig, weil Peking hilft, in Syrien Öl zu fördern. Und China kann dadurch zu einem wichtigen Partner im Club der Mittelmeer-Anrainerstaaten, der Union für das Mittelmeer (UFM), werden. Dadurch hat Peking nicht nur Handelszugang zum Mittelmeer, sondern über die EU-Mittelmeer-Länder indirekt auch Zugang zur EU, sollte es noch mehr Ärger mit Brüssel geben. Insofern sollte man die Position des Sprechers des chinesischen Außenministeriums, dass China keinen "eigennützigen Vorteil in Syrien" suche nicht für bare Münze nehmen.

Traditionelle Interessen in Syrien

Es ist nicht einmal so, dass Peking seine Interessen erst vor einigen Jahren entdeckt hätte. Selbst in den Hochzeiten der Kulturrevolution nutzten die Chinesen Syrien, um sich weltpolitisch gegenüber Russland besser zu positionieren und ins Spiel zu bringen. Etwa so wie Putin heute Assad, empfing Mao Zedong 1969 den damaligen syrischen Verteidigungsminister Mustafa Tlass, während Moskaus Regierung ihn durch treuere Vasallen ersetzen wollte. Das geschah nur zwei Monate nach russisch-chinesischen Gefechten am Ussuri, dem Grenzfluss zwischen China und Russland. Moskau lenkte ein und Peking ist seitdem nach Russland einer der wichtigsten Waffenlieferanten der Syrer.

Inzwischen haben sich die Zeiten geändert. Russland und China haben große gemeinsame Interessen in Syrien. Beide sind am Zugang zum Mittelmeer interessiert. Beide wollen Stabilität. Und beide sind mit Bashar al-Assad bisher so gut gefahren, dass sie unbedingt an ihm festhalten wollen. Zumal die Erfahrungen mit von außen initiierten Regimewechseln in Ägypten oder Libyen nicht sehr überzeugend waren.

Russland und China nicht an einem Strang

Allerdings haben Peking und Moskau unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie man die Stabilität wiedergewinnt. Putin setzt auf Kampfflugzeuge, mit denen er die IS-Terroristen und wohl auch die Opposition in Syrien aus der Luft bombardiert. Peking ist hingegen für politische Verhandlungen, ohne die Souveränität von Assad in Frage zu stellen. Das hat Außenminister Wang Yi schon im Januar 2014 vor den Genf II Gesprächen sehr deutlich gemacht: Politische Lösung statt militärische Lösung, auch wenn Peking nun ebenfalls eigene Schiffe vor der syrischen Küste kreuzen lässt und dem Vernehmen nach auch militärisches Ausbildungspersonal in die letzten von Diktator Assad kontrollierten Gebiete entsandt hat.

Dennoch weiß Peking, dass China militärisch derzeit noch keine aktive Rolle spielen kann, und setzt auch deshalb auf Verhandlungen. Die Chancen, seinen weltpolitischen Einfluss zu vergrößern, sind gut. Im Kern fordert Peking: Die Syrer sollen über Syrien entscheiden und Syrien muss seine Einheit und Integrität bewahren. Damit stehen die Chinesen erstaunlicherweise der deutschen Position noch am nächsten. Die Amerikaner dagegen wollen ja unter allen Umständen einen Regimewechsel, wenn es eben sein muss auch militärisch. Die Russen wollen das Regime unter allen Umständen erhalten, wenn es sein muss auch militärisch. Seitdem Putin die Waffen sprechen lässt, müssen beide Seiten höllisch aufpassen, dass nicht aus Versehen, plötzlich Amerikaner Russen beschießen.

DW-Kolumnist Frank SierenBild: picture-alliance/dpa/M. Tirl

Peking als Großmacht der Diplomatie

Diese Konstellation hat Peking nun in die Vorderhand gespielt und eine Verhandlungslösung wahrscheinlicher werden lassen. Vor allem die Deutschen hoffen darauf, dass Peking - wie schon bei den Iranverhandlungen - eine konstruktive Rolle spielt. Bei den Verhandlungen um das Atomprogramm des Irans wurden die Chinesen am Ende als Vermittler zwischen dem Iran und den USA sehr wichtig. Dafür werden sie bis heute von deutschen Regierungskreisen ausdrücklich gelobt - wenn auch nur hinter vorgehaltener Hand, um Washington nicht zu brüskieren.

Wenn es nach Angela Merkel geht, soll Peking nun so schnell wie möglich die Regie übernehmen. Die Flüchtlinge setzen sie inzwischen arg unter Druck. So sehr, dass ihr inzwischen Stabilität und Frieden in Syrien viel wichtiger ist als ein Regimewechsel oder die Bestrafung Assads. Damit liegen Berlins Interessen wiederum eher auf Seiten der Russen und der Chinesen, als auf Seiten der Amerikaner. Merkel möchte sich jedoch nicht offen gegen Washington stellen und auch nicht tuschelnd mit Putin gesehen werden.

Aber Merkel kann durchaus betonen, dass ohne die UN-Vetomächte Russland und China kein Frieden möglich ist, ohne Washington zu brüskieren. Das meinte sie, als sie vergangene Woche in Peking davon sprach, es sei "höchste Zeit" eine "politisch-diplomatische Lösung" zu finden.

Alle haben Zeit - nur Deutschland nicht

Das Problem für Merkel: Nun, da Assad wieder fester im Sattel sitzt, steht Peking nicht mehr so unter Zeitdruck, sondern wird geduldig auf eine günstige Konstellation warten, in der eine Lösung einfacher ist. Zudem drückt sich Peking der ungewohnten Rolle so lange es geht.

Auch Putin hat Zeit. Er will einen möglichst großen Sessel am internationalen Verhandlungstisch. Wenn der Preis dafür ist, dass er noch einige Monate bombardieren muss, dann wird es dies in Kauf nehmen.

Und selbst Obama ist hin- und hergerissen: Ist ein schneller Frieden, allerdings ein Frieden mit Assad, gut für den US-Wahlkampf der Demokraten? Es wäre immerhin ein Frieden. Aber ein Frieden, von dem die Republikaner sagen würden, dass sich Obama nicht nur im Fall des Irans, sondern auch im Fall Syriens von den Chinesen und Russen über den Tisch hat ziehen lassen. Kann er das wirklich wollen? Keine günstigen Voraussetzungen also für einen schnellen Frieden.

Unser Korrespondent Frank Sieren lebt seit 20 Jahren in Peking.

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