1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Sierens China: Mehr Konsum

Frank Sieren
10. März 2017

Auch wenn viele an Chinas Zahlen zweifeln, gibt die Regierungserklärung von Premier Li Keqiang ein ziemlich akkurates Bild der Schwachstellen Chinas ab, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

China Supermarkt Qiqihar
Bild: picture-alliance/dpa

Es gibt schlimmere Probleme als die, die Premier Li Keqiang hat. China ist so erfolgreich, dass es unglaubwürdig klingt. Um 6,7 Prozent ist Chinas BIP im vergangenen Jahr gewachsen. Das ist mehr als dreimal so viel als das BIP der USA mit 1,9 Prozent. Und die haben nur ein Viertel der Einwohner Chinas. Chinas Wirtschaft trägt über 30 Prozent zum Wachstum der Weltwirtschaft bei. Und das in einem Jahr, in dem die Welt an allen Ecken und Enden brodelt, und das Wirtschaftswachstum und der Handel so schwach sind wie seit sieben Jahren nicht mehr.

In der EU nagen Brexit und anstehende Wahlen in Frankreich und Deutschland an der Stabilität und am Glauben an eine starke EU. In den USA macht Donald Trump – ähnlich wie ein pubertierender Teenager, der sich auf der internationalen Bühne (noch) nicht zu benehmen weiß – nicht nur seine Landsleute unsicher, sondern auch den Rest der Welt. Was immer man von den Zahlen im Einzelnen hält: China scheint in all dem Durcheinander stabil zu wachsen und ist zudem dabei, eine wichtigere Rolle in der Weltgemeinschaft zu übernehmen. Das hat Staats- und Parteichef Xi Jinping in seiner Rede in Davos Anfang des Jahres der Welt verkündet. Und zu Hause verkündet dies nun Premier Li Keqiang dem eigenen Volk.

Problematisch: Unzufriedenheit der Mittelschicht

Die Regierung verspricht mehr Jobs, besseren Zugang zur medizinischen Versorgung, mehr Lebensmittel- und Medizinsicherheit und bessere Luft. Dass der Himmel „wieder blau werden soll", wie es Li Keqiang versprochen hat, wird einerseits durch den Abbau von Überkapazitäten in traditionellen und veralteten Industrien vorangetrieben, andererseits durch Chinas Energiewende und zudem durch neue Technologien, die messen sollen, wer die größten Umweltsünder sind. Die Frage ist nur, wie schnell das geht. All diese Regelungen sollen die Lebensqualität des 1,3-Milliarden-Volkes verbessern.

DW-Kolumnist Frank SierenBild: Frank Sieren

Die Unzufriedenheit der aufsteigenden Mittelschicht ist für die Regierung ein viel größeres Problem als die Twitter-Angriffe eines Donald Trump. Um die Ziele zu erreichen, ist China viel mehr auf den Konsum seiner eigenen Leute angewiesen als auf den der Amerikaner. Denn je mehr konsumiert wird, desto unabhängiger ist China vom Auf und Ab der Welt. Über die Zahlen, die Li liefert, kann man streiten. Die Politik, die er ankündigt, ist schon klarer. Fortschritt und Wachstum müssen weiter angetrieben werden. Um dies zu erreichen, müssen die Menschen spüren, dass die Bürokratie abgebaut wird, mehr Geld durch weniger Steuern bei ihnen im Portemonnaie ankommt und mehr Markt und Innovationen möglich werden. Dabei legt die Regierung den Fokus besonders auf die kleinen und mittelständischen Unternehmen.

Konsum soll Wirtschaft beleben

Damit die Menschen mehr konsumieren können, brauchen sie bessere Jobs. Die bekommen sie jedoch nur, wenn sie besser ausgebildet sind. Das jedoch braucht Zeit und Geld. Vielleicht ist das der Grund, warum die Rüstungsausgaben zurückgehen – ausgerechnet in einer Zeit, in der es global an allen Ecken und Enden brennt. Sie werden in diesem Jahr in China nur noch 1,3 Prozent des BIPs betragen. Zusammenfassend kann man also sagen: Im Zweifel ist der Regierung derzeit mehr Konsum wichtiger als mehr Waffen.

DW-Kolumnist Frank Sieren lebt seit 20 Jahren in Peking.

 

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen