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Politik

Sierens China: Reif für die Insel

Frank Sieren
30. Mai 2018

China stationiert Langstreckenbomber, die USA patrouillieren mit Zerstörern: Die Spannungen im Südchinesischen Meer spitzen sich wieder zu. Ein militärischer Konflikt ist dennoch nicht wahrscheinlich, meint Frank Sieren.

Fiery Cross Reef Spratly Islands
Auf vielen der eigentlich unbewohnten Spratly-Inseln hat China militärische Infrastruktur geschaffenBild: CSIS/AMTI/Digital Globe

Peking sprach düster von einer "Provokation" und einem "gravierenden Verstoß gegen die chinesische Souveränität": Seit am vergangenen Sonntag (27.05.) zwei amerikanische Kriegsschiffe, der Zerstörer USS Higgins und der Lenkwaffenkreuzer USS Antietam, knapp an den Paracel-Inseln vorbeigefahren sind, kocht der Streit um die Territorialansprüche im Südchinesischen Meer wieder einmal hoch. Die Schiffe seien ohne Erlaubnis in chinesisches Hoheitsgebiet eingedrungen, heißt es aus Peking. Die Routine-Mission sei nach "nach internationalem Recht" erfolgt, erwidert Washington.

Wichtiger Seeweg mit enormen Bodenschätzen

Dabei geht es natürlich um weit mehr als ein paar Inseln, von denen die meisten kaum mehr als versprengte Felsen im Nirgendwo sind. Das Südchinesische Meer ist eines der wichtigsten Schifffahrtsgebiete Asiens, jährlich werden hier Handelsgüter im Wert von mehr als fünf Billionen Dollar transportiert. Auf dem Meeresgrund liegen darüber hinaus große Erdöl- und Erdgasvorkommen. Und auch für die Fischerei ist die Region von Bedeutung. Die Inseln liegen darin wie Brückenköpfe verstreut. Sie werden nicht nur von China beansprucht, das 80 Prozent des 3,5 Millionen Quadratkilometer großen Gebietes für chinesisch erklärt hat, sondern auch von den Anrainerstaaten Vietnam, den Philippinen, Malaysia sowie Taiwan und Brunei. Völkerrechtlich ist der Status vieler Gebiete noch immer nicht geklärt. Der internationale Schiedsgerichtshof in Den Haag hatte 2016 nach einer Klage der Philippinen Chinas Gebietsansprüche zurückgewiesen. Peking ignoriert das Urteil jedoch und baut seine Präsenz in der Region immer weiter aus.

Für die USA entscheidet sich nicht nur auf der koreanischen Halbinsel, sondern auch im Südchinesischen Meer, ob es der immer mächtiger werdenden Regionalmacht China gelingt, Washingtons Einfluss in Asien weiter zurückzudrängen. Das US-Militär erklärte zwar, dass es sich beim jüngsten Manöver um kein "politisches Statement" gegen "irgendein Land" gehandelt habe. Rein zufällig kommt das Timing aber natürlich nicht. Erst vor knapp zwei Wochen hatten die USA China erstmals von einem seit 1974 alle zwei Jahre stattfindenden internationalen Seemanöver  ausgeladen. Der Grund: Pekings "fortgesetzte Militarisierung des südchinesischen Meeres". Nach der Aufschüttung künstlicher Inseln - angeblich zur Fischerei - und ihrer Aufrüstung mit Raketenabwehrsystemen, zuletzt auf den unbewohnten Spratly-Inseln, habe Peking nun auch für atomare Angriffe ausgerüstete Langstreckenbomber in der Region getestet. Diese erstmals durchgeführten chinesischen Bomber-Manöver "verstärken die Spannungen und destabilisieren die Region", erklärte ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums. Ein Sprecher des Pekinger Verteidigungsministeriums erwiderte, solche Manöver seien nötig, um die Kampfbereitschaft der Marine- und Luftstreitkräfte zu stärken und Chinas Verteidigungsfähigkeit weiter zu verbessern.

Kommt zu den Handelskriegsdrohungen und Verbalschlachten, die sich Peking und Washington seit Beginn von Trumps Präsidentschaft liefern, nun auch ein militärischer Konflikt? Man könnte meinen, dass Peking sich unter Hochdruck darauf vorbereitet: Staats- und Parteichef Xi Jinping treibt seit drei Jahren die größte strukturelle Militärreform der jüngeren Geschichte Asiens voran. Bis 2020 soll die Volksbefreiungsarmee modern und wendig werden. Heer, Luftwaffe und Marine werden einer zentralen Kommandostruktur unterstellt. China will so in der Lage sein, seine militärische Kraft auch über weite Distanzen einzusetzen. Das gilt vor allem auch für die Marine: Seit dem Jahr  2000 hat China mehr Korvetten, Zerstörer, Fregatten und U-Boote gebaut als Japan, Südkorea und Indien zusammen.Erst Mitte Mai lief der erste komplett von China selbst gebaute Flugzeugträger zu seiner ersten Testfahrt aus.

DW-Kolumnist Frank SierenBild: picture-alliance/dpa/M. Tirl

Die USA bleiben stärkste Seemacht

Aus chinesischen Militärkreisen heißt es, dass das Land seine Flotte auf mindestens fünf bis sechs Träger ausbauen wird, um so mindestens jeweils zwei Flugzeugträgerverbände im Westpazifik und im Indischen Ozean stationieren zu können. Doch selbst wenn es soweit ist, wird China den USA noch lange nicht das Wasser reichen können: Schon jetzt verfügen die USA mit zehn Flugzeugträgern, auf denen Kampfjets starten und landen können, über die unangefochten größte Seemacht der Welt. Und mit einer saftigen Erhöhung des Militärbudgets hat US-Präsident Trump bereits klar gemacht, dass dies längst nicht das Ende der Fahnenstange ist.

Unter Trump pochen die USA mehr denn je auf "Freedom Of Navigation", also die Garantie, das Südchinesische Meer ungehindert und unangemeldet passieren zu können. Anfang des Jahres reiste US-Verteidigungsminister James Mattis nach Vietnam und Indonesien, um die militärische Zusammenarbeit mit den beiden Ländern in der Region zu stärken. Peking hatte sich dagegen bereits im November 2017 mit der Gemeinschaft Südostasiatischer Staaten (ASEAN) auf die Aufnahme von Verhandlungen geeinigt, um eine friedlichen Beilegung des seit Jahren andauernden Territorialstreits zu erreichen.

Trump will wirtschaftliche Zugeständnisse, keinen Krieg

Da Peking mit seinen Nachbarn immer enger wirtschaftlich zusammenarbeitet, auch im Kontext der neuen Seidenstraße, hat China mittlerweile die besseren Karten und mehr Verhandlungsmasse als die USA. Denn langfristige wirtschaftliche Prosperität hat für die Anrainerstaaten mehr Überzeugungskraft als die Militärpräsenz eines vermeintlichen Schutzpolizisten, der ansonsten immer weniger Rücksicht auf die Belange seiner einstigen Verbündeten nimmt. Und ohne Staaten, die beschützt werden wollen, lässt sich ein militärischer Konflikt in der Region selbst von den USA nicht rechtfertigen. Und so will Trump, wenn er seine Zerstörer in Richtung der umstrittenen Inseln schickt, vor allem eines: Druck aufbauen, um in wirtschaftlichen Fragen weitere Zugeständnisse zu bekommen.

Unser Kolumnist Frank Sieren lebt seit über 20 Jahren in Peking.

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