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Politik

Sierens China: Muskelspiele

Frank Sieren
20. Juni 2018

Donald Trump bleibt auf Konfrontationskurs und schraubt die Strafzölle gegen China immer höher. Seine Zwangsmaßnahmen können jedoch höchstens kurzfristig fruchten. Denn Peking sitzt am längeren Hebel, meint Frank Sieren.

China Containerhafen
Bild: Getty Images/AFP

Donald Trump glaubt einen Lauf zu haben: Nachdem er in Kanada beim G7-Gipfel den trotzigen Verweigerer gab und in Singapur mit Kim Jong Un einen Deal über das Ende des nordkoreanischen Atomprogramms schloss, ließ er am Dienstag auch noch ankündigen, mit den USA aus dem UN-Menschenrechtsrat auszutreten.

Gleichzeitig treibt er den Handelsstreit mit China auf die Spitze: Bereits am Freitag verkündete er eine zweite Runde von Strafzöllen in Höhe von 25 Prozent auf mehr als 1.102 chinesische Waren mit einem Gesamtvolumen von 50 Milliarden Dollar. Am Montag setzte er noch einen drauf und stellte weitere Strafzölle im Wert von 200 Milliarden Dollar in Aussicht, sollte China seine eigenen Strafzölle gegen die USA tatsächlich durchsetzen. Es sind die bisher radikalsten Schritte, die Trump unternommen hat, um China in die Schranken zu weisen.

Trump will Chinas Aufstieg lähmen

Peking hatte Washington vergangenen Freitag seinerseits mit Vergeltungszöllen von 25 Prozent auf insgesamt 659 verschiedene US-Produkte geantwortet. Darunter landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Sojabohnen, Tabak und Meeresfrüchte, was besonders die Trump-Anhänger in Staaten wie Iowa, Wisconsin, Alaska oder Minnesota hart treffen wird. Trump will dagegen vor allem Chinas Aufstieg zur Tech-Supermacht lähmen, der seiner Meinung nach nur auf dem Rücken der USA gestemmt werde: "China klaut unsere Geheimnisse, die müssen wir schützen, es sind unsere Kronjuwelen", sagte er dem Sender Fox bei einem Interview vor dem Weißen Haus. Viele der neuen US-Zölle zielen deshalb auf chinesische Hightech-Produkte, etwa aus der Automobilindustrie und der Robotik.

DW-Kolumnist Frank SierenBild: picture-alliance/dpa/M. Tirl

Der erste Showdown der in zwei Stufen verordneten Strafmaßnahmen soll schon am 6. Juli umgesetzt werden. Es bleibt also nicht mehr viel Zeit das Ruder noch herumzureißen. Dabei waren die Verhandlungen bereits auf einem guten Weg in ruhige Gewässer: Im Mai und Juni hatten sich hochrangige Handelsdelegationen aus China und den USA gegenseitig besucht. Am Ende hatte sich Peking bereit erklärt, US-Güter im Wert von rund 70 Milliarden Dollar zu kaufen und zusätzlich in US-Infrastruktur zu investieren, vorausgesetzt Washington setze im Gegenzug seine Strafzölle aus. Nur gut eine Woche nach der Erklärung beider Seiten kam die Kehrtwende: Trump gibt lieber den Berserker. Er glaubt, er kann noch mehr für die USA rausholen. Und wahrscheinlich hat er recht - wenn er rechtzeitig einlenkt.

Wenn man einmal davon ausgeht, dass die 25 Prozent Aufschläge auf Güter im Wert von 50 Milliarden verhängt werden, dann würde das China in diesem Jahr noch etwa 0,05 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts kosten. Nächstes Jahr wären es schon 0,1 Prozent aufs ganze Jahr gerechnet. Gleichzeitig würden die Vergeltungsmaßnahmen der Chinesen auch der eigenen Wirtschaft schaden. Wenn sie Zölle auf amerikanischen Sojabohnen und andere Produkte verhängen, werden die Preise dieser Produkte in China steigen und den Preisindex um 0,1 bis 0,2 Prozent anheben. Es ist also nicht wirklich schlimm für Chinas Wirtschaft, aber sehr ärgerlich für Peking. Der chinesischen Regierung fällt es immer schwerer konziliant zu bleiben. Sie spricht von "Erpressung": "Die Vereinigten Staaten initiieren einen Handelskrieg und verletzten die Gesetze des Marktes", erklärte ein Sprecher des chinesischen Handelsministeriums am Dienstag. Sollte sich Washington weiterhin so "irrational" verhalten, behalte man sich "weitere Maßnahmen" vor.

Vor den Wahlen wird Trump angreifbar

Denkbar sind nun nicht nur weitere Zölle, sondern auch Initiativen, bei denen sich die beiden Länder bei Marktzugängen bestimmter Firmen gegenseitig Steine in den Weg legen, ähnlich wie es zuletzt dem chinesischen Netzwerkausrüster ZTE geschah, dem für sieben Jahre der Kauf von US-Bauteilen untersagt wurde. Der Konzern musste seinen Betrieb daraufhin teilweise einstellen.

Die Daumenschrauben sitzen also immer enger. Die zwei größten Wirtschaftsmächte der Erde liefern sich eine Art Materialschlacht, bei der beide unbedingt ihre Stärke und ihre Widerstandskraft unter Beweis stellen wollen. Peking hat allerdings einen Vorteil. Präsident Xi muss nicht unmittelbar wiedergewählt werden. Im Gegenteil. Die Bevölkerung fühlt sich von den USA angegriffen und stellt sich deshalb hinter ihre Regierung, auch wenn es hier und da weh tut. Donald Trump hingegen muss die Midterm-Wahlen im November durchstehen. Und seine Wähler sind Protestwähler. Sie gelten als nicht besonders geduldig, wenn es an ihren Geldbeutel geht. Peking muss also nur Tarife verhängen, die den potenziellen Wählern Trumps besonders weh tun. Und warten. Es geht also um viel mehr als um Gesichtsverlust. Trump kann vor der Sommerpause noch einmal aufspielen. Und schauen was geht. Danach wird sein Spielraum täglich kleiner.

Unser Kolumnist  Frank Sieren lebt seit über 20 Jahren in Peking.

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