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Sierens China: Mit dem Rücken zur Wand

Frank Sieren
16. Januar 2019

Chinas Exporte gingen im Dezember stark zurück. Investitionen schrumpften, das Wachstum wird nach unten korrigiert. Das ist jedoch nicht in erster Linie ein Grund zur Sorge für China, sondern für uns, meint Frank Sieren.

China Containerhafen in Shanghai
Blick auf den Containerhafen von Shanghai aus der VogelperspektiveBild: picture-alliance/dpa/Y. Shenli

Chinas Motor stockt. Chinas Außenhandel lief gegen Jahresende so schlecht wie seit zwei Jahren nicht mehr. Die Exporte gingen im Vergleich zum Vorjahresmonat um 4,4 Prozent zurück. Die Importe verringerten sich noch stärker um 7,6 Prozent. Es ist ein Trend, der die gesamte chinesische Wirtschaft erfasst hat. Peking wird für 2019 voraussichtlich nur noch einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zwischen sechs bis 6,5 Prozent anpeilen. Das wäre der niedrigste Wert seit 1990.

Erstmals seit langem weniger Autoverkäufe

China ist inzwischen für rund ein Drittel des globalen Wirtschaftswachstums verantwortlich. Nicht nur in Deutschland hängen wichtige Industriezweige am chinesischen Markt. Eine schwächelnde Konjunktur in China rüttelt an der Weltwirtschaft. 2018 wurden hier zum ersten Mal seit 28 Jahren weniger Autos als im Vorjahr verkauft. Ein Minus von sechs Prozent. Aber es sind immerhin noch 22,7 Millionen Fahrzeuge. Die deutschen Premium-Marken Daimler und BMW kamen zwar noch mit einem Zuwachs davon, Volumenmarken wie Volkswagen haben aber zum ersten Mal seit 20 Jahren weniger Autos abgesetzt. Ford hat es noch heftiger getroffen: Der Absatz des US-Autobauers ist in China 2018 um mehr als ein Drittel eingebrochen.

Die Automarke, deren Absatz in China am stärksten wächstBild: picture-alliance/dpa/W. Hong

Apple hat erstmals seit Einführung des iPhones vor mehr als zehn Jahren seine Umsatzziele verfehlt. Der Umsatzrückgang zum Vorjahr sei "mehr als 100 Prozent" auf die geringere Nachfrage nach iPhones, iPads und Macbooks in China zurückzuführen, erklärt CEO Tim Cook. Über zehn Prozent iPhones hat Apple weniger in China verkauft.

Die Gründe dafür sind nicht so einfach, wie Tim Cook uns weismachen wollte, nämlich dass China wirtschaftlich strauchelt. Tatsächlich stieg das verfügbare Einkommen weiter: Ein Plus von immerhin 5,7 Prozent war es in den ersten drei Quartalen 2018. Doch entscheidend war vor allem: Huawei, der härteste Konkurrent von Apple, hat im vergangenen Jahr 6,6 Prozent mehr Smartphones verkauft und wird inzwischen mit über 100 Millionen Stück doppelt so viele Geräte in China los wie Apple. Bei den Autos ist es ähnlich. Die lokalen Hersteller legten zu. Geely, einer der Platzhirsche, wuchs um 20 Prozent.

China kann die Krise verkraften

Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich dieser Trend noch verstärken wird, wenn sich erst einmal die Verunsicherung um den Handelsstreit mit den USA verringern wird. Die Einzelhandelsumsätze in China wuchsen Ende des Jahres insgesamt nur schwach, ebenso die Industrieproduktion. Auch der Immobilenmarkt, der rund 15 Prozent des chinesischen Bruttoinlandsproduktes ausmacht, kühlte sich ab.

DW-Kolumnist Frank SierenBild: picture-alliance/dpa/M. Tirl

Dass wir uns am Ende eines globalen Wachstumsschubs befinden ist für China nicht mehr so schlimm. Trotz der jüngsten schwächeren Entwicklung fiel die Bilanz für das Gesamtjahr nicht schlecht aus. Die Ausfuhren Chinas stiegen im Vergleich zum Vorjahr um knapp zehn Prozent, die Einfuhren erhöhten sich um knapp 16 Prozent. Der Handelsüberschuss mit den USA stieg im Verhältnis zum Vorjahr um 17,2 Prozent auf 323,3 Milliarden Dollar. Die Exporte in die USA nahmen um 11,3 Prozent zu, die Importe in umgekehrter Richtung nur um 0,7 Prozent. Eine gute Nachricht für China, eine schlechte für Trump. Und sein Hebel gegenüber China wird jeden Tag kürzer 

Lange hing Chinas Wirtschaft an Exporten. Nun macht der Binnenkonsum gut 70 Prozent der Wirtschaftskraft aus. Deshalb wird Peking 2019 alles daran setzen, das Vertrauen der Bevölkerung in die eigenen Märkte wieder zu steigern. Aber nicht mehr um jeden Preis. Mittlerweile ist die chinesische Regierung viel sensibler als noch vor knapp zehn Jahren gegenüber den Risiken steigender Verschuldung. Peking hat inzwischen das Kreditwachstum von über 15 Prozent Anfang 2017 mit aller Härte auf unter zehn Prozent gedrückt, vor allem indem sie zahlreiche Schattenbanken geschlossen hat. Auch das hat einen direkten Einfluss auf den Konsum.

Richtige Balance zwischen Gaspedal und Bremse

Pekings Priorität liegt im neuen Jahr auf der richtigen Balance zwischen Gaspedal und Bremse. Anders als in der weltweiten Krise 2008/2009 ist es diesmal nicht wahrscheinlich, dass die Volksrepublik mit einem riesigen Konjunkturprogramm, das kosten darf, was es will, die gesamte Weltwirtschaft aus der Lethargie reißt.

Die Skyline von Shanghai - die Stadt steht wie kaum eine andere für die wirtschaftliche Kraft ChinasBild: picture-alliance/dpa/Xinhua/W. Jianhua

Die chinesische Zentralbank kündigte an, die Banken zu einer stärkeren Kreditvergabe an kleinere Unternehmen zu ermutigen. Firmen, die bislang niemanden entließen, sollen die Hälfte ihres Vorjahresbeitrags zur Arbeitslosenversicherung zurückerhalten. Änderungen der Mehrwert- und der Einkommenssteuer sowie finanzielle Anreize für den Kauf von Konsumgütern und Autos sind ebenfalls im Gespräch. Der Aktienmarkt beruhigte sich angesichts der angekündigten Maßnahmen bereits wieder. Die Börsen in Shenzhen und Schanghai stiegen am Dienstag um je knapp zwei Prozent.

Und das sind nur die ersten von vielen Instrumenten über die die Regierung verfügt, um der Konjunktur wieder neuen Schwung zu verliehen. Das wird jedoch den chinesischen Unternehmen mehr helfen, als den ausländischen in China.

Unser Kolumnist Frank Sieren lebt seit 25 Jahren in Peking.

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